Artikelkritik: Die Linke, trotz allem bloß ein Wegbereiter des Bestehenden

Kritik: Die Linke, trotz allem bloß ein Wegbereiter des Bestehenden

„Ohne Linkspartei wäre das Linkeste im Bundestag ein Robert Habeck.“ Und mit ihr? Ein Jan van Aken. Was das bedeutet – und was nicht – das soll diese Kritik umreißen.

 Eine solche Feststellung mag als Argument für die Notwendigkeit der Linkspartei intendiert sein, illustriert jedoch vielmehr deren inhaltliche Irrelevanz. Was genau soll der Zugewinn sein, wenn im Parlament eine Partei sitzt, die sich auf die bloße Verwaltung des Kapitalismus mit einem sozialen Anstrich beschränkt?
Der Bundestag ist keine Bühne für grundlegende Gesellschaftskritik, sondern die zentrale Institution der politischen Herrschaft in der kapitalistischen Ordnung. Sein Zweck ist es, diese zu bewahren und zu gestalten – nicht, sie zu hinterfragen oder gar zu überwinden.
Wer sich an diesem Betrieb beteiligt, übernimmt zwangsläufig dessen Funktionslogik und Ziele oder wird vorher verboten.

Die Linkspartei selbst stellt an diese Verhältnisse keine fundamentalen Ansprüche. Sie fordert lediglich eine „sozialere“ Ausgestaltung der Marktwirtschaft, bleibt also den Rahmenbedingungen und Regeln des Systems treu, das sie doch angeblich verändern möchte. Mit ihren Reformforderungen bewegt sie sich fest im Korsett des Parlamentarismus, das keinen Raum für radikale Kritik bietet. Wer behauptet, diese Partei sei unverzichtbar, da sie die „letzte linke Stimme“ im Parlament sei, offenbart vor allem eines: eine resignative Akzeptanz der Spielregeln, die die bürgerliche Demokratie vorgibt.

Parlamentarismus: Die institutionalisierte Neutralisierung von Kritik

Der Vorschlag, den Bundestag „lediglich“ als Bühne zu nutzen, scheitert an der strukturellen Funktion des Parlamentarismus. Diese Institution dient nicht als neutraler Raum, in dem oppositionelle Positionen frei artikuliert werden könnten, sondern als integrativer Mechanismus, der Widersprüche kanalisiert und unschädlich macht. Selbst eine Partei, die den Anspruch erhebt, von außen kommende Kritik in den parlamentarischen Rahmen zu tragen, wird durch die Erfordernisse der Mehrheitsbildung, der Kompromissfindung und des Stimmenfangs deformiert.

Die Linkspartei illustriert dies in exemplarischer Weise. Auch ohne einen ernsthaften Regierungsanspruch unterwirft sie sich den Zwängen, die jede demokratische Partei prägen: die Orientierung an Wählerstimmen, die Anpassung an den öffentlichen Diskurs und die Aufgabe radikaler Positionen zugunsten akzeptabler Kompromisse. Selbst der Verzicht auf Regierungsbeteiligung schützt sie nicht vor der Notwendigkeit, „Realpolitik“ zu betreiben – eine Politik, die von vornherein auf systemimmanente Verbesserungen beschränkt und auch ganz ohne Regierungsanspruch unausweichlich ist. Was bleibt, ist eine Partei, die als Ventil für Unzufriedenheit dient, ohne diese jedoch jemals über den Rahmen des Bestehenden hinausführen zu können.

Reformismus: Die politische Verharmlosung der kapitalistischen Ordnung

Der Kern des Reformismus, den die Linkspartei verkörpert, ist die Illusion, dass der Kapitalismus sozialer, gerechter oder humaner gestaltet werden könnte, ohne dessen Grundlagen anzutasten. Ihre Forderungen sind daher zwangsläufig moderat und darauf bedacht, die Grundpfeiler des Systems – Privateigentum, Lohnarbeit, Konkurrenz – nicht zu gefährden. Der Reformismus ist keine Brücke zu einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse, sondern deren ideologische Absicherung. Er suggeriert, dass der Kapitalismus sich mit den richtigen politischen Entscheidungen so gestalten ließe, dass seine destruktiven Wirkungen gemildert werden könnten.

Die Linkspartei ist damit weniger ein Instrument der Veränderung als ein Stabilitätsfaktor. Indem sie die Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen auf systemkonforme Forderungen reduziert, leistet sie einen Beitrag zur Befriedung sozialer Konflikte. Sie sorgt dafür, dass der Kapitalismus als alternativlos erscheint – nur eben in einer „sozialeren“ Variante. Wer behauptet, diese Partei sei notwendig, weil sie wenigstens gegen Abschiebungen protestiere oder soziale Missstände benenne, ignoriert, dass auch dies Teil ihrer systemstabilisierenden Funktion ist. Solche moralischen Appelle mögen das Gewissen beruhigen, sie verändern jedoch nichts an den grundlegenden Verhältnissen, die diese Missstände produzieren.

Zudem gibt man sich einer Selbsttäuschung her, wenn man die eben noch die mit der Diagnose  „untauglich“ versehene Partei im nächsten Absatz als unabdingbar darstellt.

Die Konsequenz des Parlamentarismus: Integration statt Opposition

Die Vorstellung, dass Marxisten das Parlament als „Sprachrohr“ nutzen könnten, beruht auf einer Fehleinschätzung der Funktionsweise bürgerlicher Demokratie. Das Parlament ist keine Bühne für fundamentale Opposition, sondern ein Mechanismus zur Integration gesellschaftlicher Konflikte. Wer sich daran beteiligt, unterwirft sich den Zwängen dieses Apparats: der Notwendigkeit, Mehrheiten zu gewinnen, Kompromisse einzugehen und sich an die Spielregeln des demokratischen Diskurses zu halten. Das Ergebnis ist eine schrittweise Anpassung, bei der radikale Kritik abgeschwächt und schließlich aufgegeben wird.

Die Linkspartei zeigt, wohin dieser Weg führt. Auch Marxisten in ihren Reihen werden entweder integriert, marginalisiert oder ausgeschlossen. Namen wie Kilani illustrieren, dass die radikale Kritik am Kapitalismus innerhalb einer Partei, die sich den Regeln des Parlamentarismus unterwirft, keinen Platz hat. Die Suche nach Wählerstimmen und die Einhaltung der demokratischen Spielregeln machen es unmöglich, Positionen zu vertreten, die die Grundlagen des Systems infrage stellen. Der Parlamentarismus neutralisiert radikale Ansprüche und wandelt sie in folgenlose, moralisierende Appelle um.

Bessere Wege der Agitation

Die parlamentarische Politik ist nicht nur ineffektiv, sondern durch ihre verkehrten Analysen kontraproduktiv für jede ernsthafte revolutionäre Bewegung.  Statt sich in parlamentarischen Illusionen zu verlieren, sollte die politische Agitation sich auf außerparlamentarische Organisationen und Theoriearbeit konzentrieren. Marxistische Zeitschriften, Organisationen und Bewegungen bieten weit mehr Möglichkeiten, die grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Ordnung zu analysieren und praktische Gegenwehr zu organisieren.

Das Wahlkreuz für die Linkspartei, das angeblich ein taktischer Schritt sein soll, ist letztlich ein Beitrag zur Stabilisierung des Systems. Wer die Linkspartei wählt, legitimiert die kapitalistische Ordnung, die sie nicht infrage stellt, sondern lediglich „menschlicher“ gestalten möchte.

Daran ändert auch das edle Anliegen, die Linke retten zu wollen, nichts. Denn auf dem Wahlzettel steht nun mal nicht, dass dieser nur dafür ausgefüllt wurde und die bürgerliche Demokratie als solche vom Wähler abgelehnt wird. Dafür ist der Wahlzettel auch gar nicht gemacht.

Diese Form des Reformismus ist kein Schritt in Richtung gesellschaftlicher Emanzipation, sondern eine Verfestigung des Bestehenden. Auch Abschiebungen nach Syrien werden nicht verhindert, nur weil die Linkspartei sie moralisch verurteilt. Die staatlichen Machtverhältnisse bleiben davon unberührt, solange ihre Grundlagen nicht infrage gestellt werden.

Warum es keine radikale Partei im Parlament gibt

Der Artikel beklagt das Fehlen einer radikalen Partei im Bundestag, die die „grundlegenden Mechanismen des Systems aufdeckt“. Doch diese Feststellung ist naiv. Eine solche Partei gibt es nicht, weil der bürgerliche Staat keine radikale Opposition duldet. Jede Partei, die den Kapitalismus ernsthaft infrage stellen würde, würde entweder verboten oder gezwungen, ihre Positionen so weit zu mäßigen, dass von ihrer ursprünglichen Radikalität nichts übrig bliebe. Der Parlamentarismus ist darauf ausgelegt, solche Tendenzen zu integrieren oder auszuschalten.

Fazit: Mit der Linkspartei ist nichts zu gewinnen

Die Existenz der Linkspartei ist kein Argument für ihre Legitimität, sondern ein Beleg für die systemische Funktion des Reformismus. Sie ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Ihre moralischen Appelle und kosmetischen Reformforderungen stabilisieren den Kapitalismus, indem sie ihn als reformierbar darstellen. Wer sich ernsthaft für die Überwindung der herrschenden Verhältnisse einsetzt, muss den Parlamentarismus und damit auch die Linkspartei ablehnen.

Wer heute „trotz allem“ wählt, wird morgen die gleichen Ausreden finden, um sich an der Stabilisierung der Verhältnisse zu beteiligen. Stimmen kann die Linkspartei nie genug haben – und das System, dem sie dient, auch nicht.

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KenH

In this point, you’re absolutely correct. The imperial core lacks any real radical parties at all, there is no alternative whatsoever in Germany and the creation of an expressly Marxist-Leninist one will be cracked down on worse than in the days of West Germany’s attempt to destroy the Communist Party of Germany (then by a different name, of course). This leaves us with a couple options: go the route of rejection of parliamentarism in its current state, create horizontally-focused parties in the left-wing areas that we can find, spread outwards, and desperately try to recreate German culture to the proletarian lens, as the greatest weakness that enables the AfD (besides the open collaboration of the rest of the parties) is the lack of willingness to allow for German culture to grow, due to its reactionary infusion with the fascist scourge in the 30s. If the main points of the right can be overturned and satisfied, obviously in the most proletarian and anti-imperialist sense of the word, the flow to the right organically can be cut off slowly. Then it’s a matter of brain drain from the main parties, especially Die Linke and some barely existing remnants of radicalism in some of the more resigned members of the SPD.

Let’s explain what I am NOT saying though: I am not saying rewind to the 30s culture-wise, I am not saying to collaborate with Die Linke or the SPD and Greens, and I am not saying that the German left (whatever of it even exists) is just going to create rallies larger than during the Spartacus League’s day. What I am saying is simple: the centrists and leftists of Germany have neglected that the grievances caused by the West German era are the single largest cause of the current reactionary shift, not simply a decline of the U.S. Empire or the neoliberal establishment of the parties. This is an intentional byproduct, the days of the far-right are realigning, and as before, every effort must be taken to liberate the minds of the German masses from the lies told by the centrists and the “solutions” of the far right. This is the principle contradiction of German politics right now, and though I myself am by no means a German, nor have I long watched Germany, but this is my diagnosis based upon what I have seen, hence why I am absolutely not very in-depth in my analysis. By all means, anyone who reads this is allowed to discredit every statement I make, but the opinions of this critique above my own are completely accurate, I merely wish to add on words when I can.