2. „Du bist dran, Doktor“
2. „Du bist dran, Doktor“
Der syrische Bürgerkrieg, wessen Interessen dort vertreten werden und wie sich Rojava etablieren konnte.

Das ist Teil 2 der Reihe „Syrien & alles dreht sich um Rojava“.
So war es 2011 keine Überraschung, als das Assad-feindliche Grafitti einiger Jugendlicher in Daraa, und ihre anschließende Folter, den Revolutionsgeist der anderen Staaten des arabischen Frühlings nach Syrien trugen.

Bis 2012 brachte die „Syrische Revolution“, welche sich zum Großteil an bürgerlichen (dennoch fortschrittlichen) Demokratie und Sozialstaat-Anliegen interessierte, hunderttausende Menschen auf die Straße.
Der folgende Bürgerkrieg brachte rund 500.000 Menschen in den Tod, und die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Völkermord in Ruanda.
Die Partiya Yekîtiya Demokrat, die Partei der Demokratischen Union (PYD), verfolgte zu Beginn der syrischen Revolution eine Taktik, die insbesondere das Ziel hatte, einen direkten Konflikt mit Assads Syrien zu vermeiden.
Es ist zu vermuten, dass diese konfrontationslose Beziehung der PYD zu Assad, der Grund für den unerwarteten Rückzug der syrischen Truppen aus den kurdischen Gebieten Nordsyriens im Jahr 2012 war.
Die Vermeidung der Konfrontation mit Assad ermöglichte es der PYD, schon Jahre zuvor basisdemokratische Rätestrukturen zur Vorbereitung auf Selbstverwaltung in den kurdischen Gebieten vorzubereiten, welche aber vorerst noch verdeckt blieben.
Das anschließende Machtvakuum in der Region Westkurdistan (Nordsyrien) in Kombination mit der vorherigen Etablierung der PYD als kurdische Volkspartei in Nordsyrien erlaubte es der PYD, im Juli 2012 de-facto die Macht zu übernehmen.
Die geheimen Rätestrukturen in Nordsyrien konnten nun durch den Abzug Assads Armee öffentlich werden.
Die weitere Taktik des „Vorerst keinem auf die Füße treten“, erlaubte es den kurdischen Gebieten vorerst (verglichen zum Rest des Landes) relativ wenige Kampfhandlungen zu verzeichnen und sowohl mit Assad als auch zur syrischen Opposition konfrontationsfreie Zweckbeziehungen zu führen.
So gründete sich noch Ende 2011 die TEV-DEM (Zaw’o d’Kensho Demoqraṭoyo, Bewegung für eine Demokratische Gesellschaft), welche die weitere Organisation der kurdischen Bevölkerung in Nordsyrien unterstütze.
Der Rückzug Assads Truppen eröffnete den kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen ab Mitte 2012 die Möglichkeit, die Kontrolle über drei geographisch voneinander getrennte Gebiete zu erlangen; die Kantone Kobanê, Efrîn und Cizîrê.
Obwohl diese Gebiete nicht miteinander verbunden waren, gelang es TEV-DEM, in allen drei Kantonen Selbstverwaltungsstrukturen aufzubauen und eine koordinierte Basis zu schaffen.
Der TEV-DEM gelang es, die Infrastruktur bzgl. Lebensmittelversorgung und Stromversorgung aufrechtzuerhalten und die Rätestrukturen in den Städten und Dörfern auszubauen.
Im Sommer 2012 kam es zu den ersten schweren Auseinandersetzungen zwischen den kurdischen Gebieten und der Türkei, als türkisch finanzierte Rebellen versuchten, u.a. durch Infiltration oppositioneller kurdischer Parteien in Nordsyrien, das Projekt der Selbstverwaltung zu brechen.
Infolge zentralisierte die PYD die Macht temporär und gründete offiziell die Yekîneyên Parastina Gel (Volksverteidigungseinheiten, YPG), welche von nun an die kurdische Autonomie verteidigen sollten.
Die Gründung der YPG erfolgte im Kontext eines de-facto Nichtangriffspakts mit der Syrischen Regierung, mit welcher Syrien mittlerweile darauf abzielte, mit der YPG eine befreundete Miliz zu begrüßen.
Die YPG war jedoch niemals eine Parteigebundene Armee und fungierte von Beginn an über intern demokratische, parteiunabhängige Organisation außerhalb der PYD.
Neben der YPG gründete stellte sich 2012 die Yekîneyên Parastina Jin (Frauenverteidigungseinheiten, YPJ) auf.
Der Anteil der Frauen innerhalb der YPG ist rund 40%, und zählt grob 50.000 Kämpfer*innen.
Die Gründung einer untergeordneten Kampfeinheit ausschließlich für Frauen basiert auf der in Teil 1 aufgeführten Vorstellung der Frau als Inhaberin einer außerordentlich gefährdeten Rolle seitens kapitalistischer und faschistischer Aggression.
Dabei sein ist alles
Die syrische Revolution sah die Gesamtheit der Regionalen Kräfte in einem Kampf um die Vorherrschaft über die Zukunft Syriens.
Der Iran und Russland an der Seite Assads und die USA, Katar und Saudi-Arabien an der Seite der Opposition.
Die Türkei folgte 2016 mit ihrer Intervention gegen die Bildung Rojavas.
Die großen Imperialistischen Kräfte der Welt sahen und sehen sich in Syrien als geopolitischen Spielplatz um die Vorherrschaft in der Ressourcen-reichen Region interessiert.
Der Syrische Bürgerkrieg war noch mehr als andere Konflikte in der Region von inneren und äußeren Widersprüchen geprägt, eine Tatsache, die sich auch in der oft verwirrenden Bündnisbildung widerspiegelt:
Assad wurde und wird maßgeblich von Russland und dem Iran, sowie deren verbündeten Gruppen, unterstützt.
Russland flog seit 2015 Luftangriffe, lieferte Waffen und sicherte strategische Stützpunkte, während der Iran Revolutionsgarden, schiitische Milizen und logistische Unterstützung für Assad bereitstellte.
Die Hisbollah kämpft(e) seit 2013 an der Seite Assads, verfolgt aber insbesondere das Eigeninteresse der Sicherung von Waffenlieferungen in ihrem Kampf gegen Israel.
Die Opposition, zunächst vertreten durch die Freie Syrische Armee (FSA), wurde von der Türkei, Saudi-Arabien, Katar und Jordanien unterstützt. Die Türkei griff später direkt militärisch ein, vor allem zur Bekämpfung der Autonomiebestreben in Rojava, um ihre geopolitischen Interessen in Nordsyrien zu sichern.
Die USA unterstützten oppositionelle Gruppen und konzentrierten sich später auf den Kampf gegen den IS, indem sie die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) unterstützten.
Die SDF gründete sich gründete sich 2015 in Anbetracht der Bedrohung des Islamischen Staates und setzt sich aus den Volksbefreiungseinheiten sowie sunnitisch-arabischen Kräften, dem christlichen assyrisch-aramäischen Militärrat der Suryoye und der kurdisch-turkmenischen Katāʾib Schams asch-Schimāl zusammen.
Die Unterstützung der YPG seitens der USA sollte zu Beginn die Abhängigkeit Nordsyriens zum US-Imperialismus sichern, wodurch die USA ihren Einflussbereich innerhalb Kurdistans hätten erweitern können.
Es ist klar, dass es der amerikanischen Unterstützung der kurdischen Kräfte nicht um irgendwelche emanzipatorischen Anliegen ging:
Die YPG (bzw. SDF) stellten lediglich die Bodentruppen für die US-geführte Luftkriegskoalition im Kampf gegen den IS.
Zudem konnten die USA mit ihrer Intervention sicherstellen, dass keine Landverbindung zwischen dem Iran und dessen Verbündeten, Assad und der Hisbollah, entsteht.
Dafür nahmen die USA in Kauf, dass die YPG einen beträchtlichen Teil Syriens erobern und den Staat Rojava etablieren könnte.
Al-Qaida nahe Gruppen und der IS erhielten teilweise finanzielle Unterstützung durch private Netzwerke in den Golfstaaten, der Ableger der Al-Qaida in Syrien (Hayat Tahrir al-Sham (HTS)) darüber hinaus von der Türkei.
Israel griff Stellungen des Iran und der Hisbollah in Syrien an, um deren Einfluss auch bzgl. der Unterstützung des palästinensischen Widerstands einzudämmen.
Frankreich, Großbritannien und Deutschland beteiligten sich an der Anti-IS-Koalition – fast absurd, wenn man bedenkt, dass gerade die Intervention der „Koalition der Willigen“ im Irak 10 Jahre zuvor durch das entstandene Machtvakuum den Nährboden für den islamischen Staat gelegt hat.
Der Islamische Staat
Innerhalb der syrischen Opposition gewannen islamistische Bewegungen schon seit Beginn des Bürgerkriegs an Bedeutung.
Mit Hilfe türkischer Unterstützung konnte die Al-Nusra Front (die syrische Al-Qaida) als mehr oder weniger unabhängige Kraft auftreten und bereits Ende 2012 Angriffe auf die kurdische Stadt Serêkaniyê anführen.
Der erfolgreiche Widerstand der YPG gegen die islamistischen Kräfte in Serêkaniyê war der erste ihrer Art und stärkte die YPG als legitime Verteidigungsarmee für die Menschen im neu etablierten Rojava.
2013 schloss sich dann (auch in Folge der Niederlage gegen die kurdischen Kräfte) die Al-Nusra Front mit dem ISI (islamischer Staat im Irak) zusammen und beschloss den neuen Namen „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ (ISIL bzw. ISIS).
ISIS konnte durch radikale Aktionen und unglaubliche Gewaltbereitschaft im Kontext des fragilen Staatswesens noch im Laufe 2013 mehrere große Städte einnehmen, u.a. Raqqa, Al-Bab und Ǧarābulus – allesamt in Rojava.
Das schnell zusammenbrechende syrische Gewaltmonopol ließ ISIS in ungeheurer Schnelligkeit weite Teile Syriens und Rojavas einnehmen.
Im Oktober 2014 kontrollierte ISIS ca. die Hälfte des gesamten Syrischen und Kurdischen Staatsgebiets. (dieser nannte sich nach der Aufrufung des Kalifats 2014 nur noch „IS“).
Im Januar 2015 bestand das Vermögen des IS aus rund zwei Milliarden Dollar mit täglichen Einnahmen von vielen Millionen US-Dollar (bis zur Bombardierung der Ölfelder betrag allein der tägliche Verkaufswert des kurdischen Öls rund 3 Millionen Dollar).
Die Schlacht um Kobanê
Im September 2014 begann der IS seinen Großangriff auf Kobanê, Ost-Rojava.
Die „Schlacht um Kobanê“ gilt bis dato als einer der größten, koordiniertesten Offensiven des IS.
Während der Schlacht konnten YPG die Unterstützung der irakisch-kurdischen Peshmerga, der Freien Syrischen Armee und der US-geführten Anti-IS-Koalition gewinnen.
Die USA waren neben ihren geopolitischen Interessen in der Region durch die weiten internationalen Solidaritätsaktionen mit Kobanê dazu veranlasst, Rojava mit Luftschlägen zu unterstützen.
Die Türkei verbot es der syrischen Luftarmee Kobanê bzgl. der Verteidigung zu unterstützen, sie hätte in Verbündung mit Israel sämtliche syrische Luftunterstützung abgeschossen. [1]
Die Türkei verfolgte mit ihrer Politik während der Schlacht um Kobanê die Hoffnung, der IS würde die kurdische Autonomie zerschlagen und das Kurdenproblem lösen.
Während der Schlacht wurden Terroristen des IS in türkischen Krankenhäusern behandelt und später wieder nach Syrien gelassen, um ihren Kampf dort fortzuführen.
Die Türkei verbot es Kurd*innen von türkischem Staatsgebiet aus nach Rojava zu reisen, um dort ihre Autonomie zu verteidigen.
Deutschland beteiligte sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Anti-IS Koalition; die Linkspartei forderte, man solle „die Türkei dazu zwingen (…) die Grenzen für die IS-Terroristen vollständig zu schließen und die Unterstützernetzwerke im Land zu beseitigen“.
Bis Anfang 2015 konnte die YPG rund 80% Kobanês zurückerobern; am 26. Januar 2015 verkündeten die kurdischen Kräfte die Schlacht um Kobanê als beendet.
In der Schlacht um Kobanê bewies die neue kurdische Selbstverwaltung mit ihrer Fähigkeit zur Massenmobilisierung und Verteidigung objektiv und symbolisch die Fähigkeit, die kurdische Selbstverwaltung nachhaltig aufrechterhalten zu können.
Nach dem Sieg über den IS in Kobanê setzte die internationale Koalition ihre Zusammenarbeit mit den kurdischen Kräften fort, um weitere Städte vom IS-„Kalifat“ zu befreien.
Die SDF befreiten Städte wie Minbic und Raqqa, was schließlich im März 2019 zur vollständigen Zerschlagung der territorialen Herrschaft des IS in Syrien führte.
Nach der Befreiung Kobanês beschlossen die kurdischen Autonomen Regionen in Nordsyrien die offizielle Proklamierung des Federaliya Demokratîk a Rojava, kurz Rojava (Westkurdistan).
