Grundgesetz; Eigentum und Demokratie

Das Grundgesetz; Eigentum und Demokratie

Der Grundsatz unser aller Leben, in Taschenbuch-Form.


Heute vor 75 Jahren, am 24. Mai, trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Die Regierenden der Bundesrepublik feiern sich in den sozialen Netzwerken selbst: „75 Jahre Freiheit, Frieden und Demokratie in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte“, schreibt die Bundesrepublik.
„Freiheit, Frieden und Demokratie“, dafür steht das Grundgesetz in den Augen der bürgerlichen Ideologen; spannende Abstraktionen, die eigentlich nichts bedeuten.

„Vorläufige Teilverfassung Westdeutschlands“

Selten erwähnt wird, dass das Grundgesetz gar keine so hohen Geburtstage feiern sollte.
Der parlamentarische Rat entwarf bewusst keine „Verfassung“, sondern ein „Grundgesetz“, da dieses nur bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Hälften (und des Saarlandes) in Kraft sein sollte, und später durch eine gesamtdeutsche Verfassung abgelöst werden sollte.

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“  (Art. 146 GG)

So sollte nach der Widervereinigung, zumindest laut des Grundgesetzes, eine neue Verfassung in freier Entscheidung beschlossen werden.
Gut; eine neue Verfassung durch Volksabstimmung hätte wohl auch kapitalfeindliche Prinzipien, die in der DDR gegeben waren, wie das „Recht auf Arbeit“, mit sich gebracht.

Die offizielle Begründung, warum das eigene Grundgesetz und die Versprechungen an die DDR-Regierung gebrochen und das Grundgesetz eben nicht angepasst wurde, ist, dass „immer mehr DDR-Bürger mit den Füßen abstimmen“ (Bpb) – das muss man sich mal vorstellen:

Da wird Deutschland „wiedervereinigt“, 80% aller Ostdeutschen (!) verlieren vorübergehend oder auf Dauer ihre Arbeit und auch noch ihr Recht auf Arbeit, weil bundesdeutsche Unternehmer:innen durch die Treuhand in der Lage waren, volkseigene Betriebe zu Schnäppchenpreisen aufzukaufen und auszuplündern – und dann dürfen die DDR-Bürger:innen nicht einmal über die Verfassung dieses ihnen aufgezwungenen Staates abstimmen, weil sie mit ihrer Entscheidung, aus dem ausgesaugten Osten in den Westen zu gehen, ja schon „mit den Füßen abgestimmt“ hätten..


Indirekt demokratisch

Allein die Existenz des Grundgesetzes ist also von Anfang an undemokratisch; wo doch selbst die Verabschiedung des Grundgesetzes nicht in direkter Abstimmung mit dem Volk erfolgte, sondern vom „Parlamentarischen Rat“ verfasst und von den Parlamenten der bereits existierenden Länder beschlossen wurde.

Dass diese Indirektheit der bürgerlichen Demokratie Sinn der Sache ist, lässt sich in Artikel 38 (1) nachlesen:

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Die Vertreter des Volkes, sind sobald sie denn dann im Amt sind, nichtmehr ans Volk gebunden – außer durch ihr „Gewissen“, ein undefiniertes, Sanktionsfreies Gebilde, welches von keinerlei Inhalt ist.
Die politisch aktive Gesellschaft wird also durch das Grundgesetz alle Vier Jahre dazu ermächtigt, die Vertreter ihrer Herrschaft im groben Maße zu wechseln, ist aber nicht in der Lage, die Herrschaft selbst zu ändern und sich in irgendeiner Weise zu vergewissern, ob die Versprechungen der Herrschaftsträger auch eingehalten werden.

 „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. (…) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ (Art. 21 (1,2))

Die deutsche Bürger:in darf also frei aus dem Parteienpool wählen, den der Staat zuvor für sie durch gereinigt hat.

Nur zur Erinnerung: Selbst die DKP ist nur deshalb zugelassen, weil sie laut Verfassungsschutz nicht „wichtig genug“ ist.

Wenn also jemand wirklich mit diesem Staat unzufrieden ist, dann hat er keine ernsthafte Wahlalternative (!), die ein nicht-bürgerliches System anstrebt – gäbe es sie, wäre sie nach Artikel 21 verboten.

