Rackete zündet: Wer braucht schon Marx!

Rackete zündet: Wer braucht schon Marx!

Die Taktik der Linkspartei, mit Personen wie Carola Rackete das liberal-aktivistische Milieu anzulocken geht nach hinten los.
Warum die Linkspartei so keine Erfolge erziehlen wird, und warum das Linksaktivistische Milieu sie nur weiter vom Marxismus entfernt.

Carola Rackete im Europa Parlament: Laut Alexander Ulrich ein „Wählerschreck“.

Reminder: Die rot-markierten Wörter sind Links, die zu entsprechenden Kritikpunkt-Artikeln führen.


Das Europäische Parlament (…) fordert die Mitgliedstaaten auf, Einschränkungen des Einsatzes westlicher Waffen gegen legitime militärische Ziele im Hoheitsgebiet Russlands unverzüglich aufzuheben, da diese die Ukraine daran hindern, ihr Recht auf Selbstverteidigung nach dem Völkerrecht in vollem Umfang auszuüben, und die Ukraine dadurch Angriffen auf ihre Bevölkerung und ihre Infrastruktur ausgesetzt ist. (Sie) betont, dass unzureichende Munitions- und Waffenlieferungen und Einschränkungen ihres Einsatzes die bisher unternommenen Anstrengungen untergraben könnten, und bedauert zutiefst, dass der Umfang der bilateralen militärischen Hilfe der Mitgliedstaaten für die Ukraine zurückgeht (…)“

So lies sich das Verfahren 2024/2799(RSP), „Resolution on continued financial and military support to Ukraine by EU Member States” vom 18.09 diesen Jahres.
Es geht hauptsächlich darum, dass die Ukraine ungehindert in der Lage sein soll, „legitime militärische Ziele in Russland anzugreifen, so die Abgeordneten“.
Die Ukraine muss ihr Recht auf Selbstverteidigung in vollem Umfang ausüben können, Das Parlament bedauert den rückläufigen Umfang der bilateralen militärischen Hilfe der EU-Länder für die Ukraine“.
Außerdem geht es darum, die EU und NATO-Staaten zu verpflichten, unabhängig vom gesamten Umfang der Rüstungsausgaben, „jährlich mindestens 0,25 % ihres BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine aufzuwenden.

Für die Resolution, welche klar erkennbar den letzten Schritt vor dem Beschuss des russischen Festlands mit NATO-Waffen darstellt, stimmten 425 Abgeordnete mit „Ja“, 131 votierten mit „Nein“, 63 enthielten sich.

Nun gut, dass diese Eskalation des Konflikts nur logisch ist und im Blick des liberalen Sachverstandes, welcher diesen Konflikt einzig als kontextlosen Angriffskrieg eines bösen Staates auf einen guten Staat betrachtet, auch erwünscht ist, ist evident.
So ist es auch kein Wunder, dass die bürgerlichen Fraktionen im EU-Parlament, namentlich bspw. die EPP oder ECR den Antrag (uneinheitlich) in überragender Mehrheit angenommen haben.
Die Rechtsextreme ESN hat, wie erwartet, den Antrag in großer Mehrheit abgelehnt – selbstverständlich aus der falschen Erkenntnis heraus, Russland sei ein unterstützenswerter Staat.

Was auffällt, und für den Inhalt diesen Artikels von Relevanz ist, sind die Abstimmungsergebnisse der drei deutschen Abgeordneten der „The Left“-Fraktion, namentlich die „Ja“-Stimme der über die Liste der Linkspartei eingezogene Abgeordneten Carola Rackete.
Die Liste der Linkspartei hat also mit Rackete und ihrer Stimme direkt zu der Eskalation des Krieges beigetragen.

Rackete ist als eine von drei deutschen Abgeordneten 2024 über die Liste der Linkspartei eingezogen, obwohl sie nicht Mitglied der Partei ist.
Rackete ist Aktivistin, Naturschutzökologin und Kapitänin – Bekanntheit erlangte sie als Kapitänin der Sea-Watch 3, als welche sie aktiv im Dienst der Seenotrettung 53 Menschen vor der lybischen Küste vor dem Meerestod rettete; ohne Zweifel ein ehrenwerter und solidarischer Akt.

Rackete ist trotz dessen ein Sinnbild für den Verfall der deutschen Linken.
Wie die Linkspartei selbst zugegeben hat, war die Listenplatzierung Racketes, ein „Fehler (…) die Partei kannte sie nicht, und sie kannte unsere Partei nicht.“
Die Behauptung der Linkspartei, welche mehr denn je mit der Bedeutungslosigkeit zu kämpfen hat, sie hätten die „Positionen nicht gekannt“, ist zumindest deshalb zweifelhaft, weil Rackete ganz klar und offen für das liberal-aktivistische Milieu steht, und als solche auch taktisch der Linkspartei dienen sollte.
Rackete sollte taktisch der weiteren Öffnung der Linkspartei gegenüber den linksliberalen Milieus bieten, welche sich nach und nach mit den Grünen und der SPD desillusioniert sehen.
Folge dessen war mit 2,7% das schlechteste EU-Wahlergebnis der Partei seit ihrer Gründung, hat also nur so semi funktioniert.

