Israel bezogener Antisemitismus und die Staatsräson

Israel bezogener Antisemitismus und die Staatsräson
Antisemitische Karikatur Netenjahus aus einem Portugiesischen Magazin, Quelle: Israelnetz.

Bei all den absurden „Antisemitismus“-Rufen von Seiten der bürgerlichen Politik und Presse, darf nicht außeracht gelassen werden, dass auch wenn scheinbar ein großer Teil der politischen Vorwürfe des Antisemitismus, auf einem Missverständnis des Zionismus beruht, der Israel bezogene Antisemitismus natürlich trotzdem existiert und an Einfluss gewinnt – insbesondere in sozialen Netzwerken.

So habe ich schon zuvor das Missverständnis des Zionismus und dessen Manifest im Staat Israel als „positiven“ Antisemitismus charakterisiert – dieser Text ist das Gegenstück dazu.
Zusammengefasst; Die Gleichsetzung des Zionismus, welcher sich im Staat Israel manifestiert, und dem Judentum ist konsequent antisemitisch und bedient sich an der antijudaistischen Vorstellung, das Judentum sei ein „Staat im Staat“ Aus dieser Vorstellung heraus hat der deutsche Staat, verstärkt seit dem 07. Oktober, große Teile der Israel-Kritik kriminalisiert.

Rechter Israel-bezogener Antisemitismus

Denn wo der Zionismus im Sinne des deutschen Staates und dem Rest der westlichen Welt positiv konnotiert mit dem Judentum als Ganzes gleichgesetzt und folglich im Sinne der Kapitalsicherung instrumentalisiert wird, existiert die Gleichsetzung des Zionismus und des Judentum selbstverständlich auch im direkt negativen Sinn.

Durch rechtliche Verbote gegenüber offenem Antisemitismus, ist der „Zionismus“-Begriff seitens insbesondere politisch rechter Kreise Synonym mit dem Judentum geworden.

Anders als die oben beschriebene „positive“ Judentum-Zionismus Gleichsetzung, leitet sich beim „negativem“ Antisemitismus die Abneigung gegen den Staat Israel aus der Jüd:innen-Feindschaft selbst ab.
So werden antisemitische Klischees und Anfeindungen nicht mehr direkt auf das Judentum selbst, sondern den jüdischen Staat und seine Einwohner:innen übertragen, um Konsequenzen wie bspw. Anzeigen der Volksverhetzung zu umgehen.

Als Konstante des Rechtsextremismus haben Vertreter der rechten-Szene aufbauend auf Verschwörungsmythen den Staat Israel als simpelsten Ausweg aus rechtlichen Mitteln gegen die offene JüdInnen-Feindschaft entdeckt.

Ironisch hierbei ist die opportunistische Solidarisierung mit dem palästinensischen Volk, bspw. Im Fall der gesichert rechtsextreme Neonazi-Partei „der dritte Weg“, die in ihrem Artikel „Israel-Boykott: Was jeder gegen den zionistischen Völkermord tun kann“ zum Besuch von Pro-Palästina- Demonstrationen aufrufen, um gleichzeitig an Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünften beteiligt zu sein, welche u.a. palästinensische Geflüchtete beherbergen.
In der rechten Szene dient Israel und der „Zionismus“ also oft einzig als bloßes Mittel der Umweg Kommunikation um Strafrechtliche Verfolgung wegen Volksverhetzung zu vermeiden.

Rechte Gegner Israels übertragen ihre antisemitischen Verschwörungsmythen auf den Staat Israel und sehen Israel und den Zionismus als gleich zum Judentum.

Islamischer Israel-bezogener Antisemitismus

Antizionismus und Antisemitismus müssen im islamischen Kontext besonders betrachtet werden.
Wo es sowohl beim rechten Israel-bezogenen Antisemitismus, sowie beim bürgerlichen Israel-bezogenen Antisemitismus der jüdische Grundsatz des israelischen Staates ist, der den Kern der Stellung zu Israel stellt, setzt sich der muslimische Israel-bezogene Antisemitismus aus mehreren Teilen zusammen.

Zum einen das antijudaistische Fundament, welches im heiligen Qur’an (nicht weniger als in der Bibel, aber darum geht es hier nicht) gesetzt wird: Denn Obwohl der heilige Qur‘ran auch pro-jüdische Aussagen enthält, überwiegen jedoch die Verse, in denen Jüd:innen als Feinde dargestellt und abwertend als bspw. ‚Affen‘ und ‚Schweine‘ bezeichnet werden.

Dieser herabwürdigende Blickwinkel ist bis heute ein charakteristisches Merkmal der Feindschaft gegenüber Jüd:innen im muslimischen Umfeld.

Auch in der Charta der Hamas, sowohl der ersten als auch der zweiten, finden sich häufige Bezüge auf den Qu’ran, welche den Konflikt eben religiös legitimieren sollen.

Bspw. der Bezug auf einen Hadith, welcher folgendes schreibt:

„Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!“ Nur der Gharkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.“

Es muss jedoch gesagt werden, dass es nicht der heilige Qur’an ist, der ein per-se Jüd:innen-feindliches Fundament für den muslimischen Israel bezogenen Antisemitismus stellt, sondern eine antisemitische Interpretation der Heiligen Schrift.

Eine antisemitische Deutung der Suren zu den Jüd:innen im heiligen Qur’an steht jedoch im widerspruchsfreien Verhältnis zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk, welche von Seiten vieler Muslim:innen aufgrund des gleichen Glaubens verstärkt auftritt (Vgl. islamisches Verständnis der „Ummah“/ „أ“مة)

Außerdem spielt die territoriale Verbundenheit vieler Muslim:innen eine
bedeutende Rolle bei ihrer Position zum Staat Israel: Aufgrund der
Jahrhunderte langen muslimischen Herrschaft über das geographische Gebiet des heutigen Israels, fühlen sich viele Muslim:innen eine doppelte
Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk, welche in Kombination mit dem religiösen Antijudaismus die Möglichkeit für das Überschreiten der Grenze zwischen Anti- Zionismus und Semitismus verstärkt.

