Nation größer Menschlichkeit
Nation größer Menschlichkeit

Ich finde es immer komisch, wenn die bürgerliche Presse über Vorfälle in Gebieten berichtet, über die sonst nie berichtet wird, weil dort Deutsche umgekommen sind.
Dann steht dort bspw.; „Deutscher tot bei Unglück in Laos“, oder „Deutsche Touristin tot in Ägypten“.
Das „Deutsch“ ist hier also auschlaggebend, das kennen wir ja – könnte die Nachbarin sein.
Die Empathie wird dann nach Nationalität definiert, das gleiche auch nach dem 07. Oktober in Israel; „Hamas-Terror: Einstellige Zahl Deutscher tot“ schreibt das ZDF.
Die Empathie zu dem Gegenüber ist also durch die Zugehörigkeit zur Nation, zum gleichen „Wir“ definiert.
Deutschland, das sind „Wir“; was dieses Ideelle „Wir“ dann genau definiert, dass ist andere Sache, Fakt ist aber – im bürgerlichen Bewusstsein ist die Verbundenheit der Menschen untereinander, mehr vom „Wir“ gesteuert, als von tatsächlich materiellen Gegebenheiten wie Lohn, Stellung in Produktion et cetera.
In Gaza sind nun rund 35.000 Menschen tot (Seit dem 07. Oktober versteht sich), rund 400 Tote und Verletzte am Tag.
Das sind 16 die Stunde, eine:r alle 4 Minuten.
Das Vorgehen Israels als genozidal zu bezeichnen, war bis vor wenigen Wochen, selbst nach dem Urteil des ICJ, noch unvorstellbar.
So hält die Repression gegen Palästina solidarische schon seit Jahrzehnten an; Parolen, die Israel den Völkermord vorwerfen, sind seit dem 07. Oktober ganz besonders verpönt.
Der Palästina-Diskurs der bürgerlichen Presse scheint sich jedoch zu wenden, nicht etwa, wegen dem steigenden Hunger der Palästinenser:innen, dem Massaker an Patient:innen und Pflegearbeiter:innen im Al-Shifa Krankenhaus oder dem zukünftigen Einsatz von KI zur Ermittlung von Opfern seitens Israel – nein, wegen 7 Toten Hilfsarbeiter:innen.
Am Abend des 01. April diesen Jahres fuhren drei Autos der World Central Kitchen, einer internationalen Hilfsorganisation, über eine mit der israelischen Armee abgesprochene Route durch Gaza-Stadt.
Zwischen 22:30 und 23:00 trafen Drohnengeschosse das Erste Auto; die Überlebenden stiegen in das zweite Auto um, welches umgehend ebenfalls beschossen wurde.
Das Dritte Auto, welches ein paar der Verwundeten im Vorbeifahren mitnahm, wurde wenig später von dem dritten Drohnenschuss getroffen.
Dramatisch, mörderisch – ein Kriegsverbrechen.
Die Dächer aller drei Autos waren mit dem Logo der World Central Kitchen bedruckt, die Route wie erwähnt mit der IDF abgesprochen.
Die Grausamkeit des Terrorangriffs ist nicht zu leugnen, sie symbolisiert aber die Wichtigkeit der Nation im Kontext der Empathie.
Nach dem Angriff gab es weitreichende globale Empörung, selbst in der westlichen Welt.
Seitens Polen und Australien kam nicht nur Empörung bzgl. des Vorfalls, sondern Ablehnung Netanyahus Statement, welcher (paraphrasiert) meinte „diese Dinge passieren eben im Krieg“.
Selbst die deutschen bürgerlichen Zeitschriften, von Spiegel bis Welt, berichten über den Angriff und beschreiben das ganze als „Tötung“, statt als wie bei toten Palästinenser:innen typisches „ums Leben kommen“.
Die getöteten Hilfsarbeiter:innen waren polnisch, australisch, kanadisch und britisch, mit Ausnahme eines Palästinensers aus Rafah.
Menschen aus der zivilisierten Welt also, mit einer Ausnahme.
Für die westliche und bürgerliche Berichterstattung bedeutet das, diese Tode sind echt – sie sind zuordenbar und nachzuvollziehen.
Denn 7 Palästinenser:innen wurden allein in der Zeit, die es braucht, diesen Artikel aufzurufen und zu lesen, getötet oder verletzt.
Die Flucht aus der Statistik, die Berechtigung für einen Tod mit Konsequenzen, ist einzig die Staatsangehörigkeit zu einer Nation, welche in der globalen Hegemonie oben mitspielt.
Die Geburtenlotterie dieses kapitalistischen Weltsystems bestimmt also nicht nur, in welchen Elend du leben darfst, sondern auch mit wie viel Würde du sterben darfst.