Marxismus – Was ist das?

Marxismus – Was ist das?

Was Marxismus ist, warum er eine Wissenschaft und keine Ideologie ist, und warum die Welt nur mit ihm durchschaubar wird – ganz verständlich.

Anmerkung: Dieser Artikel ist nicht für die Peter Decker’s und Slavoj Zizek’s dieser Welt gedacht; Erklärungen wie die der Dialektik und des Idealismus sind bedacht über-simpel, damit dieser Artikel eben besonders für nicht-Marxisten von Inhalt ist.
Außerdem haben wir uns bewusst für das generische Maskulinum entschieden, obwohl wir diesem eigentlich kritisch gegenüberstehen, um diesen Text für ein breiteres Publikum (eben insbesondere aus dem nicht-linken Milieu) zugänglich zu machen.


Der Marxismus ist, anders als häufig behauptet, keine „politische Ideologie“, sondern eine handfeste Wissenschaft.
Anders als politische Ideologien, wie der Liberalismus oder der Konservatismus, ist der Marxismus nichts weiter, als eine Möglichkeit, die Realität in ihren objektiven Strukturen zu erkennen.
Hierbei sind die Personen Karl Marx und Friedrich Engels von der gleichen Wichtigkeit, wie ein Isaac Newton für die Gravitation wichtig ist; sie haben Möglichkeiten entwickelt, das schon-Existierende zu erkennen und zu definieren, haben es jedoch nicht erfunden.

Was ist der Inhalt des Marxismus?
Der Marxismus ist, abseits von bürgerlichem Verständnis, auch nicht mit dem Sozialismus oder dem Kommunismus gleichzusetzen.
Es ist richtig, dass marxistische Analyse häufig zu dem Schluss führt, es bräuchte eine andere Gesellschaftsform als die bestehende bürgerliche (d.h. kapitalistische) Ordnung – der Marxismus ist jedoch kein Appell an den Sozialismus; er ist einzig eine Weise, die Struktur der Realität zu verstehen.
Er ist also nur insofern ein Apell an den Sozialismus, wie 1+1 ein Appell an 2 ist.

Materialismus

Die wichtigste Säule des Marxismus (von Gleicher Wichtigkeit wie die die Augen für den Optiker) ist der dialektische Materialismus.
Materialismus ist nicht das Streben nach materiellem Reichtum, sondern die wesentliche Methode des Marxismus.
Der dialektische Materialismus geht davon aus, dass Ideen, Philosophie, Ideologie, gesellschaftliche Struktur und Zwischenmenschliches ihren Ursprung in den Verhältnissen finden, wie die Gesellschaft auf der Ebene der Produktion strukturiert ist.
Das klingt schon etwas abstrakt, ist jedoch wirklich sehr simpel, gerade weil es objektiv korrekt ist – also zur Veranschaulichung:

Die meisten kennen wohl das Marx-Zitat, in dem er die Religion als „Opium des Volkes versteht“ – Wie ist das dialektisch materialistisch?
Die Religion ist ein Ideengebilde; den Inhalt der Religion kann man nicht anfassen, ob man Gläubiger ist oder nicht.
Marx sagt also das dieses jeweilige Ideengebilde (Religion) als Schmerzmittel (Opium) gegen das Leiden des Volkes dient, und eben aus diesem Leid entspringt.
Leute leiden, also glauben sie, damit es ihnen besser geht.
Das Leid in einer jeden Gesellschaft, entspringt aus der Strukturierung der Eigentumsverhältnisse; man stelle sich abstrakterweise vor, eine Person in einer Gesellschaft besitzt alles, während die anderen nichts besitzen – das würde viel Leid mit sich bringen, ob durch Hunger, Armut oder ungleiche Machtverhältnisse.
Und das wars quasi schon: Ideen stammen stehts aus den materiellen (damit meinen wir objektiv existierenden) Verhältnissen in einer Gesellschaft ab, welche die Produktion und Eigentum strukturieren. (Gleich noch anschaulicher)

Okay, und was ist mit der „Dialektik“?

