Kuba: Trotz alledem
Kuba fasziniert als die kleine Insel, die seit über 60 Jahren imperialistischer Aggression widersteht. Aber wie? Auf welche Weise drückt sich diese Aggression aus? Welche Errungenschaften hat der kubanische Sozialismus hervorgebracht, und welche Fehler? Eine nüchterne Auseinandersetzung mit der Geschichte der kubanischen Revolution und der Entwicklung des sozialistischen Kuba.

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Dieser Beitrag ist bewusst so verfasst, dass die einzelnen Abschnitte mehr oder weniger unabhängig voneinander gelesen werden können. Das Inhaltsverzeichnis dient weniger dem Gesamtüberblick, sondern eher der Entscheidung, welche Themen dich am meisten interessieren. Der Beitrag beleuchtet die Geschichte Kubas im Detail. Wenn dir das zu ausführlich ist und du lieber direkt etwas über das Embargo, die Demokratie in Kuba, José Martí oder die Errungenschaften und Krisen des kubanischen Sozialismus erfahren möchtest – klick dich einfach durch! Natürlich kannst du den Text auch in seiner Gesamtheit lesen. So oder so: Viel Spaß!
„The passion that some of our liberals feel, the day after the revolution, the passion and concern they feel for the fascists, the civil rights and civil liberties of those fascists who are dumping and destroying and murdering people before. Now the revolution has gotta be perfect, it’s gotta be flawless. Well that isn’t my criteria, my criteria is what happens to those people who couldn’t read? What happens to those babies that couldn’t eat, that died of hunger? And that’s why I support revolution. The revolution that feeds the children gets my support. Not blindly, not unqualified. And the [american] government that tries to stop that kind of process, that tries to keep those people in poverty and illiteracy and hunger, that gets my undiluted animosity and opposition.“ (Michael Parenti)
Teil 1: Von Kolonie zur Rübenrepublik
1. Kolonie und José Martí
Seit 1895 führte die spanische Kolonie Kuba einen Unabhängigkeitskrieg gegen ihre spanischen Herren.
Spanien hatte in den Jahrzehnten zuvor die Dominikanische Republik und etliche weitere Kolonien an die Unabhängigkeit verloren – zum Zeitpunkt des kubanischen Unabhängigkeitskrieges standen nur noch Kuba, Puerto Rico und die Philippinen unter voller spanischer Herrschaft.
Schon während Spanien sich noch um den Erhalt der Dominikanischen Republik bemühte, wuchs in Kuba der Widerstand zu der Schreckensherrschaft Madrids:
Für Spanien diente Kuba als wichtigster Zucker- und Tabakexporteur unter den Kolonien – Auf den Plantagen, auf denen die Masse der Kubaner arbeiteten, war die Sklaverei, gebunden an gesellschaftliche- und ökonomische Apartheid, die Norm.
Die Weißen und Afro-Kubaner der Insel waren so zwar beide den in Madrid sässigen Kolonialherren und dessen Verwaltungsbeamten ausgesetzt, waren aber auch untereinander durch die Sklaverei, das Recht auf Eigentum und (beschränkte) Möglichkeiten auf Bildung getrennt.
Unter diesen Bedingungen wuchs der Literat, Dichter, Revolutionär und spätere Nationalheld José Julián auf.
Martí schrieb seit seiner frühen Jugend Gedichte und Essays an die Unabhängigkeit Kubas und engagierte sich während des „10 Jahres Krieges“, bei dem kubanische Plantagenbesitzer die Unabhängigkeit von Spanien zu erkämpfen versuchten, auf der Seite der kubanischen Freiheitskämpfer.
Mit 16 Jahren publizierte er 1869 seine erste Zeitschrift „La Patria Libre“, die er der „Unabhängigkeit Kubas“ widmete und die Brutalität der spanischen Herrschaft anprangerte. Für seine politischen Schriften wurde er von den spanischen Kolonialherren verhaftet, zu Zwangsarbeit verurteilt und anschließend nach Spanien deportiert.
Martí setzte seine Ausbildung in Spanien fort und engagierte sich unermüdlich für die kubanische Unabhängigkeit; in Spanien schrieb er ungemein populäre politische Essays und Gedichte, welche die Ideale von Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit betonten.
Im Exil wurde Martí ein zentraler Organisator der kubanischen Exilgemeinschaft, besonders in New York, wo er die Kubanische Revolutionspartei („Partido Revolucionario Cubano“) gründete, welche maßgeblich für die Planung des nächsten bewaffneten Aufstands, des Kubanischen Unabhängigkeitskrieges ab 1895, verantwortlich war.