Faschistische Aggression
Die Hoffnung, der IS könne das Kurdenproblem in Rojava für die Türkei lösen, stellte sich ab der Befreiung Kobanês als falsch heraus.
Die YPG (bzw. SDF) bewiesen sich als wichtigste Kraft oberhalb Hama, den IS-Faschismus zu stoppen.
Die Guerillataktiken der YPG, in Verbindung mit der immensen internationalen Solidarität, Spenden und Personeller Unterstützung stellten sie in vielen Schlachten als einzige Kraft heraus, den IS trotz personeller Unterlegenheit zu schlagen.

Die Kampfmoral der Kurd*innen und anderer, die unter dem Banner Rojavas kämpften und kämpfen stammt nicht nur aus ihrer kurdischen Emanzipation, sondern aus ihrer Identität als Menschen, als Frauen.
Die Frauen der YPJ entfalteten mit ihrem Projekt die radikalste Frauenbefreiung seit dem Frauenwahlrecht; ihr Feind war nicht nur die Türkei und der IS, ihr Kampf dient der Befreiung der Frau aus ihrer dreifachen Unfreiheit: Die der Ausbeutung, des Mannes und der radikalen Religion.
So sah es die Türkei 2016 als notwendig, Völkerrechtswidrig (Artikel 51), selbst in das Kriegsgeschehen einzugreifen, um die Kurdenbefreiung einzudämmen.
Im August 2016 erfolgte seitens türkischer Streitkräfte in Kooperation mit verbündeten syrischen Rebellen eine Grenzüberquerung nach Syrien, welche das vermeintliche Ziel verfolgte, den IS aus der Grenzregion zu vertreiben und die Kontrolle über die Grenzgebiete zu sichern.
Die Operation „Euphrates Shield“ nahm ihren Anfang mit der Einnahme der Stadt Ǧarābulus, mit welcher die Türkei der SDF zuvorkommen wollte.
Die SDF hatte wenige Tage zuvor die Stadt Manbiǧ vom IS befreit, und hatte begonnen, den IS bis nach Ǧarābulus zurückzutreiben, wo er nun auch besiegt werden sollte.
Für die Türkei hätte die kurdische Kontrolle über Ǧarābulus bedeutet, dass Rojava einen zusammenhängenden Streifen Land kontrollieren würde und seine Defensive sowohl gegen den IS als auch gegen die Türkei hätte zentralisieren können.
In den darauffolgenden Wochen wurden weitere Gebiete entlang der Grenze eingenommen, wobei es zu offenen Kampfhandlungen zwischen der Türkei und der YPG kam.
Im Verlauf der Offensive stießen die türkischen Truppen und ihre Verbündeten weiter nach Süden vor und nahmen strategisch wichtige Städte wie al-Bab (100.00 Einwohner*innen) ein.
Seit der Operation „Euphrates Shield“ bombardiert die Türkei regelmäßig zivile Gebiete in Rojava um den Aufbau der Selbstverwaltungsstrukturen zur kurdischen Emanzipation so weit wie möglich zu verhindern.
Im Januar 2018 sollte sich die strategische Bedeutung der ersten türkischen Intervention in Syrien herauskristallisieren:
Während mit der Operation Euphrates Shield der direkte Verbindungsweg für die SDF zwischen Minbic und Efrîn gekappt wurde, startete die Türkei mit der „Operation Olivenzweig“ eine Offensive in Nordsyrien, die sich dieses Mal direkt gegen das Herz der Selbstverwaltung in Efrîn richtete.
Im Oktober 2019 folgte die „Operation Friedensquelle“, bei der die Türkei Gebiete zwischen den Städten Serêkaniyê und Girê Spî in Rojava besetzte, was zur Flucht von über 200.000 Menschen in die umliegenden Staaten und Europa führte, rund 450 Zivilist*innen verloren ihr Leben.
Die Heuchelei der amerikanischen Unterstützung für Rojava zeigte sich 2019, als die Trump-Administration beschloss, die amerikanischen Truppen aus Rojava abzuziehen.
Von Anfang an, war die Unterstützung Rojavas seitens der USA nicht auf Dauer geplant: Die USA hatten seit Anbeginn ihrer Unterstützung nur eine begrenzte Anzahl an Truppen zur Ausbildung der YPG und deren arabischen Bündnispartnern bereitgestellt, der YPG wurde zu keinem Zeitpunkt die notwendige Ausrüstung zur eigenständigen Verteidigung des Gebiets zur Verfügung gestellt.
