Verkehrter Antifaschismus

Verkehrter Antifaschismus
AfD-GegendemonstrantInnen in Berlin.

Reminder: Die rot-markierten Wörter sind Links, die zu entsprechenden Kritikpunkt-Artikeln führen.


Die AfD zu verbieten, wäre, als hätte der Hund in die Küche gekackt, aber man wedelt nur die Fliegen weg – die scheiße bleibt liegen.

In den letzten Tagen haben hunderttausende die Straßen ergriffen, um gegen die AfD und, in den meisten Fällen, für ein AfD-Verbot zu stimmen.
Das ist mehr als erfreulich, da die schweigende Mehrheit nach den Potsdam-Treffen (welches nebenbei sehr an Hitlers Rede vor dem Industrie-Club Düsseldorf erinnert) scheinbar genug hat und ihre Stimme nutzen will, um gegen die faschistische Tendenz des Kapitals zu protestieren.
Sieht man jedoch bürgerliche PolitikerInnen, wie „Wir müssen endlich im großen Stile abschieben“-Olaf und „Egal was meine Wähler denken“-Baerbock mit den Demonstrierenden mitlaufen, stellt sich die Frage:
Was ist das herrschende Verständnis vom Faschismus; und ist das nicht Heuchelei?

Im politischen Verständnis des Bürgertums ist der Faschismus, mit ihm der Nationalismus und der Rassismus, ein Symptom ohne Ursache.
Die AfD gibt es einfach seit ein paar Jahren, davor war noch alles gut, klar Flüchtlinge sind ein Problem, aber die AfD übertreibt – So lautet die bürgerliche Kampfansage gegen die böse Seite ihrer Medaille.

Die AfD ist eine Partei, welche nach aktuellen Umfragen in einigen Bundesländern, d.h. sämtlichen im Osten, die mindestens zweitstärkste Partei stellen würde.
Bundesweit gibt es Prognosen, die von 20% der WählerInnenstimmen ausgehen.
Erst einmal muss gesagt werden, dass die Vorstellung, der Großteil der AfD-WählerInnen würde diese nur aus Frust wählen, ebenso falsch ist, wie die Vorstellung jede AfD-WählerIn sei ein Nazi.

Wie jede politische Ideologie, beruht auch die der AfD auf materiellen Bedingungen, aus welchen sie entspringen.
Sowieso jede Entscheidung und Einstellung, sowie die Geschichte als ganzes basiert auf materiellen Bedingungen, auf Ursachen die konkret zu analysieren sind – die Geschichte ist eben nicht durch Ideen bestimmt.
Die Ideen der AfD, d.h. knallharter Ethnonationalismus, radikale Marktpolitik und ein radikalkonservatives Gesellschaftsbild sind allesamt Folgen der ständigen Kriese dieses Systems.
Ein Beweis ist Ostdeutschland selbst; auch wenn es medial oft so dargestellt wird, als hätten die blöden Ossis einfach einen Diktaturknax, sind die eigentlichen Gründe für den Erfolg des Rechtsradikalismus im Osten doch klar zu analysieren.
Die Menschen der ehemaligen DDR wurden seit illegaler Auflösung ihres Staates von dem bestehenden System verarscht und ausgeraubt; die Treuhand kostete nach der Wende jede dritte BürgerIn ihren Arbeitsplatz, über die Hälfte aller Betriebe schlossen und die Lebensqualität sank erheblich – wie Merkel es noch 2020 behauptete; die Wende ist noch immer nicht vollzogen.
Noch immer verdienen die Leute in Ostdeutschland 12.000 Euro weniger als die im Westen, noch immer wird dieser Staat den sie mal zuhause nannten verunglimpft und durch den Dreck gezogen.
Das heißt nicht, das AfD-WählerInnen SozialistInnen sind, es heißt aber das sie von diesem System von Anfang an verarscht wurden – das ist der Nährboden des Ostens für den Rechtsextremismus, wie ich es schon in „Die Massen (nicht) erreichen“ schrieb; wenn dieses bundesdeutsche System mit Hochnäsigkeit erklärt, warum sie dankbar sein sollten so zu leben, wie sie es tun – und kein Linker zur Seite steht der ihnen erklärt, warum es nicht so ist, dann ist eben der Ausländer schuld.

Was würde ein AfD-Verbot also bspw. in Sachsen tun, dort also wo die AfD mit 34% als stärkste Kraft prognostiziert wird?
Wir können nur schwer sagen, wie viele der AfD-WählerInnen aus tatsächlicher Überzeugung zu den Werten der AfD die Partei wählen – gehen wir aber von der „Wer die AfD gewählt hat und warum“-Studie vom Bayerischen Rundfunk aus, sind es 47% der AfD-WählerInnen, die sie aus Überzeugung zu ihren Werten wählen.
Das bedeutet zwei Dinge: Rund die Hälfte der Leute wählt aus Überzeugung, die andere aus Protest – beide Aussagen führen zur selben Schlussfolgerung:
Im Falle eines Parteiverbots: sind diese 47% dann keine Nazis mehr? Und sind die 53% der ProtestwählerInnen dann plötzlich zufrieden mit der Regierung, oder wählen aus Protest die Linkspartei?
Natürlich nicht.

Als die NSDAP 1923 verboten wurde, was geschah? Die NSDAP kam zurück; neu organisiert und erfolgreicher denn je.
Eine Partei wie die AfD, die sich als „Anti-Establishment“ kürt, kann nicht verboten werden, da ein Verbot sie in ihrer Position für die WählerInnen nur bestätigen würde.

Die Existenz der AfD ist eine Folge der Widersprüche dieses Systems, verschärft seit der Wende.
Unter dem Vorwand eine Anti-Establishment Alternative zu sein fungiert die AfD, wie einst die NSDAP, als Manifestation aus der Unzufriedenheit über die bestehenden Verhältnisse, welche aus Widersprüchen dieses kapitalistischen Systems stammen.
Dies verbindet sie mit die-da-oben Polemik und findet in der Migration, welche eben wieder durch Widersprüche des Systems verursacht wird, den Sündenbock.
Statt Nonsens-Debatten über ein Parteiverbot zu führen, sollte das angehauchte politische Bewusstsein genutzt werden, um Widersprüche aufzudecken und klarzumachen; die AfD ist nicht die Ursache, sie ist das Symptom.

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