Wem nützt der Krieg?
Wem nützt der Krieg?
Trumps Wunsch, den Krieg zu beenden und die Ukraine zur amerikanischen Kolonie zu machen schneidet die Pläne der EU, diesen Krieg auf ewig zu führen.
Aber die EU weiß sich zu helfen: 700 Milliarden für die Ukraine, verplappert sich Baerbock.
Aber für das US-Kapital lohnt sich dieser Krieg nicht mehr; warum das europäische Kapital ein Ende des Krieges nicht riskieren kann, und warum die Vereinigten Staaten den Stecker ziehen.

Reminder: Die rot-markierten Wörter sind Links, die zu entsprechenden Kritikpunkt-Artikeln führen.
Die Kapitalvertreter der EU sind in Aufruhr durch Trumps Ukraine-Pläne.
Trump, der auf ein schnelles Ende des Ukraine Krieges im Gegenzug zu der Hälfte der ukrainischen Bodenschätze drängt, hatte angekündigt, die militärischen Hilfen für die Ukraine massiv zu senken.
Für Europa bedeutet das im Umkehrschluss, man stehe zukünftig allein in der Finanzierung der Ukraine da.
Das Saudi-delegierte Treffen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten wurde durch einen ukrainischen Drohnenangriff auf die Pumpstation einer für Chevron und Exxon Mobil wichtigen kasachischen Pipeline unterbrochen, ohne Frage eine Drohung der Ukraine gegen Trumps Pläne, die Ukraine ohne amerikanische Hilfen zu lassen.
Dass die Tatsache, dass eine russisches Gas transportierende Pipeline scheinbar doch von so großem Wert für die Kapitalinteressen des Westens ist, eigentlich gegen den Status-Quo des „kein russisches Gas“ steht, wurde von der bürgerlichen Presse weitestgehend ignoriert.
Nebenbei köchelt in den Rängen der EU-Herrschenden ein Plan, der es der Ukraine auch ohne amerikanische Hilfen ermöglichen soll, diesen Krieg weiterzuführen.
„Die Ausgabenpläne werden erst nach der deutschen Wahl am 23. Februar bekannt gegeben, um Kontroversen vor der Abstimmung zu vermeiden, so über die Pläne informierte Regierungsvertreter.“ (Bloomberg)
Blöd für diese Regierungsvertreter, wenn die deutschen Außenministerin schon einmal die Größenordnung vor Weg nimmt: „Wir werden ein großes Paket auf den Weg bringen, dass es in dieser Dimension noch nie gegeben hat“, sagte Baerbock in einem Interview mit Bloomberg am Rande des Münchner Treffens.
„Ähnlich wie beim Euro oder der Coronakrise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa. Das wird in naher Zukunft kommen“, es gehe um etwa 700 Milliarden Euro, zuzüglich zum bestehenden Rüstungsbudget der EU versteht sich.
Nur um 700 Milliarden mal in den Kontext anderer aktueller gesellschaftlicher Diskurse zu stellen: Mit 700 Milliarden könnte man die aktuellen Bürgergeldausgaben für ca. 60 Jahre finanzieren, Das Klinikensterben ganze 64 mal verhindern, allen Straßenobdachlosen gleich 9 Sozialwohnungen bauen (7,5–9,4 Milliarden Euro zum Bau der gebrauchten Sozialwohnungen), 29 mal Kinderarmut in Deutschland beheben (wenn man von einem langfristigen Ansatz ausgeht, DIW), die gesamte Schulinfrastruktur ganze 15 mal erneuern (KfW) und 35 Jahre lang die Kosten aller Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme und Unterkunft tragen.
Wie in anderen beitragen häufig erläutert haben, sind solche Vergleiche, obwohl agitatorisch überaus sinnvoll, natürlich im Sinne tatsächlicher Appelle im bürgerlichen Staat selbst missverständlich, hierzu ein Auszug aus „Die Lehre vom neutralen Staat“:
Der bürgerliche Staat braucht die relative Armut großer Teile der Bevölkerung; wer erledigt denn sonst die Arbeit, welche die Konzerne brauchen, um ihre Profite zu maximieren und im Umkehrschluss den BIP steigen lassen?
