Kursk: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Kursk, oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Die ukrainische Offensive auf russisches Territorium macht Friedensverhandlungen unmöglich.
Warum sich der Westen ein Ende des Krieges nicht leisten kann und jede weitere Eskalation – auch unter direkter Beteiligung der NATO – in Kauf nehmen muss.

Mehr zum Krieg in der Ukraine findet ihr unter: https://kritikpunkt.com/ausland/


Heute Abend, Dienstag, den 24. Januar, ist bekannt, dass die Bundeswehr die
Leoparden liefert.
Das heißt für uns; der Krieg ist nun unser Krieg, das deutsche Kapital ist auf
Expansionssafari.
Die Panzerlieferung ist der nächste Schritt in der mehr oder weniger linearen
Abfolge von Kriegsgerät für die Ukraine – Helme zu Panzern, Panzer zu Raketen, Raketen zu Atombomben
.“

Diese paar Sätze sind ein Auszug aus einer kurzen Polemik, welche wir am 24. Januar 2023, zum Anlass der Leoparden-Lieferung an die Ukraine geschrieben haben.

Das Verständnis dieses Krieges scheint tatsächlich bei vielen nicht über den 24. Februar 2022 hinauszugehen; Putin ist der irrationale Faschist, der sich selbst hochschaukelt, während wir nur machen, wozu wir als freier Westen gezwungen sind, das finde ich zutiefst beängstigend.
Bei einem solchen gerade polemischen Verständnis dieses Krieges (Putin böse, Westen gut) ist es nur logisch, dass es eine so weite Befürwortung der Waffenlieferungen gibt.
Also, ganz konkret: Die weitere Lieferung von Waffen, jeglicher Art, an die Ukraine gefährdet und kostet nicht nur, wie nun im Fall der Uranmunition, das Leben etlicher UkrainerInnen für die kommenden Jahrzehnte, sondern riskiert tatsächlich noch unbekannte kriegerische Ausmaße.

Diese paar Sätze sind ein Auszug aus einem Artikel, welchen wir am 26. März 2023, zum Anlass der Nutzung von Uranmunition in der Ukraine geschrieben haben.

Jetzt ist es wieder so weit; die nächste, große, Eskalation steht vor der Tür.
Seit Monaten bettelt Kiew die Koalition der Willigen um eine Waffenfreigabe an, welche es der Ukraine erlauben würde, westliche Langstreckenraketen direkt gegen Ziele in Russland verwenden zu dürfen.
Die Bundesregierung hat, anders als die Vereinigten Staaten, die Erlaubnis von Deutschland gelieferte Waffen auch gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen, schon Ende Mai diesen Jahres erteilt. [1]

Unternehmen Kursk

Das war vor dem ukrainischen Vorstoß in den russischen Oblast Kursk, welcher seit August diesen Jahres andauert.
Am 06. August diesen Jahres maschierten etliche „kleine, mobile Gruppen“ ukrainischer Soldaten in das Gebiet um die Kleinstadt Sudscha  (ca. 6000 Einwohner) ein und besetzten inklusive der Stadt rund 1000 km² russischen Boden.
Offizielles Ziel dieser Offensive ist laut ukrainischem Sicherheitsministerium die „Destabilisierung“ Russlands, laut Selenskyj selbst gehe es um „die Schaffung einer Pufferzone auf dem Territorium des Aggressors“.
Es ginge insbesondere darum, der russischen Zivilbevölkerung einen Geschmack des Krieges zu verpassen, und sie mit Involvierung in das Kriegsgeschehen zu Pazifisten zu erziehen.
Im Anbetracht der militärischen Wichtigkeit, bzw. Unwichtigkeit, von Kursk, ist es klar, dass mit der Kursk-Offensive ein anderes Ziel verfolgt wird.

In einer Stellungnahme ließ Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow verlauten, dass der ukrainische „Terrorangriff“ auf das Gebiet Kursk das Thema Friedensverhandlungen „für sehr lange Zeit erledigt“ habe.
Die Frage, nach welcher Formel ein künftiger Friedensschluss erfolgen sollte, war bislang Gegenstand der Verhandlungen, bei welchen Russland stets betont hatte, dass eine politische Regelung die „Realitäten am Boden“ berücksichtigen müsse, was impliziert, dass der Frontverlauf einbezogen werden sollte.
Diese Haltung ließ sich so lange vertreten, wie die Front ausschließlich auf ukrainischem Gebiet verlief.

Ziel der Operation war scheinbar zum einen, die russischen Truppenstärke in den schwer zu haltenden Fronten in den Donbass-Republiken abzuschwächen, sowie zum anderen das übergeordnete politische Ziel, diesen Krieg nicht enden zu lassen.
Nach Ukrainischen und amerikanischen Aussagen, waren die ukrainischen Bündnispartner „im Großen und Ganzen“ im Vorhinein über die Kursk-Offensive im Klaren gewesen.

Forever-War

Für die Führungsebene der Ukraine ist eine Verlängerung diesen Krieges von oberster Bedeutung, um die Beitrittsbegründung für die EU weiterhin oben zu halten.
Ein Staat wie die Ukraine, welche neben de-facto Aushebung der bürgerlichen Demokratie in sämtlichen Bereichen, das höchste Maß an Korruption im europäischen Raum hat, kann sich allein durch diesen Krieg und dessen westliche Beteiligung einen Eintritt in die EU und dessen Binnenmarkt erhoffen.
Ohne die Fortführung diesen Krieges ist das westliche Kapital, insbesondere die Rüstungsindustrie, nicht in der Lage ihre All-Time-High Profite zu erhalten.
Bedenkt man, dass die Rüstungslobby in den Vereinigten Staaten mit einem Budget von 886 Milliarden Dollar[2] ihres gleichen sucht, und auch in sämtlichen anderen NATO-Staaten die mächtigsten Kapital-Vertreter stellen, versteht sich schnell der Nutzen, welchen dieser Forever-War schon nun für das NATO-Kapital darstellt.

Die Rüstungskonzerne um Rheinmetall, Airbus und Thyssenkrupp haben sich mittlerweile auf den Andrang an Bestellungen eingestellt, und wollen auch in Zukunft die Gewinne ihrer großen Aktionäre schmackhaft hochhalten.

Rheinmetalls operatives Ergebnis ist im 1. Quartal 2024 noch einmal um 60% gestiegen; mit ihm natürlich auch die insgesamten Aufträge, welche noch einmal einen Sprung von 43% im Vergleich zum letzten Quartal verzeichnen konnten.

Die mit Abstand erfolgreichste Division der Rheinmetall AG ist die „Division Weapon“ welche mit 258,42% (Q1) Umsatzsteigerung nun einen Auftragsbestand von rund 6,4 Milliarden Euro behaupten kann.

Diese stramme Auftrags- und Umsatzmaximierung spiegelt sich selbstverständlich auch in dem Interesse der Aktionäre wider, welche seit dem Krieg in der Ukraine die Aktie der Rheinmetall AG um knapp 400% haben wachsen lassen.

Für die Herrschenden in Deutschland zahlt sich die Fortführung des Krieges in der Ukraine gleich doppelt aus; die Bundeswehr schafft es zum ersten Mal seit Jahrzehnten (fast) genug neue Leute zu rekrutieren und kann mit Pistorius als Verteidigungsminister die Kriegsmoral der Gesellschaft auf ein neues Hoch locken.
Durch die „Radio-Moskau“ Polemik schafft es dieser Krieg außerdem noch zwei Jahre nach dessen Beginn, der herrschenden Presse ein Totschlagargument für jede noch so fundierte Gegenposition zur weiteren Unterstützung diesen Krieges zu liefern.
In dessen Antithese wundert sich der liberale Sachverstand über den Aufschwung der AfD und des BSW, bei welchem die „Friedenssicherung“ den jeweils zweiten und ersten Wahlgrund laut Umfragen ausmacht.
(Mehr zum Rechtsradikalismus in Form der AfD hier)

Die undenkbare Eskalation diesen Krieges, welche sich im NATO-Kriegsgeschütz gegen russischen Boden ausdrückt, kommt den Herrschenden also gerade Recht.
Die Beratungen der USA und Großbritannien, der Ukraine nun „eine mögliche Freigabe solcher Raketenschläge“ (mit weitrechenden Raketen, welche Ziele tief im inneren Russland erreichen könnten) zu erteilen, würde von Russland als klarer Kriegseintritt derjenigen Staaten gesehen werden, welche sich an diesen Waffenlieferungen beteiligen würden, so Putin.

Das wird die Koalition der Willigen selbstverständlich nicht davon abhalten, auch diese Eskalation nach kurzem Verharren (wie beim kürzlichen Treffen zwischen Biden und Starmer) einzugehen.
So entspricht es der Logik dieser Kriegsführung, bei welcher Unklar bleibt, was genau das Endziel seien soll.
Es ist evident, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann, auch wenn sie sich in der Abwehr insb. durch Drohnentechnologie noch immer gut schlägt.

Trotzdem; ohne direkten Eintritt der NATO-Staaten in diesen Krieg, d.h. NATO-Truppen auf ukrainischem Boden, ist dieser Krieg unmöglich zu gewinnen.
Dass weiß auch die Ukraine, weshalb sie jeden Einsatz eines Friedensgespräches mit der Kursk-Offensive unmöglich gemacht haben, so zumindest laut Putin.

Aber was bleibt dem Westen denn übrig, außer weitere Milliarden gen Ukraine zu senden, neue Waffen zu senden und Eskalationen zu bewilligen?
Ein taktischer Rückzug westlicher Mittel aus der Ukraine, folglich der Kriegsgewinn Russlands, würde für das westliche Kapital Kreditverfälle von Milliarden bedeuten, für die Rüstungsindustrie ein Ende des Booms, der Verfall der Chancen auf das ukrainische Lithium, Erdgas, Metalle und Kohle, für den neuen deutschen Militarismus ein Ende der „Kriegstüchtigkeit“ und Stärkung des neuen Ostblocks.
Also: Augen zu und durch, Slawa Ukrajini!


[1] Keine Langstreckenraketen, diese wurden von Deutschland nicht geliefert.

[2] https://www.infosperber.ch/politik/welt/wie-die-ruestungslobby-in-den-usa-die-gesellschaft-durchdringt/

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