Die EU ist keine Demokratie
Die EU ist keine Demokratie
Zu den kommenden EU-Wahlen.

Wie zu jeder Wahl, proklamieren die bürgerlichen und Linksliberalen Kräfte mal wieder; Wählen, um unsere Demokratie zu bewahren!
Oder; „Wählen gehen – Demokratie und Freiheit sichern!“, schreibt miseoror.
Die Wahlappelle der Parteien unterbieten sich dabei an Inhalt; „Es ist nicht egal. Es ist Europa“, lässt sich vor dem Hintergrund der Kriegsgeilen Augen der haupt-Rüstungslobbyistin der Freien Demokraten lesen.
„Klima schützen, Wirtschaft stärken.“ – die Grünen; die Grünen!
Spannend ist die Inhaltslosigkeit der SPD, welche mit „Frieden sichern, SPD wählen“ oder „Rechtsruck stoppen, SPD wählen“ wohl den Preis für den geringsten Inhalt gewinnen aller.
Frieden sichern? Rechtsruck stoppen? „Wir müssen endlich im großen Stile abschieben“ – ihr seid der Rechtsruck! Rüstungslobby-Großspenden – Ihr seid der Krieg! [1]
Zur diesjährigen Europawahl am 9. Juni sind es besonders die „Rechten“ um AfD und co., vor denen es die „Demokratie“ Europas zu Schützen gilt; was genau der Inhalt der Linie zwischen AfD und den restlichen bürgerlichen Parteien ist, wird dabei nicht geklärt – scheinbar irgendwas mit Spionage und „Remigration“, obwohl dass doch bei SPD und co. längst Status-quo ist.
Aber die Inhaltslosigkeit der Plakate soll gar nicht der Inhalt dieses Textes sein; es geht heute um die bürgerliche Wahl (im europäischen Kontext) selbst.
Denn, die EU scheint es tatsächlich geschafft zu haben, den Leuten weiszumachen, sie sei das Leuchtfeuer des demokratischen Europa – wo sie doch de-facto ein autokratisches Konstrukt für die Sicherung einiger weniger Mittel- und Westeuropäischer Kapitalinteressen ist.
Hegemon; EU-Kommission
Nach den bürgerlichen Standards zur Bewertung einer Demokratie, welche selbstverständlich selbst kritisch betrachtet werden müssen, hat die EU selbst im Vergleich zur russischen Oligarchen-Plutokratie nichts mit einer Demokratie zu tun.
Die einzig wirklich demokratisch gewählte Institution der EU, das Parlament, verfügt über keine tatsächlich legislativen Funktionen (d.h. Gesetzinitiativrechte), und ist einzig dazu da, die Entscheidungen der Kommission, abzunicken.
Die EU-Kommission ist der Ludwig XIV. von Europa; sie ist nicht direkt vom Parlament, sondern von den einzelnen nationalen Regierungen und deren Parlamenten „ernannt“ und dann vom EU-Parlament mit einer absoluten Mehrheit (<50%) nur abgenickt.
Das EU-Parlament (de-jure Legislative) wählt also keine Exekutive, sondern kann eine von der nationalen Regierung vorgeschlagene Kommission nur abnicken oder ablehnen.
Eine Regierung zu wählen ist nach bürgerlichem Demokratieverständnis aber gerade eine der Kernaufgaben eines echten Parlaments.
Auch der EU-Haushalt wird nicht von der einzig halbwegs demokratisch ernannten Institution der EU, dem Parlament, allein bestimmt, sondern (Überraschung) – der Kommission.
Jetzt könnte der EU-Verfechtende Demokrat behaupten, die Entscheidungen der Kommission bräuchten trotzdem eine Mehrheit aus dem Parlament, und das stimmt – außer in „Krisenzeiten“ natürlich!
In Notstands-Manier kann die Kommission nach Artikel 122 des EU-Vertrags in „Krisenzeiten“ sämtliche Beschlüsse ohne Konsultation des Parlaments beschließen.
„Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen“ (Artikel 122 AEUV)
In lachhaft bürokratischster Manier beschreibt der Artikel 122; wenn es ernst wird, scheißt die EU auf ihre Schein-Demokratie, für die „Solidarität“ oder so.
Der Paragraf 122 wurde in Zeiten der Corona-Pandemie, aber auch für autokratische Wirtschaftspolitische Maßnahmen im Kontext der imperialistischen Weiterführung des Krieges in der Ukraine und des Wirtschaftskrieges gegen Russland gerne genutzt.
Demokratie auf Anfrage
Eine andere Kernfunktion, ja die eigentliche Hauptaufgabe eines echten Parlaments nach bürgerlich demokratischem Verständnis, ist die Gesetzgebung, d.h. das Einbringen und Beschließen neuer Gesetze.
Nicht aber in der EU; denn das EU-Parlament besitzt kein Initiativrecht, kann also selbst keine Gesetzesvorschläge einbringen, sondern wiederum nur Gesetzesvorschläge abnicken oder ablehnen, die die Europäische Kommission einbringt.
Die Kommission als eine nicht gewählte Institution besitzt das alleinige Initiativrecht in der EU.
Man stelle sich vor, der Bundestag müsste für jede Gesetzesinitiative den Kanzler fragen, ob er diese doch bitte einbringen würde, damit er darüber entscheiden kann (und der Kanzler ist im Vergleich zur Kommission, wenigstens ansatzweise gewählt).
Nun kann man behaupten, dass wenn das Parlament die Kommission darum bittet, dieses und jenes Gesetz einzubringen, die Kommission dieser Bitte meist nachkommt – Gegenargument ist; was, wenn nicht?
Das diese Möglichkeit überhaupt besteht, dass die Kommission sich de-facto vom Parlament vollkommen emanzipieren kann, wenn sie das wollen würde, ist ein Bilderbuch Autokratie-Attribut.
Man stelle sich bspw. vor, rein theoretisch, das Parlament würde eine sozialistische Richtung einschlagen, und der Kommission Gesetze wie solche zur Verpflichtung zur Vergesellschaftung der nationalen Schlüsselindustrien vorschlagen – glaubt man hier wirklich, die traditionell rechte Kommission würde diesen Bitten, die sich direkt gegen die Interessen ihre Repräsentierenden richten, zulassen?
Heißt konkret; ein Parlament, dass auf die Güte der Kommission angewiesen ist, d.h. in Abhängigkeit von der Exekutive ist, steht in vollkommenem Widerspruch zum allgemeinen Verständnis der Gewaltenteilung.
Und nochmal; mit Paragraf 122 kann die ganze Legislative sowieso umgangen werden, wenn es wirklich sein muss.
Anliegen der großen nationalen Regierungen der EU-Staaten, die so umstritten und unpopulär sind, das sie auf nationaler Ebene garnicht (oder nur unter großer öffentlicher Ablehnung) entschieden werden könnten, können so von der nationalen auf die europäische Ebene verlagert, und quasi diktatorisch durch die Hintertür durchgesetzt werden, ohne sich mit einem nervigen Parlament herumschlagen zu müssen.
Das ganze außerdem mit weitaus weniger öffentlicher Aufmerksamkeit, weil die EU sowieso zu bürokratisch ist, um der Otto-Normal-Europäer:in irgendeinen Durchblick zu erlauben.
Scheinparlament
Konkret: Das EU-Parlament wählt keine Regierung und ist keine Legislative, weil es kein Initiativrecht für Gesetze hat.
Die tatsächliche Exekutive in der EU, die Kommission, ist gleichzeitig die Legislative, womit es keine funktionierende Gewaltentrennung gibt, bzw. diese so gedreht wird, dass sich die Durchschnitts bürgerliche Demokrat:in erschießen wollen würde.
Das EU-Parlament hat nur äußerst begrenzte Budgetrechte, die bei Bedarf auch gänzlich ausgesetzt werden können.
Ein intensiv genutzter Notstandsparagraph (Apropos Notstand; die Kommission plant aktuell die Notstandsmöglichkeiten nochmal um ein Vielfaches auszubauen [2].) ermöglicht der Kommission, die beschränkten Funktionen des Parlaments gänzlich auszuschalten, wenn sie dies für nötig erachtet.
