Die neue Planwirtschaft

Die neue Planwirtschaft

Wie Künstliche Intelligenz und der Fortschritt in der Informationstechnologie die Argumente gegen eine Planwirtschaft aus dem Weg räumen.

Die rote Pille ist die Planwirtschaft, versteht sich.

Reminder: Die rot-markierten Wörter sind Links, die zu entsprechenden Kritikpunkt-Artikeln führen.


Der Sozialismus ist die logische Schlussfolgerung auf die bestehenden Widersprüche, weil nur eine logische Planung und Kontrolle der Produktion in der Lage ist, die herrschenden Widersprüche zu beseitigen – das ist klar.
Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Produktion und Konsum, ist der Grundwiderspruch diesen Systems, welcher sich in zunehmenden Kriegen, sozialer Verelendung und Umweltzerstörung ausdrückt.  

Der „Freie Handel“ ist durch seine Unplanbarkeit und Anarchie (der Monopole) das Instrument, über welches sich die Konzerne und Besitzenden ihren Besitz aneignen können.
Er liefert die Möglichkeit des grenzenlosen Wachstums, welche in jedem Fall den jeweiligen Profitinteressen der Aktionäre und Chefs gilt.
Insofern agiert die freie Marktwirtschaft als Schauplatz der Konkurrenz, durch welche Unternehmen über andere triumphieren können.
Die „Konkurrenz“, welche im bürgerlichen Duktus gerne noch mit „freier“ (Konkurrenz) eingeleitet wird, ist im Zeitalter der Monopole eben dass aber nicht mehr.
Konkurrenz existiert nur im Kontext der kleinen und mittelständischen Unternehmen, welche, sobald sie eine Gewisse Größe erreicht haben, von den Marktbeherrschenden Monopolen ausgeschaltet werden, schon allein, weil diese über genügend politisches Kapital verfügen, um sich die günstigeren Bedingungen für den Markt zu schaffen.
Wer genau den Markt dominiert ist hierbei trotzdem irrelevant, weil die Mechanismen von Lohnarbeit und Mehrwertraub unverändert bleiben.

Aus dieser „Konkurrenz“ heraus entsteht die ständige Notwendigkeit, Kosten zu verringern und Einnahmen zu vergrößern, um mit den konkurrierenden Unternehmen mithalten zu können.
Wäre das Marktverhalten gar nicht reguliert, hätte der Lohndruck der Konzerne mit ihrem politischen Kapital längst die Sklaverei wieder eingeführt, da könnte man wohl wirklich mal Kosten sparen.
Die Regulierung, welche sich in der „sozialen Marktwirtschaft“ insbesondere durch die Etablierung einiger sozialer Rechte ausdrückt, ist kein Manifest irgendeines Wohlwollens der inländischen Herrschenden, sondern Anpassung der Reproduktionskosten an das inländische Entwicklungsniveau.
Verläuft das inländische Entwicklungsniveau und das Dasein der Lohnarbeitenden in einem zu großem Widerspruch, entsteht die Gefahr, dass die Lohnarbeitenden sich ihrer Rolle bewusstwerden würden und anfangen würden, sich zu wehren – da hilft ein Mindestlohn, gesetzliche Versicherungen und Sozialhilfe – „guckt mal, wie gut wir es haben“.
Die Steigerung des Entwicklungsniveaus ist für die inländischen Kapitalisten eigentlich nichts Gutes, weil sie die wirklichen Drecks-Jobs dann exportieren müssen.
Günstig, dass sie mit ihren Militärs über genug Macht verfügen, um sicherzugehen, dass sich die Staaten, aus denen sie ihre billige Arbeitskraft beziehen, nicht gegen ihre Ausbeutung erheben – sonst geschieht ihnen dasselbe wie Nicaragua, Chile, Iran (Mossadegh), dem Kongo oder dem halben Rest der Welt – Massenmord, Putsch und Faschismus gegen die Feinde der inländischen Kapitalinteressen.

