Über die neue Wehrpflicht

Über die neue Wehrpflicht
Tagung des „Parlaments der Wehrpflichtigen“, 2010


Der Krieg in der Ukraine verläuft nicht so, wie es sich die Bundesregierung und Partner gewünscht haben.
Die Front verläuft seit Monaten zwischen Charkiw, Cherson und Nikopol und die Kampfhandlungen beruhen längst nur noch auf minimalen Territorialgewinne, welche sich meist innerhalb von wenigen Wochen wieder umkehren.

In den bürgerlichen Medien scheint dieses Geschehen, bzw. die Abwesenheit von nennenswertem Geschehen, nicht hingenommen werden zu wollen.
So hat sich die Berichterstattung über „Putins-Krieg“ seit einiger Zeit von empirischer hoffnungsvoller Beobachtung über den Kriegsverlauf, zu pathetischen Appellen an die westliche Welt, diese sollen doch endlich entschlossener Handeln, entwickelt.

Weil der Westen immer noch zu langsam reagiert, wird in der Ukraine wieder der Strom knapp“, „Für effektiven Wiederaufbau braucht es auch bessere Waffen“ – die bürgerliche Berichterstattung hat die Ukraine so verinnerlicht, in ihrer Rhetorik gar als 17. Bundesland eingeprägt, das jegliche objektive Gedanken darüber, wie dieser Krieg denn zu Ende gehen sollen, als Vaterlandsverrat und AfD-nah stigmatisiert werden.

Da dieser Krieg eben trotz 100-Miliarden-Sondervermögen und Plänen zum möglichst Kapitalfreundlichen Wideraufbau der Ukraine, nicht so verläuft, wie es sich die Bundesregierung wünschen würde, wird dieser Krieg jetzt größer gedacht – was, wenn wir mitmachen?
Scholz „Erlaubnis“, die Ukraine könnte nun auch deutsche Waffen gegen Ziele auf russischem Boden benutzen, markiert den ersten Schuss deutscher Waffen auf russischem Boden seit Barbarossa.
Das diese Entscheidung selbstverständlich auch historisch-symbolischen Stellenwert hat und der eigentliche Nutzen von „deutschen Waffen gegen russischen Boden“ gen-Null ist, scheint egal zu sein.
Das wiederholte Überschreiten von Grenzen, die als unüberschreitbar galten, gilt der Vorbereitung auf den Supergau; Krieg mit Russland.

Die Annahme der bürgerlichen Medien, es fehle Deutschland an Waffen ist hierbei ein Missverständnis – ein Missverständnis welches sich in der mit Abstand erfolgreichste Division der Rheinmetall AG, der „Division Weapon“, erkennen lässt, welche mit 258,42% (Q1) Umsatzsteigerung nun einen Auftragsbestand von rund 6,4 Milliarden Euro behaupten kann.
Diese stramme Auftrags- und Umsatzmaximierung spiegelt sich selbstverständlich auch in dem Interesse der Aktionäre wider, welche seit dem Krieg in der Ukraine (bzw. der zwanghaften Weiterführung dessen) die Aktie der Rheinmetall AG um knapp 400% haben wachsen lassen.

Es fehlt Deutschland gerade an einem; Kriegspersonal.
Dieses Problem, welches eben deshalb existiert, weil ein NATO-Verlust dieses Krieges, die „Multipolare Welt“ vorantreiben, und damit die US-Hegemonie brechen würde, weiß sich auch die Bundesregierung nicht wirklich zu lösen.
Vorschläge gibt es aber:
Der erste Vorschlag sehe keinen Pflichtdienst vor, sondern das freiwillige Ausfüllen eines Fragebogens aller erfassten Angehörigen eines Jahrgangs – rund 750.000 Frauen und Männer. Dann sollen Freiwillige angeworben werden.“

Dieser „Fragebogen“ -Vorschlag soll darüber entscheiden, wer am ehesten bereit wäre, seine bürgerliche Pflicht der Vaterlandsverteidigung zu erfüllen – alle die, die der Fragebogen als fähig erkennt, werden dann zur Musterung eingeladen.
Diesen Vorschlag empfindet das Ministerium aber als „am wenigsten erfolgversprechend“, da es das eigentliche Problem, dass eben viel zu wenige ihr Leben für diesen Staat und seine Anliegen riskieren wollen, nicht lösen wird.