Eine Gesellschaft, in der der Lohn gleichmäßig zum Produktivitätsniveau steigen würde, wäre kein funktionierender Kapitalismus.
Die Reproduktion der Arbeitskraft funktioniert nur dann, wenn die Lohnarbeitenden dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft in Mengen zu verkaufen, die einen relativen Lebensstandard aufrecht erhalten, bzw. ihn verbessern können.
Ginge man nun davon aus, der Lohn wäre seit den 1970er Jahren relativ mit der Produktivität gewachsen – wer stände denn dann heute an der Kasse? Am Fließband? Wer säße für Mindestlohn im Büro oder hinter der Theke?
Der Euphemismus „Kapitalstandort Deutschland“ bedeutet doch auch, dass die Lohnarbeitenden hierzulande weiterhin willig sind, ihre Arbeitskraft zu preisen zu verkaufen, welche für ein jeweiliges Unternehmen lohnenswert ist.
So steht es doch vollkommen gegen die Interessen des bürgerlichen Staates, Investitionen gegen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu tätigen, weil er ohne diese Ungleichheiten nicht in der Lage wäre, seine Arbeit als Hüter des Kapitals zu erledigen.
Natürlich hat die bürgerliche Politik einen Einfluss darauf, welche Investitionen wo getätigt werden, aber eben alles im Kontext der Wünsche des Staates.
Ziemlich beste Freunde
Weil ohne amerikanische Unterstützung rund 45% der gesamten Ukraine Hilfen wegfallen würden (Statista), muss die EU, um sich Zugriff auf den Kapital-Standort Ukraine zu verschaffen, in unerhörtem Maße aufrüsten, um das Ukraine-Wunder noch irgendwie herbeiwünschen zu können.
Obwohl nur noch rund 38% der Ukrainer „bis zum Sieg“ weiterkämpfen wollen (Gallup, NTV), die Kriegsmoral in der Armee mittlerweile so schlecht ist, dass die Anzahl der Deserteure sich allein 2024 im Vergleich zum Vorjahr verdreifachte (euronews) und es mehrere Anschläge auf die Greifkommandos der ukrainischen Armee gab, hält die Europäische Spitze an ihren Ambitionen der europäischen Ukraine fest.
Um die Entschlossenheit auszudrücken, mit der die EU auch weiterhin an ihrer Ukraine-Politik festhält, beschlossen die ständigen Vertreter der Mitgliedsländer vergangene Woche das 16. Sanktionspaket gegen Russland.
Diesen Monat hat das BGH übrigens entschieden, Deutschland könne ukrainische Kriegsdienstverweigerer aus Deutschland direkt in die Ukraine abschieben;
„Er (ein nun abgeschobener ukrainischer Kriegsverbrecher, KP) wolle (…) keine Menschen töten, (…) wegen des russischen Angriffskrieges werde ihm aber das Kriegsdienstverweigerungsrecht in der Ukraine verwehrt.“ (Tagesschau)
In der Ukraine selbst gibt es keine Kriegsgegner mehr; alle Oppositionellen Parteien sind verboten, Kommunist zu sein ist gesetzlich verboten, Gewerkschaften sind vollkommen entmachtet, bei Kritik an der diktatorischen Stellung Selenskyjs muss mit Besuch des ukrainischen Geheimdienstes SBU gerechnet werden – das gleiche gilt selbstverständlich auch für Russland.
Obwohl doch mittlerweile jedem klar sein sollte, dass dieser Krieg militärisch nicht beendet werden kann; selbst würde die EU der Ukraine einen Blankoscheck überreichen, dass hilft der sinkenden Kriegsmoral, dem Wille zum Frieden und der wachsenden Unzufriedenheit mit der ukrainischen Regierung auch nicht.
Das weiß selbstverständlich auch Deutschland, das weiß auch die EU, somit sind die neuen Höhen der Hilfspakete (die nun mal nur Kredite sind) auch nicht zuletzt eine Möglichkeit, den europäischen Einfluss in einem Nachkriegs-Ukraine aufrechtzuerhalten.
Auf der Ebene der politischen Legitimation wäre ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine selbstverständlich ein Desaster, spätestens dann, wenn der Bevölkerung klar wird, dass sich die materiellen Bedingungen in Deutschland auch ohne Miliardenausgaben für die Ukraine nicht verbessern.
Außerdem wäre es für die deutschen Herrschenden um einiges schwieriger, Pistorius‘ Appell an die „Kriegstüchtigkeit“ Deutschlands aufrechtzuerhalten; ein Appell, mit dem sich Rheinmetall und Co. auf die höchsten Profite in ihrer Geschichte katapultieren konnten.
Was will Trump?
Trumps Plan für die Ukraine umfasst Schutzgeldzahlungen in Höhe von 500 Milliarden Dollar, die die Ukraine als „Wiedergutmachung“ für die geleisteten Hilfen an die Vereinigten Staaten zahlen solle, sowie, wie oben erwähnt, die Kontrolle der Hälfte aller ukrainischer Bodenschätze der Ukraine seitens amerikanischer Konzerne.
Zur Legitimation seiner kolonialen Ansprüche bediente sich Trump direkt an russischer Propaganda, so sei Selenskyj nur noch von 4% der ukrainischen Bevölkerung erwünscht und ohnehin nicht mehr als ein „bescheiden erfolgreicher Komödiant“.
Trumps Aussagen zu Selenskyj erhielten von Dmitri Medwedew, dem ex-Scheinpräsidenten Russlands, Zustimmung: Trump habe „zu 200 Prozent recht. (Selenskyj ist ein) bankrotter Clown.“
Trumps unkritische Übernahme russischer Falschaussagen macht durchaus Sinn, wenn man Amerikas Plan, die Beziehungen zu Russland wieder auszubauen, bedenkt (dazu später mehr).
Spannend ist die Reaktion der europäischen Medien, welche Trumps Pläne als „Wahnsinn oder Maßlosigkeit“ (Libération), „Dramatische Wende“ (Nepszava) und „Wahnsinn“ (FZ) bezeichnen, während auch die europäische Politik in großen Dingen Trumps Vorstellung der Zukunft der Ukraine als „Völlig absurd“ (Baerbock) abspricht.
Obwohl Trump doch wirklich keine andere Politik macht, als die Biden-Legislatur vor ihm – dieser Vorstellung liegt das Missverständnis zugrunde, die Staaten des globalen Nordens würden die Ukraine unterstützen, weil dies irgendeinem moralischen Kodex entspreche.
So schrieb die niederländische Zeitung de Volkskrant am Donnerstag, Trump hätte „keinen moralischer Kompass“, im Vergleich zur EU und der Biden-Administration also, die wohl schon einen hätten.
So wie Trump auch die imperialen Wünsche um Gaza frei herausplärrt, ist die Trump-Administration auch im Falle der Ukraine einfach deutlich ehrlicher: Ein kapitalistischer Staat „hilft“ nichts und niemandem, solange mit jener Hilfe nicht ein wirtschaftliches oder geopolitisches Interesse verfolgt werden kann.
Nun hat sich, insb. im Verlauf des letzten Jahres rausgestellt, dass die Unterstützung der Ukraine an innenpolitischem Mehrwert verliert.
57% der Trump-Wähler haben für ihn wegen seiner Außenpolitik, d.h. in weiten Dingen Ukraine-Politik, gewählt (abc).
Das ist auch der Grund, warum die EU-Staaten eigentlich beschlossen, ihr 700-Miliarden-Hilfspaket erst nach den Wahlen zu verkündigen – der moralische Deckmantel der Ukraine Unterstützung verliert an Wert.
Für die Vereinigten Staaten haben sich Kosten und Nutzen schon gewendet; wo man am Anfang noch vermutete, man könne Russland imperiale Offensive schleunigst zurückwenden und am Ende ein paar Zinsen seitens der Ukraine eintreiben, hat sich mittlerweile rausgestellt, dass der ukrainische Staat durch 3 Jahre Krieg so verarmt ist, dass es sich als sinnvoller herausstellt, die Ukraine ganz direkt in einer kolonialen Manier auszubeuten.
Für die EU ist das anders; an diesem „forever-war“ hängt nicht nur die Aufrüstungs-Legitimation der Kriegsindustrie und die politische Legitimation für Sozialhaushaltskürzungen, sondern der Erhalt transatlantische Bündnisse, dass bei Normalisierung der Amerikanisch-Russischen Beziehungen zerbrechen würde.
Würde dieser Krieg Enden, und die russisch-amerikanischen Beziehungen normalisiert werden, würde das für die EU bedeuten, das zentrale Bindeglied zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, Russland als Hauptfeind, würde wegfallen.
Das würde im Umkehrschluss bedeuten, das amerikanische Kapital würde sich Richtung Pazifik ausweiten und europäische Konzerne und ihre Vertreter mit teurerem LNG, einem geschwächten Euro, (noch) größerem Wettbewerb seitens asiatischer Konzerne und radikalem Abstieg globaler Nachfrage zurücklassen.
Für europäische Techkonzerne, namentlich ASML, SAP oder Infineon, würde ein amerikanischer Kapitalzufluss in Südkorea und Taiwan bedeuten, strategische Partnerschaften mit asiatischen Konzernen zu verpassen und im strategisch wichtigen KI-Sektor hinten zu landen.
Industriekonzerne wie Airbus, VW oder Siemens würden durch Bevorzugung des asiatischen Marktes (insb. im Hinblick auf Trumps Protektionismus-Drohungen) wichtigste Subventionen und Handelsabkommen seitens der Vereinigten Staaten verlieren, dass gleiche gilt wiederum für Energieintensive Konzerne, bspw. BASF oder ArcelorMittal, welche durch sinkende amerikanische Energieexporte (durch Bevorzugung des asiatischen Marktes) auf LNG-Zufuhr aus Katar, Australien, Norwegen oder Algerien angewiesen wären.
BASF entwickelt zwar bereits chemische Prozesse, die weniger Gas benötigen sollen, trotzdem würde eine ent-Priorisierung des europäischen Marktes seitens der Vereinigten Staaten einen flächendeckenden Umbau der europäischen Energiewirtschaft bedeuten.
Trotz der offensichtlichen Interessengegensätze muss gesagt werden, dass sich der Krieg für Europa und die Vereinigten Staaten, unabhängig davon wie er endet, längst ausgezahlt hat.
Die Europäischen Militär-“Hilfen“ wurden zum Teil zu so absurden Kredithöhen an die Ukraine gegeben, dass die schier absurd hohe Schuldenlast der Ukraine es der EU ermöglicht, sich die nächsten Jahrzehnte an ukrainischen Ressourcen zu ergötzen.
In klassisch neukolonialer Manier wird es der Ukraine selbstverständlich nicht möglich sein, ihre Schulden selbst im Laufe des nächsten Jahrhunderts zurückzuzahlen – dann müssen eben ein paar Häfen im schwarzen Meer, ein paar Millionen Tonnen Mangan und ein paar Milliarden Tonnen Eisen hinhalten.
Dasselbe gilt für die Vereinigten Staaten, welche möglicherweise sogar mit einem bevorzugten Zugriff auf den Pazifikraum und russischen Gasexporten aus diesem Krieg ziehen.
Die einzigen Verlierer sind die Menschen der Ukraine und in Russland; die Arbeiter und Armen, die millionenfach für russische, amerikanische und europäische Interessen in der West- und Ostukraine abgeschlachtet wurden.
Die tausenden Oppositionellen in der Ukraine, die Kommunisten und Gewerkschaftler, wie die Brüder Kononowitsch, die im Verlauf der letzten 3 Jahre ermordet, verfolgt und inhaftiert wurden.
Die russischen Oppositionellen, die diesen Krieg nicht einmal als Krieg bezeichnen dürfen, oft noch jugendlich, die wegen ihrer Opposition zum Krieg in Arbeitslager und Knäste gesteckt worden sind.
Krieg ihrem Krieg.