Imperialisierter Goldesel

Imperialisierter Goldesel

Iran; Eine marxistische Geschichte.

Ölproduktion im iranischen Golf, REUTERS/Raheb Homavandi

Es ist ein fundamentales Missverständnis, die Iranische Revolution als fundamental religiöse Revolution zu betrachten, weshalb ich den Begriff „islamische Revolution“ als polemisch und missverständlich verstehe.
Deshalb werde ich im folgenden die Umschreibung „iranische Revolution“ verwenden.


Britische Kapitalisten und der Schah

Der Iran war seit der Revolution 1906, mindestens aber seit dem Ende des ersten Weltkrieges ein Ort der Selbstbedienung für westliche Konzerne, welche sich an dem iranische Öl bereicherten.
Beträchtlich hierbei die „Anglo-Persian Oil Company“ (APOC), welche das erste Unternehmen war, das Öl im Nahen Osten förderte – später umbenannt zu „British Petroleum Company“, oder BP, eines der größten Mineralölunternehmen der Welt mit britischem Hauptsitz.

Da sich im seit 1906 bestehenden Madschles (Farsi: „Versammlung“), dem iranischen Parlament, zu viel Opposition gegenüber der Aufsaugung der iranischen Mineralölvorkommen seitens des britischen Mineralölkonzerns breitmachte, half dieses schnell mit einem Dynastiewechsel.

Auserwählt für diesen Dynastiewechsel wurde der Junge Militärkommandant Reza Khan, welcher zuvor durch einen (unblutigen) Putsch den Rücktritt des Premierministers Sepahdar erzwang, er selbst stieg zum Verteidigungsminister auf.
Mit Hilfe von großer Mengen Unterstützung durch die britische APOC reformierte Khan die Armee und bekämpfte Seperatist:innen sowohl im Norden Persiens (hier wurde die „Sozialistische Sowjetrepublik Iran“ ausgerufen) und im Westen (hier wurde ein unabhängiger kurdischer Staat ausgerufen).
Die britische Finanzierung und das Prestige, welches Khan durch die Besiegung der Seperatist:innen erlangte (denn ein Ölkonzern kann keine Sozialistischen Separatist:innen gebrauchen), verhalfen Khan 1923 zum Premierminister aufzusteigen.  

Als Premierminister plante Khan, Persien zu einem säkularen Staat ähnlich zur noch jungen Türkei umzuformen.
Da die geistlichen im Parlament ihn bei diesem Bestrebungen jedoch ziemlich nervten und ihn sogar zum Rücktritt aufforderten (bzw. mit 94 zu 5 für seinen Rücktritt stimmten), die APOC jedoch keine Lust hatten, die iranischen Mineralölvorkommen jemandem zu überlassen, der ihnen womöglich nicht nach der Nase tanzt wie Khan, gaben sie ihm einfach noch mehr Geld und halfen ihm, zum de-facto Diktator Irans aufzusteigen.
Die Kadscheran-Dynastie wurde abberufen, und Reza Khan (von nun an Reza Shah) zum Schah (Farsi; „König“) ernannt.

Nach einigen Jahren (im reaktionären Sinn) erfolgreicher Staatsführung, bzw. Staatsgründung (Umgestaltung Persiens zum Nationalstaat „Iran“) wurde mitten im zweiten Weltkrieg Reza Shahs jüngster Sohn Mohammed Reza Pahlavi zum Shah ernannt.
Nach dem zweiten Weltkrieg wollte Großbritannien mehr Partizipation in Irans Regierung, u.a. wegen der Angst, der Iran könnte (noch) näher an die UdSSR rücken.
Im Zuge dieser Reform des Parlamentes wurden auch die (bürgerlich) demokratischen Wahlrechte vergrößert und die Macht des Schahs etwas eingeschränkt.

Mossadegh und „Death to America”

Profitiert aus dieser Öffnung des Parlamentes hat die Tudeh, die Marxistisch-Leninistische Partei des Iran.
Die Vorsitzende der Tudeh, Mohammed Mossadegh, wurde 1951 zum Premierminister Irans.

Unter dem Genossen Mossadegh trat das iranische Parlament in Widerspruch zu den Profitinteressen des britischen Kapitals, manifestiert insbesondere durch die APOC.
Mossadegh erkannte die Notwendigkeit, die iranischen Mineralölreserven zu nationalisieren; u.a. auch um die Macht des Schahs, welche durch die westlichen Imperialisten hochgehalten wurde, zu brechen.

Mossadegh stellte außerdem fest, das fast die Hälfte aller Mitglieder des iranischen Parlaments auf der britischen Gehaltsliste standen.
Da das iranische Parlament offenbar nicht mehr war, als ein Mittel zur britischen Einflussname, entschloss Mossadegh mit Hilfe einer Volksbefragung das Parlament aufzulösen.

