Nationalismus und Kriegstüchtigkeit

Nationalismus und Kriegstüchtigkeit

Wir, die Deutschen

Die Identität „Deutsch“ ist wieder modern.
Nach einigen Jahrzehnten Zurückhaltung, da man aus den Folgen des Nationalismus gelernt hatte, oder ihnen wenigstens bewusst war, ist es wieder vertretbar, „Patriot“ zu sein.


Es ist logisch Stolz auf „sein“ Land zu haben, denn dieses zugehörige Land und dessen Herrschaft ist die Quelle des Lebens, welches gelebt wird.
Die Zugehörigkeit zu dem Volk, also dem politischen Gebilde, welches sich aus der Gleichen Herrschaft in einem bestimmten Fleck der Erde ergibt, ist hierbei vollkommen unabhängig von der Herrschaft selbst.

Insbesondere für solche selbst-proklamierenden Patriotinnen ist die politische Herrschaft nämlich meist falsch und verlogen (Womit sie natürlich nicht Unrecht haben, aber aus den falschen Gründen).
Die Nation und dessen Volk sind also unabhängig von der gegebenen Herrschaft, welche doch aber ihr Bestehen erst ausmacht.

Für den modernen bürgerlichen Patriotismus, welcher sich keiner Monarchie und keinem Führer unterordnet, ist die Herrschaft absolut nebensächlich.
Da kann es vorkommen, dass „man“ bei seltenen Einblicken in die Herrschaft mal wieder stolz sein kann, Deutsche zu sein – aber im Grunde ist der Patriotismus und das nationale Zugehörigkeitsgefühl vollkommen unabhängig von denen da oben.

Dieser Anstieg in Nationalstolz, Patriotismus, Nationalismus oder einfach „Wir“ ist aber kein einfaches Beiprodukt eines starkes Kapitalstandortes; er ist absolute Notwendigkeit in dem inneren Erfolg eines imperialistischen Staates – ganz besonders in der Krise.
Der bürgerliche Staat, welcher sich von seiner hässlichen Form des Faschismus verabschiedet hat, braucht das Nationalgefühl, um sich in globaler Konkurrenz behaupten zu können.
Der Widerspruch zwischen Volk und Herrschaft, welcher Aufgedeckt den Kapitalbesitzern große Probleme bereiten würde, wird einzig durch das Nationalgefühl und dessen folgender Entfremdung der materiellen Realität verschleiert.
Man mag als Patriotin unzufrieden mit den Regierenden sein, den Widerspruch zwischen Herrschaft und Volk auch durchaus zu spüren bekommen, ihn jedoch nicht als Folge der bürgerlichen Herrschaft selbst erkennen – sondern eben von wem diese gerade geleitet wird.
Denn man will ja das Beste für „sein“ Volk, für „Uns“ – deswegen wird auch die nächste bürgerliche Herrschaft durch die Wahl legitimiert werden – eine patriotischere Herrschaft vielleicht, damit „Wir“ wieder stolz(er) sein können.

Würden „Wir unser“ Zugehörigkeitsgefühl zur Nation verlieren, hätte der bürgerliche Staat seine Legitimation verloren.
Damit genau das nicht passiert, ist sich der bürgerliche Staat um etliche Mittel bewusst, um die desillusionierten Bürger wieder in das ideelle Gebilde „wir“ zurückzuholen.

Sei es der Verweis auf die Lage anderer Nationen und anderer Zeiten, um jede Systemkritik abzuweisen („Uns“ geht es ja gut), oder Humanisierung der Regierenden durch Social-Media Beiträge und Interviews, welche uns weiß machen, dass „Die“ ja so sind wie „Wir“.

Kommt der bürgerliche Staat in die Krise, sei sie militärisch, politisch, oder wirtschaftlich, braucht er sich keine Gedanken über sein bestehen zu machen, solange die bewusste oder unbewusste Unterordnung der Bürger zur Nation besteht.
Die tiefe Krise, in der sich Deutschland befindet, welche auch jeder zu spüren bekommt, bringt auch Politikverdrossenheit und Ablehnung mit sich – nur eben stehts im Kontext des bürgerlichen Staates, nicht des kapitalistischen Staates als Ganzes.

Der Patriotismus ist für den bürgerlichen Staat gut, außer die Patrioten übertreiben es, und vermiesen das Image Deutschlands als Kapitalstandort.

Wer sind „Wir“?

Staaten mit religiösem und spirituellem Fundament haben es da schon einfacher – Wenn Modi davon spricht, der Patriotismus und der Hinduismus sind nicht zu trennen, oder Netanjahu davon, sprich, Israel sei das das auserwählte Volk, lässt sich das „Wir“ schon einfacher definieren – „Wir“ die Hinduisten, „Wir“ die Auserwählten.

Aber auch dem bürgerlichen Deutschland, sowie dem Rest der westlichen Welt, fällt es nicht schwer, ihrem Volk eine Identität zu stiften.
Die Identität der Deutschen und der Stolz auf diese, ergibt sich nicht anders als im völkischen (nun verpönten) Patriotismus allein aus der Zugehörigkeit zu einem ideellen Gebilde; Deutschland.
Das „Wir“, welches Peter Decker treffend als die „simpelste Form des modernen Nationalismus“ benennt, greift hierbei auf noch weniger Zurück als in solch religiös fundierten Staaten – nämlich auf Garnichts.

Wenn man eine Nation im objektiven Sinn als Gemeinschaft von Sprache, Territorium, Wirtschaftsleben und Kultur gewertet wird, können wir (Marxist:innen) mit Klarheit behaupten das keines dieser Merkmale vom Volk selbst gesteuert wird.
Im globalen Konkurrenzkampf ist der bürgerliche Staat auf das „Wir“ des einzelnen angewiesen, damit dieser auch gehörig stolz bei dem jährlichem BIP-Anstieg wird und nicht auf die Idee kommt, das ganze mal zu hinterfragen – denn „Wir“ leben im Bestmöglichen System.
Das „Wir“ stumpft ab, vor dem Leid auf der ganzen Welt, welches „Unsere“ Kapitalvormacht erst ermöglicht – „Wir“ sind „Wir“, „Die“ sind „Die“.
Obwohl es natürlich klar ist, dass eine deutsche Angestellte mehr mit einer kongolesischen Arbeiterin teilt, als mit einem deutschen Vorsitzenden – das „Wir“ verschleiert die Klassenunterschiede zu einem großen Widersprüchlichen Brocken, in dessen Verwirrung sich auch die Arbeiterschaft zum bestehenden System bekennt.

Die Kapitalbesitzenden brauchen die Nation in ihren Profitinteressen zur Schaffung eines inneren Marktes und zu dessen Ausdehnung gegen die Konkurrenz der Besitzenden anderer Länder. Sie fördert zu diesem Zweck im Volk die Tendenzen der nationalen Überheblichkeit und des chauvinistischen Militarismus

Kriegsminister Pistorius spricht nun davon, „Wir müssen kriegstüchtig werden“ – „Wir“ müssen kriegstüchtig gegen „Die“ sein – „Die“ sind die Gegner deutschen Kapitalexportes, deutscher Rüstungsgewinne und Wertegegner.
Mit der Kriegstüchtigkeit und dem Gefühl der Bedrohung vereint Pistorius das gespaltene „Wir“ in Burgfriedensmanier.
Die pazifistische Masse ist sich nämlich einig; Waffenlieferungen, Aufrüstung, Sterben – für den Frieden natürlich.
Hierbei steht der Minijobber an der Seite der Rheinmetall-Bosse: Horizontal, vertikal – ganz egal! Hauptsache „Wir“.

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