Zur Rolle der Gewerkschaft

Zur Rolle der Gewerkschaft

Streikende und Protestierende vor dem Berliner Dom.

In bürgerlichen Gesellschaften, wie der unseren, bilden Gewerkschaften den Brückenkopf der Arbeiterinteressen in den Konzernen und Unternehmen.
Eine Gewerkschaft ist also die Lobby der ArbeiterInnen, die im Idealfall sektorübergreifend handlungsfähig ist und hier als direkte Front gegen die Kapitalisten und ihre Sparpolitik kämpft.

Historisch spielten Gewerkschaften in bürgerlichen Gesellschaften stehts das wichtige Instrument der ArbeiterInnen da, für bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Im Arbeitskampf gehen sämtliche wichtige Zäsuren, wie die Einführung des 8 Stunden Tages und der 40 Stunden Woche, bezahlter Jahresurlaub, Kündigungsschutz, das Frauen-Wahlrecht oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf die Ambitionen und Organisationsfähigkeit der Gewerkschaften zurück.
Die Gewerkschaft kann im Idealfall das wichtigste organisatorische Instrument sein, um große Mengen an ArbeiterInnen hinter einer Sache zu vereinen – denn; allein streikt es sich schlecht.

Gewerkschaften in bürgerlichen Gesellschaften

Eine bürgerliche Gewerkschaft vertritt die ArbeiterInnen aber nur so, wie es das Kapital erlaubt.
So stimmt es; durch die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Absatz 3 GG) ist es jeder ArbeitnehmerIn erlaubt, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Dies jedoch nur solange, wie die Gewerkschaft nicht versucht als revolutionäres Mittel zu agieren und sie bleibt, was sie ist:
Ein Instrument des Klassenkompromisses.
Als geschlossener Klassenkompromiss in Form von Tarifverhandlungen, billigt das Kapital ein, den ArbeitnehmerInnen die Reproduktionskosten (d.h. Lebensunterhalt) genau so weit zu erhöhen, das sie auch am nächsten Tag noch zur Arbeit erscheinen.
Aber ein revolutionärer Akt ist gewiss das kompromissloste politische Mittel das es gibt; um also zu verhindern, dass die Gewerkschaft eben ein solches revolutionäres Instrument wird, sind revolutionäre Handlungsmöglichkeiten den Gewerkschaften untersagt.
So beispielsweise der Generalstreik, d.h. ein Streik, bei dem die ArbeiterInnen eines Gebiets unabhängig von ihrer Lohnarbeit über alle Wirtschaftszweige hinaus die Arbeit niederlegen, ist durch bürokratische Hürden in Gewerkschaftsrecht de facto verboten. (Siehe: WF VI G – 3000-103/06)

Die Fähigkeit mancher Beschäftigtengruppen, zentrale ökonomische Funktionen zu blockieren („strukturelle Macht“, s.u.), sowie das Potenzial – erfüllt oder nicht – viele Menschen gewerkschaftlich zu organisieren, verleiht Gewerkschaften zumindest theoretisch ein hohes Maß ökonomischer wie politischer Macht. Deswegen stehen sie unter besonderer Beobachtung seitens staatlicher Stellen bzw. der Arbeitgeber. Von diesen Institutionen werden Gewerkschaften häufig entweder direkt bekämpft, versucht zu integrieren oder zu kooptieren.“ (Frauke Banse, Geld für Gewerkschaften, S.292)

Die Gewerkschaft hat theoretisch mit der Organisationsfähigkeit mancher Beschäftigtengruppen zentrale ökonomische Funktionen zu blockieren (strukturelle Macht) und dem (wieder theoretisch) Potential
enormer Massenmobilisierung quasi das Machtmonopol über das Handeln der ArbeitnehmerInnen der bürgerlichen Gesellschaft.
Das Kapital lässt sich selbstverständlich in nichts die Macht nehmen (Siehe Gewerkschaftshausstürmungen am 2. Mai 1933) und geht sicher, dass das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, dessen Vermittler die Gewerkschaft ist, stehts dem Kapital zugutekommt.
Beispielsweise wird der DGB, welcher mit 5.850.000 Mitgliedern einen erheblichen Teil der deutschen GewerkschaftlerInnen behaust, seit den 1960er Jahren in internationalen Gewerkschaftskooperationen von der SPD-parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung vertreten, welche vom früheren Bundespräsidenten Roman Herzog als eines der „wirksamste(n) und bewährteste(n) Instrumente der deutschen Außenpolitik“ bezeichnet wurde.
Ist das der klare Trennungsstrich zwischen sich und dem Feind?

Falsche Wahrnehmung von Gewerkschaften

Die Auseinandersetzung mit Gewerkschaften ist außerdem insofern widersprüchlich, dass sie von vielen Linken als revolutionäres Mittel gesehen wird – obwohl sie doch das genaue Gegenteil ist.
Die neue Tarifbedingung, der neue Tarifvertrag, selbst die 40 Stunden Woche oder aktuelle Bestreben wie Reformen des Bürgergelds – das sind Mittel, mit denen das Kapital die ArbeiterIn in ihrer ausgebeuteten Stellung zufrieden und entfremdet genug hält, dass sie ja nicht revoltiert.

Die Gewerkschaft dient häufig als Instrument der herrschenden Klasse, mit dem Ziel einen Kompromiss mit den Arbeitenden einzugehen, welcher darüber bestimmt, was das absolute Minimum ist, für das sie sich ausbeuten lassen.
Und das nicht ohne Arroganz; denn kommt es dann zu Streiks, welche den GewerkschaftlerInnen als Mittel zustehen, um die Tarifverhandlungen voranzubringen, richtet sich der Frust der bürgerlichen Medien und deren Unbewussten nicht gegen das Unternehmen, sondern gegen die Streikenden.

Die wirkliche Macht, auch in dem strengsten Arbeiterkampf, hat also die ArbeitergeberIn, welche sich darauf verlassen kann, dass egal wie lange sie die Streikenden und Kämpfenden zappeln lässt, die Wut der Bevölkerung wird sich niemals gegen sie richten.
Diese Wut auf die Streikenden wird von den bürgerlichen Medien reproduziert und von ihren Lesern in den Alltag verfrachtet.
Die Gewerkschaft und die hier Organisierten haben natürlich keine andere Chance; denn ohne Tarife, ohne Streiks und juristische Möglichkeiten, bleibt der ArbeiterIn in der bürgerlichen Gesellschaft nichts übrig – und alles, was übrigbleibt, wurde von GewerkschaftlerInnen vor ihnen erkämpft.

Die Gewerkschaft kann den ArbeitnehmerInnen ihr Elend also erleichtern, sie kann die Bedingungen der Ausbeutung angenehmer machen – kann sie aber niemals beenden – sonst wären sie nicht im Grundgesetz verankert.
Um es mit Lenin zu sagen (der es wiederrum mit Kautsky sagt):
„so kann die Frage nur so stehen: bürgerliche oder sozialistische Ideologie. Ein Mittelding gibt es hier nicht (…). Darum bedeutet jede Herabminderung der sozialistischen Ideologie, jedes Abschwenken von ihr zugleich eine Stärkung der bürgerlichen Ideologie. Man redet von Spontaneität. Aber die spontane Entwicklung der Arbeiterbewegung führt eben zu ihrer Unterordnung unter die bürgerliche Ideologie, sie verläuft eben nach dem Programm des Credo, denn spontane Arbeiterbewegung ist Trade-Unionismus, ist Nur-Gewerkschaftlerei, Trade-Unionismus aber bedeutet eben ideologische Versklavung der Arbeiter durch die Bourgeoisie.“
Nur-Gewerkschaftlerei, das ist die Idee das eine Gewerkschaft ohne sozialistische Ideologie und klare Klassenanalyse eben nur eine Gewerkschaft ist, jedoch niemals ein emanzipatorisches, gar revolutionäres, Mittel sein kann.
Ohne sozialistische Tendenz wird die Gewerkschaft stehts Mittel des Klassenkompromisses und der Unterordnung sein – Unterordnung der Interessen der ArbeiterInnen unter die Profitmaximierung der KapitalistInnen.


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