Nach der Verstaatlichung der APOC, stellte der CIA-Direktor Dulles ein Millionen-Budget zum Sturz Mossadegh bereit, welchen er mit den berühmten Worten „in any way that would bring about the fall of Mossadegh“ abwinkte.
Am 17. August 1953 begannen professionelle Provokateure der CIA auf den Straßen Teherans für Chaos zu sorgen und Pro-Schah-Demonstrationen zu veranstalten.

Und wie es sich für Monopolkapitalisten gehört, stürzten die Geheimdienste der USA und Großbritanniens Mossadegh in der völkerrechtswidrigen Operation Ajax.
Der Genosse Mossadegh lebte bis zu seinem Lebensende in Hausarrest auf seinem Anwesen auf dem Land nähe Teherans.
Weil den Kapitalinteressen nun also kein lästiger Sozialist mehr im Weg stand, wurde der Schah wieder in seine kurzfristig entmachtete Position gesetzt und verteidigte bis zur iranischen Revolution fleißig weiter die Profitinteressen der APOC, welche sich jetzt British Petroleum nannte. [1]
Die zweite Herrschaft des Schahs war von enormer Zuspitzung innerer Widersprüche, faschistoiden Herrschaftsmethoden, Folter und de-facto Diktatur geprägt.
Der Schah verweilte in seiner Machtposition bis 1979. [2]

Der Sturz Mossadeghs ist einer der tragweitenreichsten Staatsstreiche des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Sturz Mossadeghs lernte das westliche Kapital, insbesondere das amerikanische, wie es mit ausländischer Opposition gegenüber ihrem Profitinteresse umzugehen hat.
Die Mossadegh-Blaupause widerholte sich seitdem gegen Anti-imperialist:innen und Freiheitskämpfer:innen weltweit – Jacobo Arbenz in Guatemala (1954), Patrice Lumumba im Kongo (1961), Salvador Allende in Chile (1973), Thomas Sankara in Burkina Faso (1987), Surkano in Indonesien (1967) – einige von vielen, vielen mehr antikommunistischen Staatsstreichen, welche der mit Mossadeghs-Sturz gefundenen Blaupause folgen.

Die Iranische Revolution

Schon 1963 begann der Schah mit der „Weißen Revolution“ den Versuch, die Gesellschaft von oben aus zu modernisieren – im Herzen blieb er nunmal ein großer Freund des Westens.
Die „Weiße Revolution“ brachte Progresse, wie das Wahlrecht für Frauen, mit sich, geschah jedoch im Vordergrund von sich rapide zuspitzenden materiellen Bedingungen.
Denn wie typisch in kapitalistischen Boomphasen mit Top-Down Modernisierung, gab es einfach nicht genügend Jobs.
So absolvierten 1975 mehr Leute an Universitäten als es Jobs gab und insbesondere in Teheran, herrschte wachsende Unzufriedenheit bzgl. des Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Verarmung und Bereicherung der Öl-Giganten.
Die Korruption, welche sich in vielen Teilen der Gesellschaft unter dem Schah zeigte, verbunden mit dem Wissen vieler, das der Schah eben ein Stellvertreter westlicher Interessen war, führte ab 1978 hunderttausende Demonstrierenden auf die Straße.

Einer der bekanntesten Kritiker der „Weißen Revolution“ und des Schahs war Ruhollah Khomeini, einer der bedeutendsten muslimischen (Shia) Kleriker im Land und später der erste Ayatollah der islamischen Republik. Khomeini kritisierte zum einen die Modernisierung des Iran, d.h. Frauenwahlrecht etc., zum anderen jedoch die weitreichende Korruption und Ungleichheit, sowie Diktatorische Position des Schah, welche sich in Hinblick der sich zuspitzenden Widersprüche weiter zentralisierte.

Nach Repression gegen einige Khomeini-nahe Demonstrationen, begannen sich, mit jeder Repression wachsende, Menschenmengen auf den Straßen Irans zu versammeln
Unter den Demonstrierenden fand der Anti-Amerikanismus, u.a. durch Erinnerung an den Mossadegh-Putsch sowie durch die Widersprüche, welche sich durch die „Weiße Revolution“, in Hinsicht auf den Erhalt der eigenen persischen Kultur im Gegensatz zur angestrebten „Amerikanisierung“ durch den Schah, viel Zuspruch.