Die Dialektik ist die Weise, wie die Widersprüche in einer Gesellschaft und ihren Strukturen analysiert werden können (deshalb sprechen Marxisten immer von Widersprüchen).
Das Prinzip der Dialektik geht auf den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel zurück, welcher durch seine Philosophie des Idealismus prinzipiell den Vorläufer zum Marx’schen Materialismus erdachte.
Hegel dachte, im Vergleich zu Marx, dass die Ideen das bestimmende in einer Gesellschaft wären, d.h. dass bspw. die Geschichte der Menschheit durch bestimmte Idealbilder wie Freiheit und Gleichheit geprägt wird, welche Wiederum die Produktion, gesellschaftliche Veränderungen und Strukturen beeinflussen würden.
Marx verstand das genau andersherum (man sagt, Marx hätte Hegel „vom Kopf auf die Füße gestellt“) und stellte fest, dass die jeweiligen Ideen, welche in einer Gesellschaft von Bedeutung sind, eben ihren Ursprung in den Produktionsverhältnissen finden, und nicht einfach so, oder aus etwas geistlichem heraus existieren.

Marx übernahm jedoch Hegels Methode der Dialektik.
Um diese mit einem Beispiel weniger Abstrakt zu machen:
Wir wissen, dass der Materialismus davon ausgeht, das politische Ideologien, Herrschaftsverhältnisse, Philosophien und eben alles nicht-objektive aus den Strukturen stammen, welche die Produktion ordnen.
Und wo genau kommt dann so eine Idee her?
Mit der Dialektik können wir schauen, welche Widersprüche in einer jeweiligen Gesellschaft auftreten, die dann zum jeweiligen Ideengebilde führen,
welches Marx „Überbau“ nennt (Überbau zu der „Basis“, unter welcher Marx die Weiße versteht, wie die Produktion verwaltet wird).
Aus dem Widerspruch zwischen Blau und Gelb entsteht Grün – schon wieder abstrakt, also etwas konkreter:

Der Hauptwiderspruch; Kapital und Arbeit

In einer kapitalistischen Gesellschaft ist der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, (d.h. zwischen Leuten, die besitzen, und Leuten, die produzieren) der Hauptwiderspruch.
Natürlich besitzen wir alle etwas; mit Besitz meint der Marxist das „Privateigentum“ an Produktionsmitteln (d.h. bspw. eine Fabrik, Gewerbeimmobilien, Maschinen), also Besitz an Dingen, welche von der Gesellschaft genutzt werden, oder Waren produzieren, welche von der Gesellschaft genutzt werden, aber in den Händen von Privatpersonen sind.
Aus diesem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit entstehen patriarchalische Strukturen, die Ausbeutung des globalen Südens, Rechtsextremismus und nahezu jeder Krieg der letzten 80 Jahre – ganz schön viel also, für einen kleinen Widerspruch, aber wie das denn? Das zeigt uns die Dialektik, mit der wir quasi in die Zukunft schauen können.

Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, ist dadurch charakterisiert, dass ein Arbeitnehmer in einem kapitalistischen System seine Arbeitszeit verkaufen muss, ohne tatsächlichen Anteil an dem zu haben, was er produziert.
Einzig der Arbeitgeber (bzw. Kapitalist, d.h. Person die Besitz an der Produktion hat) ist in der Lage, die Arbeitskraft des Mitarbeiters in ein Produkt umzuformulieren und zu Ware zu machen, weil er sagen über die Produktion hat.
Wieder etwas abstrakt; wir machen das nochmal mit einem Beispiel deutlich.

Man stelle sich eine Fabrik vor (dies könnte genauso ein E-Commerce-Unternehmen, eine Kanzlei oder eine Arztpraxis sein) in der 10 Leute arbeiten.
Einer Person gehört diese Fabrik und mit ihr die Maschinen, an denen die 10 Mitarbeiter arbeiten.
Die Mitarbeiter, die nun mal die Waren produzieren, erwirtschaften am Tag einen Umsatz von 200 Euro.
Jeder dieser Mitarbeiter kriegt am Ende des Tages einen Lohn von 10 Euro, gerade genug, dass sie am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen (Marx nennt das „Reproduktionskosten“).
Abzüglich der Arbeitskosten, bleiben dem Fabrikanten am Ende des Tages 100 Euro übrig – obwohl er diese 100 Euro nicht erwirtschaftet hat, sondern die Mitarbeiter.
Diesen Überschuss nennt Marx „Mehrwert“, welchen er aus der Differenz zwischen dem Wert einer Ware und der Summe der Werte, die zur Herstellung dieser Ware notwendig sind, berechnet (variables Kapital).
Das Variable Kapital abzüglich dem konstanten Kapital (d.h. Rohstoffkosten, Stromkosten, Miete etc.) ergeben in unserem Beispiel 80 Euro, welches für den Kapitalisten den Profit darstellt.
Der Mehrwert, ist also das Produkt aus dem Widerspruch zwischen Kapital (Fabrikant und dessen Besitz an den Maschinen) und Arbeit (Wert der Arbeitskraft der Mitarbeiter der Fabrik).