Kapitalgemeinschaft
Die EU war schon in ihren Vorläufern, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, allein darauf angelegt, die westeuropäische Kohle- und Stahlindustrie möglichst effektiv zu entwickeln.
Die schon damals als „Friedensprojekt“ vermarktete Formierung der mächtigsten europäischen Kapitalstandorte diente in erster Linie der effektivsten Stärkung der schwächelnden Industrien und der Stärkung des antisowjetischen Blocks.
Die Schlussendliche Gründung der EU diente im absoluten Vordergrund dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes, um mit freiem Waren- und Kapitalverkehr, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie der Sicherung des „freien Marktes“ in den europäischen Ländern, die Konkurrenzfähigkeit des europäischen Kapitals im Kontext des wirtschaftlichen Vorsprungs Japans, der USA und China zu sichern.
Die Sicherung des freien Marktes ist handfest in Artikel 119 und 120 AEUV geregelt, dieser liest, dass der „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ die Mitgliedsstaaten versichert, „im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ zu handeln, „wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird“.
Bürokratisches Geschwafel für; Entweder du lässt unsere Konzerne bei dir machen was sie wollen, oder du kannst bei uns nicht mitspielen.
Das EU-Recht verbietet sowieso gänzlich alles, was dem Interesse großer europäischer Konzerne schaden könnte:
„Beispielsweise generelle (Rück-)Verstaatlichungen, eine Forderung, die (…) Jeremy Corbyn in Bezug auf die britische Eisenbahn aufstellt und die nach Umfragen siebzig Prozent der britischen Bevölkerung unterstützen. Der Sieg der Massenbewegung gegen die Einführung von Wassergebühren in Irland wird ebenfalls durch EU-Verträge infrage gestellt.“ (Conny Dahmen, Für eine sozialistische EU-Kritik)
Der Europäische Binnenmarkt, welcher es den nationalen Kapitalist:innen ermöglicht, ihre Produktivkräfte frei über diesen Teil der Erdkugel zu entfalten, zwingt die „PIGS“-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien) und die europäische Peripherie durch Troika und Quadriga In eine de-facto autokratische Kontrolle ihrer Haushalte.
Wobei u.a. Griechenland in ihrer tiefen Staatsschuldenkrise 2009 gezwungen wurde, ihren sozialen Haushalt fast zu halbieren, um sich für EU-Kredite als würdig herauszustellen – die blöden Griechen mussten ja erstmal beigebracht bekommen, wie sie mit Geld umzugehen haben!
Das fand aber sogar das EU-Parlament harsch; in einem Bericht von 2014 kritisiert das EU-Parlament die Troika und sprach sich für ihre Abschaffung aus; „Das Gremium habe einseitig auf Sparmaßnahmen gesetzt und Wachstumsimpulse vernachlässigt“ – „Abgeordnete kritisierten, dem Gremium fehle es an juristischer und demokratischer Legitimation und Kontrolle“ – und dann? Nichts! Das Parlament hat ja nichts zu sagen!
Hätte die griechische Regierung den Troika-Kredit-Deal übrigens nicht angenommen und stattdessen die Privatisierungen und soziale Kürzungen zurückgenommen, wäre Griechenland einfach aus der EU rausgeworfen worden und somit kein Teil mehr des europäischen Binnenmarktes gewesen, hätte also Handelsdefizite mit den wichtigsten Handelspartnern in Kauf nehmen müssen.
Die starken Staaten der EU haben es geschafft, ihre Klassenwidersprüche auf dieses absurde System „EU“ zu übertragen, in welchem Frankreich und vor allem Deutschland die Rolle des Monokel-tragenden Kapitalisten spielen, während die europäische Peripherie auf ihre Kosten verelendet.
Mit dem Scheinparlament hat es die EU trotzdem geschafft dieses autokratische Gebilde als Leuchtfeuer der bürgerlichen Demokratie darzustellen – aber lasst euch nicht täuschen.