Was jedoch nur ein kleiner Teil der revolutionären Bestrebungen war, war der Islam.
Die iranische Marxistin Sy Landu schrieb hierzu:
Angesichts der revolutionären und antiimperialistischen Gesinnung der Massen musste sich die iranische Bourgeoisie an Khomeini wenden, und Khomeini musste sich häufig von den offen bürgerlichen Typen wie Bazargan und Bani-Sadr abwenden und den religiösen „Fanatikern“ zuwenden. Er benutzt die religiösen Ideen als Opium, um die Massen zu befriedigen und zu bändigen, und die Hezbollahs, um sie zu disziplinieren. In der Tat wurden die fanatischen Schläger sogar gegen die bürgerlichen Elemente selbst eingesetzt, um sie davon abzuhalten, eine zu offensichtliche bürgerliche Herrschaft zu fordern und damit das Überleben ihres eigenen Systems zu riskieren.“ (Iran: Revolution, War and Counterrevolution)

Materielles Fundament der Revolution waren die Streiks der Arbeiter:innen in der Ölindustrie.
Die Arbeitskämpfe, welche iranische Arbeiter:innen in Hinsicht auf die wachsenden Widersprüche zwischen Arbeit und Kapital, Lohn und Arbeit, ab 1978 aufnahmen, waren zweifelsohne der Kern der Klassenkämpferischen Aspekte der Revolution.
Die Ölstreiks, welche von der viele Jahre zuvor von Mossadegh gegründeten „Nationalen Front“ geführt wurden, zwangen das Mineralölkapital, dem Schah wichtige Unterstützung zu entziehen.
Foucault nannte die Kämpfe der Arbeiter:innen bei seinem Besuch im Iran 1978 als „perfekten kollektiven Willen“.

Während die gemäßigt marxistisch und zum teilen sozialdemokratische „Nationale Front“ die Arbeitskämpfe anführte, führte die verbotene Tudeh-Partei, welche sich mittlerweile auf einem maoistischen Spektrum befand, einen ambitionierten Guerillakrieg gegen das Schah-Regime (Volksmudschahedin).
Historiker:innen sind sich einig, dass auch der bewaffnete Widerstand der Maoist:innen im erheblichen Maß am Sturz des Schahs beteiligt war.
Die Gesamtheit der Guerillas, welche weit über die Maoist:innen der Volksmudschahedin heraus ging führte maßgebend zur inneren Destabilisierung des Schah-Regimes herbei (später führten sie auch gegen die islamische Republik Widerstand).

Wir halten also fest; die iranische Revolution basierte auf einer Reihe von Widersprüchen, von denen ein Großteil auf die Imperialistische Ausbeutung der iranischen Mineralölressourcen zurückzuführen sind.

Der Hauptwiderspruch, eben zwischen Kapital und Arbeit, war durch die steigende Ungleichheit durch die Top-Down-Modernisierungs Politik des Schahs verschärft, welches zu Arbeitskämpfen und somit de-facto Lahmlegung des Ölexportes führte.
Der imperialistische, völkerrechtswidrige Coup d’État gegen Mossadeghs führte hierbei in großen Teilen der Bevölkerung zur Desillusionierung bzgl. der Rolle des Schahs, wobei seine Rolle als Stellvertreter westlicher Kapitalinteressen aufgedeckt wurde und Antiamerikanismus durch die folgende Schreckensherrschaft des Schahs normalisiert wurde.

Der zweite Widerspruch der Schah-Herrschaft war der Religiöse, welcher sich insbesondere infolge der „Weißen Revolution“, d.h. der Amerikanisierung und Modernisierung Irans, manifestierte.
Die Modernisierung führte unter vielen Schiitischen Klerikern und Geistlichen zum Widerstand gegen den Schah, da sie den Schiitischen-Islam in seinen Traditionen angegriffen sahen.
Dieser Widerspruch beruhte u.a. auf der Notwendigkeit der weiteren Öffnung Irans für ausländisches Kapital.
Der dritte Widerspruch, war der zwischen Volk und Herrschaft.
Die Autokratische Entwicklung des Schahs in seiner „zweiten Legislatur“ (d.h. nach Mossadeghs Sturz) führte viele Teile des Volkes zur Abneigung gegen das Schah-Regime, welche sich in der offenen Ablehnung des Schahs nach der iranischen Revolution bestätigen lässt.
Die drei Kernwidersprüche, welche zur iranischen Revolution führten, hingen eng zusammen und verschärften sich stehts in dialektischer Manier zu einander.


[1] BP hat heute einen Jahresumsatz von gut 210 Milliarden und haust unteranderem Aral und Castrol,

[2] Es muss erwähnt werden, dass es durchaus insbesondere während 1962 und 1975 (durch den Ölpreisboom) beträchtliche Investitionen in Infrastruktur und Soziales gab, wodurch der Lebensstandard (gemessen in Einkommen) erheblich Anstieg.

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