Nun gut, das ist also der Hauptwiderspruch einer kapitalistischen Gesellschaft – und jetzt? Ist doch in Ordnung, der Fabrikant hat ja auch das „Risiko“ und die „Verantwortung“, so soll er doch mehr verdienen als die Mitarbeiter.
Denken wir also einen (oder zwei) Schritt weiter.

Der Fabrikant hat einen Profit von 80 Euro, welchen er zum Großteil zurück in die Fabrik investiert, damit sie wachsen kann (= Wirtschaftswachstum).
Nun gibt es noch eine zweite Fabrik, welche in ähnlicher Geschwindigkeit zu ihm wächst, und unserem Fabrikanten Marktanteile kostet (Konkurrenz).
Um dieser Konkurrenz entgegenzusteuern, muss der Kapitalist mehr Geld in sein Unternehmen investieren, weshalb er die Löhne der Arbeitnehmer runterschraubt.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, senkt auch die andere Fabrik den Lohn der Mitarbeitenden – also ist unser Fabrikant dazu gezwungen, seine Ware von nun an in einem Land mit billigerer Arbeitskraft zu produzieren und einen Teil seiner Ressourcen billig aus dem Ausland zu importieren. (Ausbeutung des globalen Südens).

Unsere Fabrik ist nun gewachsen und unser Fabrikant in der Lage, das konkurrierende Unternehmen aufzukaufen – seine Produktionskapazitäten vergrößern sich.
Das Land im globalen Süden, aus welchem er einen Teil seiner Ressourcen und Arbeitskraft bezieht, erlebt nun plötzlich politische Unruhen und stellt jemanden an die Spitze, welcher das billige Abzapfen der Ressourcen durch ausländische Kapitalisten beenden will.
Das gefällt unserem Fabrikanten gar nicht, denn er hat mittlerweile 1000 Mitarbeiter und sich selbst an ein gehobenes Leben gewöhnt – er tauscht also sein finanzielles Kapital in politisches Kapital um (Lobbyismus) und beeinflusst die Regierung zum Sturz des ausländischen Machthabers, welcher sein Kapitalinteresse gefährdet, und ersetzt ihn durch einen Machthaber, der seinen Kapitalinteressen keine Probleme bereitet (Vgl. Lybien-Krieg, Irak-Krieg, Bananenkriege, Contra-Krieg, Schweinebucht, Chile 1974, etc.)
Falls es der Regierung nicht gelingen sollte, den Machthaber zu stürzen (das ist selten der Fall), wird dafür gesorgt, dass der ganzen Welt verboten wird, mit diesem Machthaber in Zukunft noch zu handeln (Embargos, Sanktionen), damit er und sein Land früher oder später selbst in sich zusammenbricht (Kuba, Chile, Venezuela, Vietnam, DVRK etc.).
Im Land unseres Fabrikanten werden die Leute unzufrieden mit ihrem Lebensstandard; sie sehen es nicht ein, dass der Fabrikant, welcher mittlerweile 10.000 Mitarbeiter anstellt, ihnen solch geringe Löhne auszahlt, bzw. sie keinen Anteil an den steigenden Profiten der Fabrik haben (Schere zwischen Arm und Reich)
Keine Sorge; unser Fabrikant weiß sich zu helfen.

Einer der von ihm gestarteten Kapitalinteressen-Kriege hat gerade erst tausende Menschen gezwungen, in das Land des Fabrikanten zu flüchten – er kommt also auf die Idee, den Mitarbeitern zu sagen, die Mitarbeiter aus dem anderen Land (welche in der ökonomisch gleichen Rolle stecken, wie die Mitarbeiter aus dem Land des Fabrikanten), wären Schuld an den steigenden Preisen und der geringeren Löhne, und nicht seine Konkurrenzkämpfe mit anderen internationalen Monopolen.
Um diese Ansicht zu verbreiten, gibt unser Fabrikant ein paar Prozent des Profits an eine Handvoll politische Akteure, damit seine Interessen politisch auch weiterhin vertreten sind (Vgl. Lobbyismus als Ganzes, extremer: Hitlers Treffen mit dem Industrie-Club Düsseldorf, AfD-„Geheimtreffen“).
Durch die Träge und den Frust, welche die Mitarbeitenden des Fabrikanten durch die monotone Arbeit mit sich tragen (Entfremdung), schenken diese den charismatischen politischen Akteuren in der Hoffnung auf ein besseres Leben glauben.
Als dann die ausgewählten Akteure an die Macht kommen, machen diese keine halben Sachen mit den Mitarbeitenden, welche sich noch immer gegen die Interessen des Fabrikanten richten ( Vgl. 100.000 Sozialisten, Kommunisten und Sozialdemokraten wurden in den Konzentrationslagern des Hitler-Faschismus ermordet, Chile, Völkermord in Indonesien etc.).

Das ging jetzt ziemlich schnell, vom geizigen Fabrikanten zum Konzentrationslager. (Hier klicken, um herauszufinden wie Faschismus entsteht)
Natürlich ist das gewollt hyperbolisch; aber auf genau diesem Widerspruch basiert die Ausbeutung des globalen Südens, welche zu Destabilisierung ausländischer Märkte, Kriegen, Armut und Ausbeutung führt.
Auf diesem Widerspruch basierte auch der Hitler-Faschismus, welcher sich an dem Frust der Menschen nach der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren, den antisemitischen Ressentiments (welche von deutschen Kapitalisten instrumentalisiert wurden) und Revanche-Vorstellungen nach dem ersten kapitalistischen Weltkrieg ermächtigte.
Auch das Leid in Palästina: Warum hat Israel denn solch eine große Lobby in der westlichen Politik? Der Profit (!) westlicher Konzerne ist auf geopolitische Anwesenheit im sonst kapitalunfreundlichem Nahen Osten angewiesen (Mehr zum kapitalistischen Charakter des Krieges in Gaza)

Der dialektische Materialismus lässt uns diese Zusammenhänge erkennen; aus dem Widerspruch zwischen den Profitwünschen des Fabrikanten und dem Lohnwunsch der Mitarbeitenden, d.h. dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, lässt sich jedes geschichtliche Phänomen, jede Ideologie, Herrschaftsvorstellung, Philosophie, Abneigung und Zuneigung seitdem es Lohnarbeit gibt, erklären.
Denn aus einem Widerspruch, folgen viele weitere; wie bspw. der Widerspruch zwischen Herrschaft und Volk, welchen sich nun die AfD zu nutzen macht.
Und eben nicht ideologisch, sondern objektiv und nachvollziehbar.

Nicht-marxistische, unmaterialistische Erklärungsansätze – dazu gehört auch der Linksliberalismus – bringen keine Antworten auf Fragen wie; warum entwickelt sich der Kapitalismus zum Faschismus? Warum stagniert die Lebensqualität der Menschen in Deutschland bei Jahrzehnte langem Anstieg der Produktivität und Wirtschaftswachstum? Warum führen kapitalistische Staaten Kriege im Irak, Afghanistan und Gaza? Warum ist Deutschland reich und der Kongo nicht?
Nur der dialektische Materialismus, die Frage nach der materiellen Strukturierung und den Widersprüchen dieser Struktur, beantwortet all diese Fragen objektiv und korrekt.


Um diesen Widerspruch zu lösen, muss die Produktion geplant und in den Händen von denen sein, welche Tatsächlich produzieren.
Dann ist das Kapital (Besitz an Produktion) mit der Arbeit (Produktion) gleichzusetzen, der Hauptwiderspruch gelöst, und mit ihm all die oben erläuterten Symptome diesen Widerspruchs.

„Ich bin davon überzeugt, dass es nur einen Weg gibt, diese Übel loszuwerden, nämlich die Errichtung eines sozialistischen Wirtschaftssystems, begleitet von einem Bildungssystem, das sich an sozialen Zielen orientiert. In solch einer Wirtschaft gehören die Produktionsmittel der Gesellschaft selbst und ihr Gebrauch wird geplant. Eine Planwirtschaft, die die Produktion den Bedürfnissen der Gemeinschaft anpasst, würde die Arbeit auf alle verteilen, die arbeiten können. Sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren. Die Bildung hätte zum Ziel, dass die Individuen zusätzlich zur Förderung ihrer eigenen angeborenen Fähigkeiten und anstelle der Verherrlichung von Macht und Erfolg in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Verantwortung für ihre Mitmenschen entwickeln.“ (Albert Einstein, Warum Sozialismus?)

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