Die EU ist ein autokratisches Gebilde, mit dessen Hilfe neoliberale und rechte Politik ohne wirkliche demokratische Partizipation auf Kosten der Arbeitenden Bevölkerung, insbesondere in der europäischen Peripherie, zugunsten der großen europäischen Konzerne durchgeprügelt werden kann.
Die von mir kritisierten Punkte, sind nur die absolute Spitze des Eisbergs; das absurde Parteiensystem, welches nur das wählen der nationalen Ableger der EU-Parteien zulässt, die Transparenzlosigkeit und bürokratische Lachhaftigkeit der Gesetzgebungen oder die (selbst für bürgerliche Standards extreme) enorme Macht der Monopole – Pointe ist, die EU ist scheiße.
Wenn die bürgerlichen Ideologen und EU-Apologeten dann meinen, die EU wäre ja wunderbar, weil jede Europäer:in Visumsfrei durch Europa reisen kann, auf Bildungsangebote wie Erasmus zurückgreifen kann und zollfrei Waren aus dem europäischen Ausland bestellen kann, verharren sie allein auf den individuellen Vorteilen, mit welchen das systematische Versagen des Projekts „EU“ verschleiert wird.
Visumsfreiheit kann auch ein demokratisches Konstrukt, welches nicht jährlich tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt.
Wen wählen?
Die Leninsche Manier, man solle trotzdem an bürgerlichen Wahlen teilhaben, da diese ein Podium für sozialistische Politik darstellen können, tritt bei der EU wegen der geringen medialen Aufmerksamkeit bzgl. des Parlaments nur teilweise zu.
Deshalb die folgende Empfehlung, im Kontext der allgemeinen Kritik der bürgerlichen Wahl:
Jede im deutschen Bundestag vertretene Partei (oder Gruppe!) ist in ihrem EU-Programm nicht kritisch genug, um ihre Wahl empfehlen zu können.
Deshalb sehe ich „Die Partei“ oder die „DKP“ als einzig wählbare Parteien.
„Die Partei“ hat ein mediales Fundament, welches mit Sonneborns Bekanntheit eine beträchtliche Reichweite für die überspritzte EU-Kritik der Partei liefert.
Sie lehnt die EU nicht ab, deckt aber mit ihrer Satire reale Widersprüche in der EU auf und hat somit die Mittel den Bewusstseinsgrad zumindest progressiv zu beeinflussen – im aktuellen Grad des Bewusstseins sehe ich sie also als wählbar an.
Die „DKP“ lehnt die EU als imperialistisches Bündnis gänzlich ab und fundiert ihre Kritik in wissenschaftlicher und marxistischer Manier – jede Wahl garantiert außerdem Parteienfinanzierung, welche der mindeste Grund sein sollte.
Andere Parteien, wie die MERA25 oder die Linkspartei, sind programmatisch in vielem vernünftig, lehnen die EU als imperialistisches Konstrukt jedoch nicht ab und fundieren auf keinem tragbaren marxistischen Fundament.
Wahlboykottierung sehe ich bei den EU-Wahlen, im aktuellen Bewusstseinsstand der wählenden Massen als wenig sinnvoll, weil die Anzahl der nicht-Wählenden auf europäischer Ebene nicht genügend Aufmerksamkeit bzw. Interpretation bekommt, um der nicht-Wahl politischen Mehrwert zu geben.
[1] „Er war Schirmherr eines Informationsabends des US-amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin im Bundestag, bei dem für das Kampfflugzeug F-35 lobbyiert wurde.“ Schreibt Greenpeace in einer Lobbyismus-Studie über Andreas Schwarz, SPD.
[2] https://deutschlandkurier.de/2022/09/was-ist-da-im-bruesseler-busch-eu-plant-eigene-notstandsgesetze-mit-noch-mehr-befugnissen/
Und Kommunismus ist genau wie der Kapitalismus finanziert und gewollt als heglianische Systeme um die NWO aus deren scheinen erstehen zu lassen. Guck dir mal in der Geschichte an wer den Kommunismus im Hintergrund finanziert, hat das Großkapital.