Das Zweite Modell, welches stand jetzt das Wahrscheinlichste ist; „die Wiedereinführung einer grundgesetzkonformen Auswahlpflicht“, weiß das Personelle Problem bzgl. der „Kein Bock auf Krieg“-Haltung der jungen Deutschen scheinbar eher zu lösen.  
Ab Inkrafttreten der Regelung sollen alle 18-jährigen, damit wehrpflichtigen, Männer einen Online-Fragebogen ausfüllen, welcher die primäre Aufgabe hat, dass „sich junge Menschen mit der Bundeswehr befassen“.
Anders als der analoge Fragebogen, ist das Absenden der Online-Variante verpflichtend – diese Variante dient wohl auch mehr Möglichkeit zur Automatisierung, weil nun mal auch im IT-Bereich des Bundes Personal fehlt.
Pistorius erhofft, im ersten Jahr rund 400.000 Männer befragen zu können – von diesen rechnet das Ministerium mit idealerweise 5.000 Rekruten pro Jahrgang.
Für Frauen ist das Absenden des Fragebogens freiwillig – nicht aus wirklichen Gründen, sondern aus grundgesetzlicher Verankerung (GG. Art. 12a)
Diese 5.000 Rekruten würden den Bund rund 1.4 Milliarden jährlich kosten – Geld, dass in dem „Sondervermögen“ Scholz‘ nicht eingeplant ist.
Zuzüglich des Wideraufbaus der Infrastruktur, die es braucht, um die neuen Rekrut:innen zu mustern, unterzubringen und zu versorgen.

Das diese neue Variante der Wehrpflicht, eine Milde ist, ist gewollt.
Beobachtet man die Entwicklung des „Verteidigungs“-Diskurses seit 2021, ist klar; die Fragebogen-Wehrpflicht ist dasselbe für die wehrpflichtige Bevölkerung, wie die 5000 Helme für die Ukraine-Ausgaben waren.
Sobald sich herausstellt, dass die 5.000 Rekrut:innen pro Jahr nicht dem benötigten Provokations-Niveau entsprechen, wird aus den Fragebogen schnell wieder eine verpflichtende Musterung – so wie aus den Helmen Taurus-Raketen wurden.
Das ist keine Verschwörungserzählung, sondern ganz logisch bei objektiver Anerkennung der Situation.
Der Krieg in der Ukraine ist nicht „gewinnbar“ ohne NATO-Personal in der Ukraine, das weiß auch die Bundesregierung.
So dient die „Fragebogen“-Wehrpflicht nicht primär der Rekrutierung von Soldat:innen, da sie für diese objektiv viel zu ineffektiv ist, sondern der weiteren Normalisierung der Vorstellung eines offenen Krieges gegen Russland.
Nur zum Vergleich; die Bundeswehr zählt derzeit eine Gesamtstärke von 262.000, davon 57.000 Berufssoldaten, 115.000 Zeitsoldaten und rund 10.000 Freiwillige.
Die Gesamtstärkte 1990, zum Beginn des freien Falls der Menge an Soldat:innen und dem Umbau der Bundeswehr zu einer de-facto Söldnerarmee, betrug rund 600.000.
Um wieder zu dieser Menge zu gelangen, welches in Anbetracht Pistorius‘ Pathos ja das Ziel zu seien scheint, bräuchte es mit den prognostizierten Zahlen bzgl. der „Fragebogen“-Wehrpflicht gut 60 Jahre, die Bundeswehr wieder auf ihr Kalter-Krieg-Niveau zu bringen.
Da 60 Jahre im Kontext der offenen Kriegsvorbereitung eindeutig zu lang sind, ist klar; die Fragebogen-Lösung wird früher oder später durch eine allgemeine Wehrpflicht, so wie sie vor 2011 bestand, ersetzt werden.

Allgemeine Wehrpflicht; Was dann?

Verweigern – egal mit welchen Konsequenzen.
Gibt es Alternativen, wie eine Form des öffentlichen Dienstes, in der Pflege oder ähnlichem, gilt es diese zu wählen.
Kommt es zu einem offenen Krieg und einem allgemeinem Einzug, muss dieser egal unter welchen Konsequenzen verweigert werden.
Ein Krieg mit Russland verteidigt nicht den Frieden oder eine idealisierte Demokratie, er verteidigt die Interessen des westlichen Kapitals um die Hegemonie in Osteuropa und Ostasien.

Artikel teilen oder drucken:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments