Herrschaft in der Krise
Herrschaft in der Krise
Zum Verbot des Palästina-Kongress.

Die massenhafte Solidarisierung mit dem palästinensischem Leid, kommt dem deutschen Staat zu Ungute.
Das Verbot des Palästina Kongress, ist eine Zäsur in der Reaktion der Bundesrepublik.
Und trotz zahlreicher Berichterstattung aus linken Medien, scheint die bürgerliche Presse die Tragweite der Repression nicht zu begreifen.
Der vom 14. Bis zum 16. 04 angesetzte Palästina-Kongress in Berlin, wurde „zunächst in einen Polizeikongress umgewandelt“. (jW)
Von Freitag bis Samstag sollte unter dem Motto „Wir klagen an!“ die deutsche Mitverantwortung an den israelischen Grauen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung angeklagt und beschuldigt werden.
Nach monatelanger Schikane und Verbotsversuchen, wurde die Veranstaltung dann verspätet und für nur 250 Teilnehmer:innen erlaubt – unter Präsenz vom 900 Polizist:innen, sowohl im als auch außerhalb des Gebäudes – 3,6 Polizist:innen pro Solidaritäter:in.
Die plötzliche Begrenzung der Teilnehmer:innen wurde mit „zu geringer Anzahl an Fluchtwegen“ begründet – Platz für 900 Polizist:innen blieb scheinbar doch noch.
Dass der Kongress überhaupt stattfinden konnte, war, laut Rechtsbeistand Nadja Samour; „Ergebnis stundenlanger Verhandlungen mit der Polizei“, welche auch auf den Vermieter der Tagesstätte „extremen Druck“ in Form von bürokratischer Gewalt ausgeübt haben soll.
Die Veranstaltung (im geschlossenem Raum!) wurde dann kurzfristig in den rechtlichen Rahmen einer Demonstration eingeordnet, obwohl sie keine war.
Der lang erkämpfte Beginn der Veranstaltung wurde unter tosendem Applaus und mit etlichen Livestream-Zuschauern begonnen.
Der demonstrative Widerstand verlor jedoch schnell seinen Atem; nach zweiminütiger (!) Videobotschaft des palästinensischen Forschers Abu Sitta, gegen welchen schon im Vorhinein ein Einreiseverbot verhängt wurde, borgten sich die örtlichen Repressalien ein Stück israelischer Kriegstaktik borgen, und einfach mal den Strom abstellen.
Ich denke es muss nicht gesagt werden, aber selbstverständlich haben Verbot für Videovorträge keine gesetzliche Grundlage, Strom und andere Versorgung abzustellen.
Nach zweistündiger Tagung wurden die Kongressteilnehmer, kurz nach Stromkappung, um 17:24 aufgerufen, den Saal zu verlassen und die Veranstaltung (bzw. „Demonstration“) als aufgelöst erklärt.
Aufgelöst heißt; u.a. mit Gewalt aus dem Saal geprügelt.
Der Grund für die Auflösung: Es gibt keinen, die Polizei hatte eingeräumt das „keine Straftaten“ begangen wurden.
Für das Bundesinnenministerium (BMI), passt das alles so.
Faeser lobte die Polizei für ihr „hartes Durchgreifen beim Kongress“ und erklärte, man dulde keine „islamistische Propaganda“.
Als eine Vertreterin der Bundesregierung auf der Bundespressekonferenz im Nachhinein dann gefragt wurde, welcher „Islamismus“ denn gemeint sei, da die Konferenz nun mal von Linken und u.a. jüdischen Veranstalter:innen organisiert wurde, verwies diese selbstsicher auf die Definition von Islamismus, obwohl diese die Scheinheiligkeit des Verbots natürlich nur untermauert.
Nach der beklagten „Hamas-Propaganda“ kann man ebenfalls lange suchen, auch wenn Antideutsche und die Bundesrepublik sich einig sind, dass alles dunkler-als-weiße aus dem Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer per se Hamas ist.
Wir wissen, wie willkürlich die Propaganda diesen Staates im Hinblick auf Israel geworden ist, aber dass nun der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung der „Jüdischen Stimme für einen Gerechten Frieden in Nahost“ die Gemeinnützigkeit entziehen will, weil er deren Palästina-Solidarität ablehnt, scheint alle Grenzen der Vernunft zu Willkür.
Noch Tage lang beantwortet das BMI nicht, ob sie dem Stargast der Veranstaltung, dem griechischem Ex-Minister Yanis Varoufakis, die Einreise verboten haben.
Die Bundespolizei behauptet noch am Montag, sie hätten „kein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Sinne des § 11 AufenthG erlassen“.
Das stimmt auch; es war ja kein Einreiseverbot, sondern „eine Fahndungsausschreibung zur nationalen Einreiseverweigerung (…) befristet für den Zeitraum der Veranstaltung vom 10. bis zum 14. April 2024.“ (Frankfurter Rundschau)
Also kein Einreiseverbot, sondern eine Einreiseverweigerung – dann ist ja alles geklärt.
Bei Konfrontation der offenen Lüge bzgl. Varoufakis, antwortet das BMI trocken mit „Auskunft zu Einzelfällen ist nicht möglich“.
Nur um das einmal klarzustellen; Yanis Varoufakis ist nicht einfach irgendein Palästina-Aktivist, er ist Mitglied des griechischen Parlaments, Ex-Finanzminister und wohl bedeutendster Linker der aktuellen griechischen Politik.
Wenn die bürgerliche Herrschaft in die Krise kommt, müssen die „demokratischen Grundrechte“ als erste herhalten.
Der Widerspruch zwischen Herschafft und Volk, u.a. zugespitzt durch die Staatsräson-kritische Grundhaltung der Mehrheitsgesellschaft, zwingt den bürgerlichen Staat, seine Machtposition zu sichern, auch wenn hierfür Versammlungsrecht und Freie Meinungsäußerung leiden müssen – und wenn es keine Anhaltspunkte gibt, muss eben die Fantasie her.
„Das Wiederaufleben der »Schutzhaft«, die nicht mehr so heißt, in deutschen Polizeigesetzen des vergangenen Jahrzehnts oder die Erfindung der »Clankriminalität« durch Innenminister und ihre Dienste sind Symptome. Krisen machen die Sicherheitsapparate nervös, bei Anordnung von Kriegstüchtigkeit aber werden Grund- und Bürgerrechte zunächst fallweise aufgehoben. Da bleibt noch Spielraum für eine Notstandsordnung, die längst in Planung ist. Wenn das Militär pflicht- und neigungsgemäß bereits die Zertrümmerung strategischer Ziele in Russland mit TAURUS-Marschflugkörpern durchspielt, haben die Polizeipräsidenten sich Gedanken über die »Ordnung« im Hinterland zu machen.“ (Arnold Schölzel, JW)