Das insbesondere auf diesem Teilgebiet die Grenze zwischen Israel-bezogenem Antisemitismus und Antizionismus sehr schmal ist, zeigt der Brandanschlag auf eine Wuppertaler Synagoge, bei welchem drei palästinensische Jugendliche sechs Molotow-Cocktails auf die bergische Synagoge warfen.

Kontrovers war deren Verurteilung 2016, bei welcher, der wohl von vielen als offensichtlich antisemitisch gewertete, Anschlag als nicht antisemitisch, sondern lediglich als politische Protestaktion bzgl. der Situation in Gaza gewertet wurde.

Insbesondere der islamische Israel-bezogene Antisemitismus macht den Fehler, welchen viele Unterdrückte machen, nämlich der Propaganda ihres Gegners Glauben zu schenken.
Die bürgerliche Gleichsetzung des zionistischen Staates mit dem Judentum als Ganzes führt insbesondere unter politisch nicht-involvierten zur Annahme, dass wenn der Zionismus das Judentum repräsentiert, das Judentum ja wohl auch den Staat Israel repräsentieren müsse – das ist selbstverständlich falsch.
Die Palästinenser:innen sind Oper der Politik eines Staates, welcher behauptet, im Namen des gesamten jüdischen Volkes zu handeln – das Verständnis der islamischen Glaubensgemeinschaft (s.o.) führt dabei zu einer speziellen Art der Solidarität, kombiniert mit der bürgerlichen Zionismus Gleichsetzung ein Nährboden für antisemitische Verschwörungsmythen und Ressentiments.

Antimuslimischer Rassismus

Anders als es die bürgerliche Presse und Parteien glauben wollen lassen, kommt der absolute Großteil der Antisemitischen Straftaten in Deutschland von rechts – „Demnach registrierten die Behörden im vergangenen Jahr 5164 antisemitische Straftaten – 95,5 Prozent mehr als noch 2022. In 3034 Fällen wird von einem rechten Hintergrund ausgegangen“
Dieser Anteil entspricht knapp 60% – hierbei muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass „Rechtsextreme“ (ein ziemlicher leerer Begriff, mit dem wir zu arbeiten haben), einen Anteil von rund 0,075% der Gesamtbevölkerung ausmachen, Muslim:innen einen Anteil von rund 7,5% – heißt auf jeden Nazi kommen rund 100 Muslim:innen, wodurch die Statistik selbstverständlich noch einmal anders gewertet werden muss. [1]

An der Berichterstattung und Verfolgung ändert das aber nichts:
So waren in Deutschland exponentiell viele Muslim:innen von Repressionen und Kriminalisierungen bei Palästina-Solidarität betroffen.

Bspw. durch das Möglichkeit des Tragverbots der kulturell wichtigen Kuffiyah an Schulen im Berliner Stadtteil Neukölln, oder enorme Demoauflagen in migrantisch-besiedelten Stadteilen (bspw. Verbot von
antiisraelischer Rhetorik bei Pro-Palästina Demonstrationen in Neukölln).

Diese Verbote bezeichnete der Neuköllner Bezirksverordnete Ahmed Abed (Die Linke) als „Höhepunkt des staatlichen Rassismus in Deutschland“.

Auch der Berliner Rabbiner Elias Dray warnte angesichts der steigenden antimuslimischen Berichte und Repressionen vor „antimuslimischem Rassismus“.

Diese Instrumentalisierung des israelischen Leids zu oftmals rassistisch scheinenden Gründen, findet sein Epitom in der „Bekenntnis zu Israel“, mit welcher CDU-Landesinnenministerin Zieschang im Dezember 2023 die Anerkennung des israelischen Existenzrechts bindend für die deutsche Staatsbürgerschaft machte.
Bedenkt man, dass auch (besonders wohl in den kommenden Jahren) viele tausende Palästinenser:innen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen werden, scheint das ganze beinahe wie eine bürokratische Demütigungsaktion.
Die „Staatsräson“ des deutschen Staates, welche in Sich das Judentum mit dem imperialistischen Staat Israel gleichsetzt, ist der entscheidende Faktor bei Israel-bezogenen Formen des Antisemitismus, folglich auch des erschreckenden Anstiegs von antisemitischer Gewalt.

Die Charakterisierung eines sozio-ökonomischen Konflikt als ethnisch und von religiöser Natur, bei welcher der deutsche Staat ganz vorne Mitspielt, vermittelt solchen, welche wohlmöglich nicht mit der israelischen und/oder jüdischen Geschichte vertraut sind; dieser Konflikt ist ein Krieg zwischen Juden und Arabern, wo es doch viel mehr ist als das – ein Konflikt, welchen die westliche Welt auf beiden Seiten anfeuert, um sich die Interessen ihrer Konzerne in einer Kapitalfeindlichen Region zu sichern.


[1] %-Rechtsextreme: Laut BfV (2022): 38.000 Rechtsextreme in Deutschland, wir rechnen mit 60.000, weil die Zahlen des BfV ungenau sind – 60.000 von 80.000000 sind: 0,075 %.
%-Muslim:innen: Studie der DIK von 2020: „zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Muslime“ (einschließlich Alevit:innen), Wir rechnen mit 6 Millionen – 6.000000 von 80.000000 sind 7.5%.

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Declan4148

Very good