Die USA betrachten die YPG lediglich als Bündnispartner, solange diese politisch und militärisch abhängig blieben.
Dies wurde ersichtlich, als die türkische Armee den nordwestlich gelegenen kurdischen Kanton Efrîn im Kontext der „Operation Olivenzweig“ (s.o.) überrollte; die USA sahen sich nicht veranlasst, die Kurd*innen gegen die türkische Aggression zu unterstützen, da Efrîn aus geostrategischer Perspektive keinen Wert bei der Eindämmung des iranischen Einflusses in Syrien besitzt.
Die fortlaufende türkische Aggression gegen Rojava drückt sich durch ständige Bombardierung ziviler Infrastruktur, ständigen Versuchen, weitere Gebiete Rojavas zu besetzen, und systematischer Zerstörung sämtlicher Lebensgrundlagen aus.
Zum Zweck der Zerstörung der kurdischen Selbstverwaltung erlaubt die Türkei das Passieren von IS-Kämpfern über ihre Grenzen und erlaubte Geldtransfers in Millionenhöhe zwischen IS-Netzwerken in der Türkei und Syrien.
Der Horror, dem die Menschen in Rojava insbesondere durch die türkische Aggression auszusetzen sind, ist ähnlich wie die Situation in Palästina.
Im Oktober 2023 führte die Türkei in Kooperation mit jihadistischen Kräften aus der Region Idlib knapp 600 Luft- und Bodenangriffe durch, welche rund 80% der gesamten Infrastruktur Rojavas zerstörten.
In den folgenden Monaten waren ca. 5 Millionen Menschen in Rojava ohne Wasser oder Strom, der Artilleriebeschuss ging unterdessen weiter.
Begründung findet der türkische Staat in der erfundenen Verbindung zwischen dem Selbstverwaltungsprojekt und Angriffen der PKK: Die genannte Bombardierung legitimierte die Türkei durch ein PKK-Attentat, dessen Täter scheinbar aus Rojava gestammt hätten (ohne beweise).
Die Angriffe gegen Rojava weiteten sich auch gegen Nordirak-Kurdistan aus, unter dem Vorwand, dass dort auch PKK-Netzwerke existieren würden.
Die Türkei legitimiert ihre Völkermord-Vorhaben in Rojava auf die gleiche Weise, wie Israel seinen Völkermord in Palästina legitimiert.
Die vorhandenen, lange anhaltenden Angriffe auf zivile Infrastruktur dienen in Beiden Fällen der Ausdünnung der Bevölkerung, mit der Hoffnung, dass die Menschen, welche noch übrig bleiben, sich früher oder später einfach ergeben und die Gebiete den jewelligen Kapitalinteressen untergeordnet werden können.
Jeder noch so offensichtlich Völkermörderische Angriff wird durch die Existenz vergangener PKK-Angriffe legitimiert, auf die gleiche Weise, wie Israel jedes Krankenhaus-Bombardement mit dem möglichen Vorhandensein von Hamas-Kämpfern befugt.
In den Schulen der schon besetzten kurdischen Gebieten wird heute kein kurdisch mehr gelehrt, sondern türkisch und arabisch.
Die öffentlichen Gebäude im besetzten Afrin tragen heute türkische Aufschriften, kurdische Feierlichkeiten sind untersagt.
Dass die Türkei nicht einfach eine Großoffensive gegen Rojava startet und die autonomen Gebiete einfach endgültig besetzt, hat den Grund, dass die Verbündeten Staaten (auch Deutschland) Drohnen- und Bombenangriffe eher in verschwiegener Toleranz annehmen können, als weitgefächerte Bodenoffensiven:
„Sie werden von der internationalen Gemeinde eher toleriert als groß angelegte Invasionen und Besatzungen (…) Die meisten Medien berichten nicht einmal über solche Angriffe. Das ist unter anderem dem Drohnenkriegskonzept des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama zu verdanken. (…) Wie die USA in Afghanistan, im Jemen und in Pakistan verkaufe auch die Türkei Drohnen als humane Alternative innerhalb sogenannter Antiterroroperationen.
Dabei macht die Türkei aber keinen Unterschied zwischen kämpfenden und zivilistischen Personen. (…) Mit diesem Konzept kann jedes Ziel als legitim charakterisiert werden (…) Damit wird die Möglichkeit, diese Angriffe auf Kriegsverbrechen zu untersuchen und eventuell anzuklagen, erschwert.“
(Dilar Dirik, Jacobin)
[1] https://www.rudaw.net/english/interview/29092014