Michael Parenti hat es vor 30 Jahren richtig gesagt:

The third world is not poor, you don’t go to poor countries to make money. There are very few poor countries in this world, most countries are rich! The Philippines are rich! Brazil is rich! Mexico is rich! Chile is rich! Only the people are poor! But there’s billions to be made there, to be carved out and be taken. Theres been billions for 400 years! The capitalist European and North American powers have carved out and taken the timber, the flax, the hemp, the cocoa, the rum, the tin, the copper, the iron, the rubber, the slaves, and the cheap labor, they have taken out of these countries. These countries are not underdeveloped, they’re overexploited!

Um diese weiten Folgen des Grundwiderspruch zu vermeiden, braucht es eine andere Art, Handel zu treiben und Wirtschaft zu machen.
Eine Wirtschaft, die nicht der Entscheidungsgewalt einiger Monopole überlassen ist, sondern einem Plan, der durch (tatsächliche) Volksvertreter zusammen mit Experten geschaffen wird und darüber entscheidet was, wann und wie viel produziert wird.
Nur durch eine geplante Wirtschaft kann die endlose Wachstumstendenz von frei handelnden Unternehmen unterbunden werden und folglich der Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit gelöst werden.

Mit dieser Behandlung der heutigen Produktivkräfte nach ihrer Natur, (…)  tritt an die Stelle der Anarchie der gesellschaftlichen Produktion eine gesellschaftlich geplante Regulierung der Produktion entsprechend den Bedürfnissen der Gemeinschaft und jedes Einzelnen.
An die Stelle der kapitalistischen Aneignungsweise, in der das Produkt zunächst den Produzenten und dann auch den Aneigner versklavt, tritt somit die Aneignungsweise des Produkts, die auf dem Wesen der modernen Produktionsmittel selbst beruht: einerseits die direkte gesellschaftliche Aneignung als Mittel zur Aufrechterhaltung und Ausweitung der Produktion, andererseits die direkte individuelle Aneignung als Mittel zur Existenz und zum Genuss
“ (Engels, Anti-Dühring)

Dass die Planwirtschaft in der bürgerlichen Ideologie euphemistisch gesagt missverstanden wird, hängt allein mit dem Antikommunismus zusammen, welcher die Probleme und Fehler der sozialistischer Staaten nicht kontextuell, sondern dogmatisch der „Planwirtschaft“ zuordnet – dazu aber gleich mehr.
Hier muss erst einmal gesagt werden, dass der freie Handel und die dementsprechende Anarchie auf dem Weltmarkt mehr Schein als Sein ist.
Die Regellosigkeit des freien Marktes, welchen Adam Smith noch unter familiären Kleinunternehmen wahrnehmen konnte, existiert im Zeitalter des Imperialismus, d.h. des Monopolkapitals, de-facto nicht mehr.

Dafür aber die Planwirtschaft, davon gibt es heute eine ganze Menge:
Wie Leigh Phillips in seinem Buch „People’s Republic of Walmart“ dargelegt hat, setzen die Monopolkonzerne, welche den globalen Handel steuern, intern schon lange nicht mehr auf Freihandel und Anarchie – sondern auf rigoros geplante, mechanische Abläufe, bei denen jede Filiale bzw. Abteilung am gleichen Strang zieht.
Obwohl viele Führungskräfte in der Öffentlichkeit für Märkte und Wettbewerb argumentieren, bevorzugen sie in ihren eigenen Unternehmen Koordination und Planung. Ihre verschiedenen Abteilungen ziehen alle am gleichen Strang, ganz ohne Markt und Konkurrenz. (…) Die heutige Wirtschaft geht bereits weitgehend geplant und nicht spontan vonstatten – doch sie ist auch ein Ort weitreichender Herrschaft, von der wir uns nach wie vor zu befreien haben.“

KI und Planwirtschaft

Gut, das ist ja nun keine revolutionäre Erkenntnis, dass eine Planwirtschaft hermuss, um die Widersprüche der ungeplanten Produktion und Handels zu beenden.
Und Planwirtschaften gab es, mehr und weniger erfolgreich.
Marx wie Lenin wussten, dass die vollständige Verwirklichung einer Planwirtschaft nur unter wirtschaftlichen Umständen möglich ist, deren Produktion ausreichend zur Deckung der gesellschaftlichen Bedürfnisse ist.
Trotz dieser Erkenntnis versuchten sich etliche Parteien im Laufe der kommunistischen Geschichte an der Planwirtschaft, mit grundlegenden Herausforderungen.

Bürokratisierung und Entfremdung

Nach dem Ende Lenins Neuer Ökonomischer Politik, welche Marktwirtschaftliche Aspekte in vielen Wirtschaftssektoren weiter tolerierte, um die Entwicklung in diesen Branchen schnellstmöglich voranzutreiben, entwickelte sich rasch eine neue Schicht an Parteikadern, welche der Planung der sowjetischen Wirtschaft verpflichtet waren.

In Anbetracht der imperialistischen Bedrohung, welche die Sowjetunion zu dieser Zeit zu befürchten hatte, zielte der erste 5-Jahres-Plan (1933) insbesondere auf die Entwicklung der Schwer- und Waffenindustrie hin, um die Verteidigungsfähigkeit gegen Invasionen zu sichern.
Um darüber hinaus Geldmittel für den Erwerb neuer Maschinen (die UdSSR war noch immer ein halb-feudaler Staat) zu erlangen, exportierte die Sowjetunion trotz Mangel Unmengen an Getreide, von dessen Divisen Kriegsgerät gekauft werden musste – es folgte die effizienteste Industrialisierung in der Geschichte der Menschheit, durch welche nur 8 Jahre später die imperialistische Aggression seitens Nazi-Deutschlands zurückgeschlagen werden konnte.
Was auch folgte, war die Hungersnot 1932/33, welche Millionen das Leben kostete – und wichtiger für unsere These; das anhaltende Missverhältnis in der Entwicklung einzelner Industriezweige.
Die Schwerindustrie der UdSSR entwickelte sich auch nach dem Krieg, stark beeinflusst durch die amerikanische Provokation im „kalten“-Krieg, in einem stärkeren Verhältnis als die Produktion von Konsumgütern, sowie hochwertiger Lebensmittel (Fleisch, Milch, Eier).
Das Problem der notwendigen Zentralisierung der Planung war eben die Bürokratisierung der Planung selbst, welche durch die Errichtung einer Parteikader-Klasse mit einer weitreichenden Entfremdung seitens der Ziele des Plans zu den Bedürfnissen der Menschen einherging.

Neben der Entfremdung fehlte es an Informations- und Kommunikationstechnik, welche es der zentralen Planungsbehörde erschwerte, den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen gegenüber zu Planen.
Folge war häufige Über- und Unterproduktion von Gütern und Konsumwaren, welche wiederum zu Engpässen auf der einen, wie Verschwendung auf der anderen Seite führte.
Bis zum Zerfall der Sowjetunion fehlte es der Konsumgüterindustrie an Mitteln; eine Entwicklung, welche selbstverständlich den Widerspruch zwischen Volk und Herrschaft mit sich führte.

Selbstverständlich sind die Möglichkeiten eines Plans, wie auch einer Marktwirtschaft, von den allgemeinen materiellen Bedingungen eines Staates abhängig.
Selbst eine schlechte Planwirtschaft würde in einem reichen Staat besser aussehen als die perfekte Marktwirtschaft in einem „armen“ Staat (siehe Parenti-Zitat).
Der Unterschied ist, dass die armen Staaten nur noch gerade wegen der Marktwirtschaft und der Profitmaximierungstendenz der reichen Staaten existieren – aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel.

So ist es natürlich falsch, die wirtschaftlichen Probleme bspw. eines Kubas oder Venezuelas der „Planwirtschaft“ zu verschulden, wie es große Teile der bürgerlichen Presse tun.
Diese Wirtschaftlichen Probleme dieser Staaten sind unabhängig von ihrem übergeordneten wirtschaftlichen System, sie existieren wegen Sanktionen, Embargos und Sabotage seitens verfeindeter Staaten – ganz im Gegenteil; Kuba ist arm wegen des amerikanischen Embargos, kann aber trotzdem einen überproportionalen Lebensstandard garantieren, wegen der Planwirtschaft.

Ein neues Zeitalter

Die Grundlegenden Probleme der Planwirtschaft, die Bürokratisierung, Entfremdung und Missplanung sind de-facto keine mehr.
Die Missplanung, welche in der Vergangenheit vor allem durch die fehlende Informationstechnik bzw. Masse an zu planenden Faktoren entstand, ist durch moderne Informations- und Planungstechnik de-facto unmöglich.
Die schiere Menge an verfügbaren Daten, welche sich heute in einem eigenen Wirtschaftssektor (quartärer Sektor) ausdrückt, machen Missplanungen wie die während des „Großen Sprung nach vorn“ unter Mao unmöglich.
Die Missplanungen in der Sowjetunion und der Mao-Ära des chinesischen Sozialismus waren (neben der Geopolitik, s.O.) stehts folge der fehlenden Kommunikation zwischen den Massen und der Planung, wobei letztere einfach nicht über die klaren Bedürfnisse der Menschen Bescheid wusste – nicht zuletzt, weil sich im Beispiel der UdSSR die Wünsche der Stadt und des Landes vollkommen unterschiedlich entwickelten.
Heutige Technologie ermöglicht Echtzeit-Kalkulationen bzgl. den Anforderungen der Menschen – nichts anderes sind Verbraucherumfragen, mit welchen jedes große Unternehmen den Widerspruch zwischen Angebot und Nachfrage zu managen versucht.

Jack Ma, Gründer der Alibaba-Group und einer der erfolgreichsten chinesischen Unternehmer, meint:
„Der Zugang zu allen möglichen Daten erlaubt es, die unsichtbare Hand des Markts zu finden (…) Im Zeitalter der Daten ist es so, als hätten wir ein Röntgengerät und eine Computertomografie-Maschine für die Weltwirtschaft. (…) Big Data wird es ermöglichen, eine Planwirtschaft zu errichten“

Die Kritik der bürgerlichen Ökonomen an der Planwirtschaft, war stehts eine steuerungstheoretische, so sagte Hayek:
Der Planer verfügt nie über bessere Echtzeitinformationen als der Markt. Der Staat Weiß nicht, wie viele Fahrzeuge, Toaster und Türgriffe produziert werden müssen, damit der gegenwärtige Bedarf gedeckt ist.
Das mag teilweise auch gestimmt haben, aber nicht mehr.
Die Künstliche Intelligenz, dessen Fortschreiten wir in sämtlichen Sektoren zu verzeichnen haben, ist in der Lage, die Lösung von Millionen von Gleichungen (flexibel!) zu meistern, um ein makroökonomisches Gleichgewicht zu erreichen.
Eine zentrale Planungsbehörde war nie in der Lage, das gesamte Wissen über die Gesellschaft zu aggregieren, geschweige denn die Nachfrage nach spezifischen Gütern zu berechnen – die Fortschritte in der Informationstechnologie schon.

Auch die Bürokratisierungs- und Entfremdungstendenz der Planwirtschaften ist durch die Masse an verfügbaren Informationen kein Appell gegen die Planwirtschaft mehr.
Die Bürokratisierung und Entfremdung, welche sich insbesondere in der post-Stalin‘schen Sowjetunion erkennen lassen konnte, war Folge des Widerspruchs zwischen den steigenden Lebensstandards, folglich der Veränderung des Konsumverhaltens, und dem zu geringen Plansoll für die Leichtindustrie – diesen Widerspruch kontert die moderne Informationswirtschaft jeden Tag.

Die Produktivkräfte der westlichen Industriestaaten, u.a. der BRD, haben sich im Verlauf der letzten 250 Jahre auf ein Level entwickelt, welches in keinster Weise dem Level entspricht, welches die sozialistischen Staaten zu Beginn ihrer Errichtung zu verzeichnen hatte.
Das liegt daran, dass die westlichen Industriestaaten bei der Bildung ihres Reichtums Zugriff auf die Ressourcen ihrer Kolonien, halb-Kolonien und Goldesel-Staaten hatten (Indien, China, de-facto ganz Afrika, große Teile Lateinamerikas etc.).
Der heute existierende Stand der Produktivkräfte übertrifft den von Marx für den Sozialismus als nötig gesehenen Stand um ein Vielfaches.
Durch den unheimlichen Fortschritt der Informationstechnologie, welche mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ungeheure Geschwindigkeiten annimmt, räumt de-facto jedes Argument gegen die Planwirtschaft, welches sich auf ehemalige Versuche der Planwirtschaft bezieht, aus dem Weg.

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ (Marx, Kritik des Gothaer Programms)

Die Quellen des Reichtums laufen über, nur eben nicht für alle, sondern für wenige.

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