Eigentum
Das wichtigste Gut des Grundgesetzes, erhält den kürzesten Paragrafen.

„Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ (Art. 14 (1))

Hierbei wird nicht zwischen persönlichem Eigentum (Telefon, Auto, Essen) und Privatbesitz an Dingen, von denen die Gesellschaft gebraucht macht (Mietimmobilien, Fabriken, Großgrundbesitz) gar nicht erst unterschieden.
Der Privatbesitz an der Produktion, an Dingen, welche der Gesellschaft von Nutzen sind, wird für dieses Grundgesetz als Selbstverständlichkeit behandelt – obwohl es doch der Kern seiner Ganzen Existenz ist.
Das Erbe wird gleich mit gewährleistet – zwei Grundfahler des bestehenden Systems in einem kurzen Satz.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (Art. 14 (2))

Welches Eigentum gemeint ist, wird deutlich, wenn das Wohl der Allgemeinheit vom Wohl des Eigentümers getrennt wird.
Das Gerede von der Allgemeinheit ist nicht mehr als das, Gerede.
Nur der Staat räumt sich in Form von Besteuerungen, im Notfall sogar Vergesellschaftung (Art. 15) das Recht ein, Eigentum zu seinem Nutzen anzueignen – natürlich nur unter Entschädigung des Eigentümers, dafür respektiert der Staat das Eigentum als Legitimationsträger zu sehr.

Klar, fast vergessen – der bürgerliche Staat ist ja das Volk, dieses Grundgesetz ist das „des Volkes“ – wer dieses „Volk“ ist und zu seien hat, hat aber immer noch der Staat zu entscheiden.  


Aber es könnte schlimmer sein

Die relative (bürgerliche) Freiheit, welche der herrschende Staat erlaubt, muss immer in Relation mit der Unfreiheit der anderen gesehen werden, welche für das Gelten dieses Grundgesetzes leiden.
Das Recht auf Eigentum und die anderen Grundlagen für die „soziale Marktwirtschaft“ (was wäre denn eine „unsoziale“ Marktwirtschaft?) dieses Staates, sind sowohl Ursache als auch Folge des deutschen Imperialismus, welchen er mit seinen Bündnispartnern im Sinne der Interessen des Kapitals auf der ganzen Welt verfolgt.
Die relative Freiheit, die wir in Deutschland genießen, steht in direktem Zusammenhang mit der Unfreiheit der Menschen im Kongo, in Palästina, Bangladesch, Sudan und dem Rest der ausgebeuteten Welt, welche durch die Verankerung des Eigentums im Grundgesetz von deutschen Eigentümern und ihrem Staat zittern.

Das Grundgesetz vertritt strukturell (!) das gleiche System wie sein Vorgängerstaat.
Trotz humanem Antlitz durch Gleichheit vor Gericht, weitgehende Selbstbestimmung (in den gegebenen Schranken) und relativer Meinungsfreiheit ist das Fundament dieses Gesetzestexts das Eigentum und mit ihm dieselben ökonomischen Widersprüche, welche Deutschland schon einmal in den Faschismus führten.

Und auch die vernünftigen Sachen im Grundgesetz, wie eben das Recht auf Meinungsfreiheit, sind nicht in Stein gemeißelt.
Spätestens die Addition des 100 Milliarden Euro „Sondervermögens“ ins Grundgesetz, aber auch die „Notstandsgesetze“, wodurch quasi sämtliche demokratischen Rechte in der Krise ausgesetzt werden können, zeigen; wenn dieser Staat und seine Interessen in die Krise kommen, scheut er nicht auch seine Grundsätze in Frage zu stellen.

Das Grundgesetz ist in seinem bürgerlichen Kontext eine gute Verfassung, welche in vielen Punkten von den Fehlern des vorherigen Staates gelernt hat.

»Wir Kommunisten versagen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus dem Gesetz unsere Stimme. Die Gesetzgeber aber werden im Verlaufe ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Gesetz brechen. Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes selbst verteidigen.« (Max Reimann, KPD)

Artikel teilen oder drucken:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments