Teil 1: Antike bis früh-neuzeitliche Geschichte Kaschmirs
Teil 1: Antike bis früh-neuzeitliche Geschichte Kaschmirs

Laut dem indischen Historiker Kalhana, der 1149 in seinem Werk „Rājataraṅgiṇī“ die erste umfassende Historiographie Kaschmirs beschrieb, war die gesamte Region Kaschmir einst ein See.
In der Hindu-Mythologie wird dieser See von dem Weisen (Rishi) Kashyapa, dem Sohn von Marichi und Enkel von Brahma, durch das Öffnen des Kaschmir-Tals ausgetrocknet.
Kashyapa veranlasste hier, dass Brahmanen (die Angehörigen der obersten Kaste im indischen Kastensystem) sich dort ansiedeln sollten.
Geologen hingegen meinen, dass das Kaschmir-Tal durch die Kollision der indischen und eurasischen Erdplatten geformt wurde. Vor etwa 50 Millionen Jahren verschwand das Tethys-Meer, und der Himalaya entstand – ein Prozess, der bis heute andauert.
Während dieses Prozesses wurden riesige Gesteinsmassen übereinander geschoben, gefaltet und angehoben, wodurch die charakteristischen Hochgebirgslandschaften der Himalaya-Region entstanden.
Die Reste des Tethys-Meeres sammelten sich über Millionen von Jahren im Fluss Jhelam, der heute das 135 km lange und 35 km breite Kaschmir-Tal durchfließt.
In der Antike wurde Kaschmir unter dem schein-pazifistischen Maurya-Kaiser Ashoka (ca. 250 v. Chr.) buddhistisch geprägt.
Diese buddhistische Prägung setzte sich auch während der Kushana- und Huna-Herrschaft (ca. 1. bis 6. Jahrhundert) fort und prägte die Karkota-Dynastie (ca. 625-855) sowie die Utpala- und Lohara-Dynastien (9. bis 12. Jahrhundert).
Unter der Kushana- und Huna-Herrschaft etablierte sich Srinagar im Norden Kaschmirs als Haupt- und Handelsstadt, ein Umschlagplatz für Waren zwischen Zentralasien, Tibet, Nordindien und Persien.
Im Westen Kaschmirs konnte sich die Stadt Baramulla aufgrund ihrer Anbindung an die Seidenstraße als wichtiger Kontrollpunkt für die Karawanen bilden und brachte dem kaschmirischen Staat hohe Zolleinnahmen ein.
Unter der Karkota-Dynastie, die Kaschmir offiziell gründete, entwickelte sich durch die kulturelle Vermischung und den ökonomischen Austausch entlang der Seidenstraße der Hinduismus als zweite Religion neben dem vorherrschenden Buddhismus.
Der Hinduismus wurde unter der Karkota-Herrschaft weitestgehend toleriert.
Der Kontakt zu Persien und Zentralasien brachte im 8. Jahrhundert auch Sufi-Missionäre und Einwanderer aus Afghanistan und Zentralasien nach Kaschmir, die vor den Konflikten des Umayyaden- und späteren Abbasiden-Kalifats flüchteten.
Dieser Kontakt ermöglichte Kaschmir den Ausbau der Agrarwirtschaft durch Bewässerungsprojekte, was zur frühen Entwicklung feudaler Strukturen führte.
Der Wandel von einer kollektivierten Dorfeinheits-Produktionsweise zum Feudalismus führte unter den Utpala- und Lohara-Dynastien zu einer Fragmentierung der Macht zugunsten lokaler Feudalherren, wobei der Hinduismus erstmals Staatsreligion wurde.
Nachdem 1338 der ehemalige Höfling der Lohara-Dynastie, Shamsu’d-Din Shah Mir, gegen die hinduistische Herrschaft revoltierte und gewann, wurde Kaschmir 1339 offiziell islamisch.
Um seine Herrschaft zu sichern, führte Shah Mir umfassende Landreformen zugunsten der Landbesitzenden Elite durch, was zu vertieftem Handel mit Zentralasien und Persien führte.
Während der Herrschaft von Zain-ul-Abidin (1420-1470), der als bedeutendster Herrscher der Shah-Miri-Dynastie gilt, wurde die Woll-Produktion gefördert, indem gezielt Weber aus Turkestan angesiedelt wurden – von ihm stammt der Begriff „Kaschmir-Wolle“.
Die zunehmenden Widersprüche des Feudalsystems führten unter der Chak-Dynastie (1561-1586) zu wiederkehrenden Bürgerkriegen, die es dem Mogulreich unter Akbar ermöglichten, Kaschmir zu erobern.
Unter der Mogulherrschaft, die bis 1707 andauerte, wurde Kaschmir zu einer der wichtigsten Handelsprovinzen des Reiches, mit Fokus auf die Textilproduktion für den Export.
Die Mogulherrschaft förderte auch die kulturelle Blüte der Region, indem sie Bauwerke wie den Nishat Bagh und den Shalimar Bagh in Srinagar errichten ließ.
Trotz der blühenden Wirtschaft war der Feudalismus mit hohen Steuern und Abgaben verbunden, was den Widerspruch zwischen Volk und Herrschaft kontinuierlich zuspitzen ließ.
Nach dem Tod des Mogul-Herrschers Aurangzeb im Jahr 1707 zerfiel das Mogulreich, und die indische Region Kaschmir geriet wieder unter den Einfluss externer Mächte.
1747 begann der Gründer des Durrani-Reiches (Afghanistan), Ahmad Shah Durrani, in Nordindien und Kaschmir einzufallen.
Im Jahr 1752 wurde der letzte Mogul-Gouverneur Kaschmirs, Quli Khan, abgesetzt, und Kaschmir wurde Teil des Durrani-Reiches.
Dogra-Herrschaft
Mit dem schwindenden Bevölkerungsrückhalt der Durrani-Herrscher und dem Aufstieg des Sikh-Reiches unter Maharaja Ranjit Singh 1819 war Kaschmir wenig Widerstand entgegenzusetzen.
Nach minimalen Kämpfen mit den Afghanen wurde Kaschmir in das Sikh-Reich eingegliedert.
Nach dem Ersten Sikh-Krieg (1845–1846) erhielten die Briten Kaschmir als Teil der Kriegsentschädigung von der unterlegenen Sikh-Regierung.
Da diese nicht in der Lage war, die geforderte Summe von 1,5 Millionen Pfund Sterling zu zahlen, trat sie das Gebiet an die Briten ab.
Diese wiederum verkauften Kaschmir im Vertrag von Amritsar vom 16. März 1846 für 7,5 Millionen Rupien an Gulab Singh, den hinduistischen Raja von Jammu. Damit gelangte Kaschmir unter die Kontrolle der Dogra-Dynastie und wurde de facto ein Fürstenstaat unter britischer Oberhoheit.
Die Dogra-Dynastie, die durch Gulab Singh begründet wurde, etablierte eine feudale Herrschaft, wobei der Landbesitz in den Händen weniger hinduistischer Familien konzentriert war.
Die muslimische Mehrheit Kaschmirs blieb weitgehend landlos oder als abhängige Pächter zurück und nicht außerhalb der Arbeitenden- und Bauernklassen anzufinden.
Hohe Steuern und Zwangsarbeit führten immer wieder zu Protesten, die brutal unterdrückt wurden – das wirtschaftliche Ungleichgewicht und die Diskriminierung der muslimischen Bevölkerung führten zu Migrationen in den Punjab und zu den ersten politischen Organisationen der muslimischen Bauern.
Kaschmir wurde zum Pufferstaat zwischen Britisch-Indien, China und Zentralasien, während die britische Ostindien-Kompanie während dieser Zeit die Kontrolle über Außenpolitik und strategische Angelegenheiten behielt und die Dogra-Dynastie als loyalen Vasallen einsetzte.
Während dieser Zeit litt die lokale Bevölkerung unter den ausbeuterischsten Bedingungen der feudalen Herrschaft.
[1] https://studybuddhism.com/de/fortgeschrittene-studien/geschichte-und-kultur/buddhismus-und-islam-fortgeschrittene-stufe/buddhistisch-muslimische-kontakte-kalifat-der-umayyaden/buddhismus-in-zentralasien-vor-ankunft-der-araber
[2] https://www.travelsilkroad.ch/geschichte
[3] Die Herrschaft war zwar unter Sadr’ud-Din Shah de-jure bereits (kurz) muslimisch, jedoch durch die de-facto Herrschaft Kota Ranis nach Richnians Tod unterbrochen.
[4] Quellen sind diverse Wikipedia-Seiten; u.a. „Durrani-Reich“ und „Ahmad Schah Durrani“ und
[5] Quellen sind diverse Wikipedia-Seiten, u.a. „Reich der Sikh“ und „Erster Sikh-Krieg“.
[6] https://olat-test2.rz.uni-frankfurt.de/olat/auth/RepositoryEntry/20830060544/CourseNode/103066922377308/VSFraMoV03-NET-Kaschmir-39.pdf
[7]https://web.archive.org/web/20090326182755/http://www.parliament.uk/commons/lib/research/rp2004/rp04-028.pdf
[8] https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2020/laenderreport-29-indien.pdf?__blob=publicationFile&v=2