Rackete ist die Parabel dieses Versagens: „Links“ ohne historischen oder wissenschaftlichen Grundsatz, nach dessen Definition „Links“-sein de-facto mit dem Gutmenschentum, aber ohne klaren marxistischen Bezug zu verstehen ist.
Auf die gleiche Weise, wie sich Wähler:innen der Grünen als „Links“ erachten, versteht auch das Linksliberale Milieu, welches Rackete anlocken sollte, unter dem „Links“-sein, nicht mehr als oft oberflächliche Kapitalismus-Kritik, welche in großen Teilen nur leicht (wenn überhaupt) gegen den Status-Quo geht.
Beispiele für solch Oberflächliche Kritiken sind „Löhne hoch, Preise runter, Profite deckeln!“[1], der generelle sozialdemokratische Politikstil, welcher sich systemtragend für höhere Einkommenssteuern, Mindestlöhne und Entlohnung einsetzt, aber längst nichtmehr die Mechanismen hinter genannten Prozessen anprangert.  

Das gleiche gilt für die Friedenspolitik, bei welcher die Linke zwar Parteiprogrammatisch eine vernünftige Vertritt, aber eben nicht mit dem Milieu zusammenpasst, welches sie anzulocken vermeint.

Zum Krieg in der Ukraine sagte Rackete in einem Interview mit der TAZ; „Ich wünsche mir natürlich, dass die Partei eine ganz klare antiimperiale Haltung einnimmt. (…) Und dass wir nicht aus irgendwelchen historischen Zusammenhängen Autokraten und Diktatoren verteidigen dürfen, nur weil sie vielleicht eine linke Geschichte haben. Ob das jetzt in China, in Weißrussland oder in Russland ist.“
Also wieder; keine marxistische, tatsächlich „antiimperiale“-Kritik an dem Krieg in der Ukraine, welche die konkreten Machtbestreben beider Machtblöcke betonen würde, aber ein simples: Putin und Xi sind Autokraten, die Ukraine wurde angegriffen.
Auch im Kontext der Linkspartei, welche zumindest zur Volksrepublik China stehts, einen recht produktiven Diskurs (Sozialismus vs. Staatskapitalismus) eingehalten hatte, passt das Linksliberal-Aktivistische Milieu, welches sich klar zur bürgerlichen Demokratie bekennt, nicht.

Die neue Taktik und Besetzung der Linkspartei, welche in großen Teilen auch der linken Presse als „Coup der Linken“ (Stern) und „Lebenszeichen der Partei“ (Taz) gefeiert wurde, stellt sich bisher als Desaster für die Partei heraus.
Die Taktik, dem liberal-aktivistischem Milieu mit Personen wie Rackete schöne Augen zu machen, ist gerade die falsche Schlussfolgerung aus dem Niedergang der Linkspartei: Die potentiellen Wähler:innen der Linkspartei, wollen gerade keinen reingewaschenen Einheitsbrei, welcher in weiten Teilen dem sozialdemokratischem Status-Quo entspricht – das gilt sowohl für Marxist:innen als auch für ehemalige Stammwähler:innen im Osten, welche sich nicht zuletzt deshalb von der Linkspartei abgewendet haben, weil diese ihren Populismus verlernt haben.
Das gilt für Stramm-„Linke“ anliegen, wie den direkten Appell als sozialistische Themen, auch mit sozialistischer Rhetorik, als auch für Parteiübergreifende Themen wie die Friedensfrage, bei welcher es der Linkspartei nicht als möglich erscheint, dem Krieg in der Ukraine sowie dem Völkermord in Gaza einheitlich marxistische Positionen zuzuordnen.
Man stelle sich vor das wäre so; die Hälfte aller AfD-Wähler:innen nennt die „Friedenspolitik“ als Wahlgrund, tausende junge Leute wenden sich von der Linkspartei ab, weil diese nicht eindeutig den Völkermord in Gaza als solchen benennen.

Der Rückzug aus der Parteispitze Wisslers und Schirdewans vor rund einem Monat, welcher mit (viel zu später) Selbstkritik verbunden war, schafft Raum für neues, und untermauert gleichzeitig dieses (leider korrekte) Cliché, die Linkspartei sei zu instabil, um sie wählen zu können.
Diese Cliché adressiert die ex-Spitze ironischerweise sogar in ihrer Schlussrede; „Viele, die lange Zeit ihr Vertrauen in uns gesetzt und uns dafür gewählt hatten, haben den Eindruck: Ihr seid mit euch selbst beschäftigt, ihr seid nicht für uns da“.

Trotz alledem; die neue Kandidatin für den Parteivorstand, Ines Schwerdtner, macht tatsächlich ein klein wenig Hoffnung.
Die Ostdeutsche Publizistin war zuvor Chefredakteurin der deutschen Jacobin und schrieb darüber hinaus schon für die Analyse & Kritik sowie den Freitag.
Die Parteigenossin von Angern sagte gegenüber der dpa „Sie ist nicht Berliner Bubble“, was sie auch tatsächlich nicht zu schein mag.
Als Chefredakteurin der Jacobin bemühte sie sich, Klassenfragen wieder offener zu besprechen, und kritisierte offen Identitätspolitische Anliegen anstelle von Klassenfragen.
Aufregend ist ein ganz kleiner Akt der Symbolpolitik, nämlich das Schwerdner vor der Europawahl davon sprach, sie würde ihr „Mandatsgehalt auf den Durchschnittslohn beschränken und den Rest an die Partei die Linke und in einen Sozialfonds geben“, ein von Lenin inspirierter Solidaritäts-Akt, welcher zumindest für die steiermärkische KPÖ große Erfolge brachte.


[1] Profite gehören nicht gedeckelt, sie gehören abgeschafft, so zumindest nach dem Erbe „Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts“, welches die Linkspartei behauptet zu vertreten.

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