Bewusstsein gegenüber US-Bedrohung
In seinem berühmten Brief an den mexikanischen Anwalt, und engen Freund Martís, Manuel Mercado, schrieb Martí zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges:
„I am in daily danger of giving my life for my country and duty for I understand that duty and have the courage to carry it out-the duty of preventing the United States from spreading through the Antilles as Cuba gains its independence, and from empowering with that additional strength our lands of America. All I have done so far, and all I will do, is for this purpose. I have had to work quietly and somewhat indirectly, because to achieve certain objectives, they must be kept under cover; to proclaim them for what they are would raise such difficulties that the objectives could not be attained.“[2]
Martí und seine Mitstreiter waren sich also schon zu Beginn der Unabhängigkeitsbemühungen darüber bewusst, dass die Vereinigten Staaten die Unabhängigkeit Kubas, falls man sich von Spanien befreien könnte, nicht belassen werden sollten.
Die USA veröffentlichten schon 1854 mit dem „Ostende-Manifest“ den Wunsch, Kuba von Spanien kaufen zu wollen:
„Under no probable circumstances can Cuba ever yield to Spain one per cent on the large amount which the United States are willing to pay for its acquisition.“[3]
So hatten die USA mit dem Bedrängen- und später Bekriegen Mexikos einige Jahrzehnte zuvor bereits die frische Unabhängigkeit Mexikos von Spanien bedroht und sich massive Land- und Seegebiete erzwungen (u.a. das heutige Kalifornien, Arizona, Nevada und New Mexico).
Die Kubaner hatten mit dem Zehnjährigen Krieg (s.o.) und dem „kleinen Krieg“ („Guerra Chiquita“, 1879-1880) bereits vergebens versucht, ihre Unabhängigkeit von Spanien und das verbundene gesellschaftliche Elend zu beenden. In den Jahren zwischen 1878 und 1895, die in Kuba als Jahre des „Fruchtbaren Waffenstillstands“ bekannt sind, erhoben sich die Armen, Sklaven und Arbeitenden Kubas noch in 300 weiteren Aufständen und Verschwörungen – vergebens, aber fruchtbar. [4]
Die gesellschaftliche Bedingungen für einen revolutionären Bruch sah während dieser Jahre wie folgt aus:
„…von den etwa 1,6 Millionen Einwohnern, die Kuba zu Beginn dieses Krieges hatte, waren etwa 200.000 Spanier, 500.000 Schwarze und Afro-Kubaner, etwa 800.000 weiße Kubaner oder Kreolen und eine unbestimmte Anzahl von Chinesen, Jamaikanern, Haitianern und anderen. Die Spanier, mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen, insbesondere innerhalb des Klerus, blieben Spanien treu und lehnten die Revolution der Kubaner ab. Die Schwarzen waren, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, begeistert vereint, um die Rebellen zu unterstützen, da ihnen die Abschaffung der Sklaverei versprochen worden war und sie ahnten, dass die Rebellion gegen Spanien letztendlich siegen würde… Sie hofften, dass sie unter dem neuen Regime ähnliche Lebensbedingungen wie in der benachbarten Republik Haiti haben würden… Sie träumten von einem freien Kuba…“ (Mgar)[5]
1.1 „Verschwinde von hier!“
Am 24. Februar 1895 versammelten sich Aufständische u.a. in Matanzas, Granma, Guantánamo, Holguín und Baire (der Aufstand ist in Kuba als „Schrei von Baire“ bekannt) unter Vereinigung der von José Martí im Exil gegründeter Kubanischen Revolutionspartei.
Martí, neben anderen Revolutionären wie Máximo Gómez und Antonio Maceo, übernahmen bei den Aufständen die Koordination zwischen den einzelnen Beteiligten Fraktionen, waren aber längst nicht die einzigen, geschweige denn einzig bedeutenden Aufständischen – Der kubanische Schrei nach Unabhängigkeit war getragen von den Arbeitern, Sklaven und Armen Kubas.
Das „Manifest von Montecristi“, verfasst von Martí und Gomez als offizielle Kriegsdeklaration und Führungsplan der Revolutionären Partei, propagierte den Aufständischen folgendes:
„This war will not be a cradle of tyranny or of disorder, which is alien to the proven moderation of the Cuban spirit. Those who promoted it, and who can still raise their voices and speak, affirm in its name, before the patria [Heimat], their freedom from all hatred, their fraternal indulgence toward timid or mistaken Cubans, their radical respect for the dignity of man, which is the catalyst of combat and the cement of the republic, and their certainty that this war can be conducted in a way that contains the redemption that inspires it, and the ongoing relations in which a people must live among others, alongside the reality of what war is.“[6]
Kern des Dokuments war der Anti-Rassismus, der sich im revolutionären Kampf voll entfalten sollte:
„The revolution, with all its martyrs and generous subordinate warriors, denies indignantly, as the long experience of those in exile and those on the island during the truce denies, the slanderous notion of a threat by the Negro race, which has been wickedly employed to the benefit of those who profit from the Spanish regime to stir up fear of the revolution.“[7]
Unter der militärischen Führung von Máximo Gómez und Antonio Maceo setzte die Revolutionsarmee auf eine Strategie der raschen Ausweitung der Front, wobei sie gezielt die wirtschaftlichen Grundlagen der spanischen Herrschaft, insbesondere die Zuckerproduktion, angriff, ohne in eine wahllose Zerstörung überzugehen.
Der Krieg erreichte rasch eine nationale Dimension und das spanische Klammern an die Kolonie war massiv: Massenumsiedlungen, Zerstörung von Ernten und ein Repressionsapparat, der routiniert folterte und hinrichtete.
Nach Martís Tod im Mai 1895 und Maceos Tod 1896 verschärfte sich der militärische Konflikt weiter. Spanien war zunehmend ökonomisch und politisch erschöpft, während die kubanischen Truppen trotz begrenzter Ressourcen den Krieg fortführten.
Mit der Politik der „Reconcentración“ (Neukonzentration) verfrachtete der für Kuba zuständige General Valeriano Weyler ab 1896 rund 400.000 Bauern in Konzentrationslager, um dem kubanischen Widerstand den Rückhalt in der Bauernschaft zu nehmen und die Lebensmittelversorgung der Rebellen zu unterbrechen. In den „Reconcentrados“ starben mindestens 10% aller Kubaner, das entspricht ca. 225.000 Menschen[8], einige Quellen sprechen von bis zu 400.000. Der „kubanische Holocaust“[9] gilt durch seine systematische Aushungerung der kubanischen Bevölkerung als Vorläufer der Shoah:
„Kubanische Historiker haben schon früh argumentiert, das Massensterben in den von spanischen Truppen besetzten Wehrdörfern Kubas habe das Leiden der Lagerhäftlinge Europas im Zeitalter der Weltkriege vorweggenommen. Zusammen mit den britischen concentration camps im Südafrikanischen Krieg (1899-1902) gilt die reconcentración auf Kuba heute vielfach als Ursprung der modernen Konzentrationslager.“ (idw)[10]
Herrschaftswechsel: Das US-Kapital ist da
Für die Vereinigten Staaten boten sich die „Reconcentrados“ an, um die amerikanische Zivilbevölkerung von einem Kriegseingriff zu überzeugen.
Mit der Explosion des US-Kriegsschiffs „Maine“ im Hafen von Havanna am 15. Februar 1898, bei der 259 amerikanische Seeleute ums Leben kamen, begann die Intervention der Vereinigten Staaten.
Die USA machten Spanien für die Katastrophe verantwortlich und erklärten ihnen wenige Wochen später den Krieg – Die amerikanische Regierung unter Präsident McKinley verfolgte dabei sowohl wirtschaftliche als auch strategische Interessen: Kuba war ein wichtiger Zucker- und Tabakproduzent und lag geografisch günstig für die US-amerikanischen Expansionspläne in der Karibik.
Zudem gehörten viele der Plantagen (ca. 16%[11]), die von den Rebellen gezielt angegriffen wurden, Amerikanern, die innenpolitisch massiven Druck auf die US-Regierung ausübten, in den Krieg einzugreifen.
Durch die Berichterstattung der Boulevardpresse war innenpolitisch der Kriegskurs bereits gestellt:
„William Randolph Hearst [größter US-amerikanischer Medien-Tycoon und Pionier der Boulevard-Presse] understood that a war with Cuba would not only sell his papers, but also move him into a position of national prominence. From Cuba, Hearst’s star reporters wrote stories designed to tug at the heartstrings of Americans. Horrific tales described the situation in Cuba – female prisoners, executions, valiant rebels fighting, and starving women and children figured in many of the stories that filled the newspapers. But it was the sinking of the battleship Maine in Havana Harbor that gave Hearst his big story – war. After the sinking of the Maine, the Hearst newspapers, with no evidence, unequivocally blamed the Spanish, and soon U.S. public opinion demanded intervention.“ (Hugh Rockoff )[12]
Neben der medialen Kampagne zur Rechtfertigung einer Intervention in Kuba, war die Intervention eine ganz bewusste Entscheidung zur Ausweitung der amerikanischen Einflusssphäre – das klingt heute offensichtlich, war es damals jedoch nicht:
„During the Spanish-American and Philippine-American wars, Theodore Roosevelt in the Navy Department and his allies in Congress, especially Senator Henry Cabot Lodge, saw the ability of the United States to project its naval power by building ships, constructing an isthmus canal, and acquiring colonies and naval bases, as crucial to American prosperity in an increasingly imperialist world.“ (Hugh Rockoff)[13]
Mit der Intervention in Kuba waren die Vereinigten Staaten nun in einem offenen Krieg mit Spanien, der sich neben Kuba, auch in Puerto Rico, den Philippinen und Guam abspielen sollte.
Lenin beschrieb den Spanisch-Amerikanischen Krieg als „wichtigsten Markstein des Imperialismus als Periode“, d.h. als Zäsur des Beginns des „offenen Imperialismus“ als höchste Phase des Kapitalismus[14].
Und diese Erkenntnis war wohl so offensichtlich, dass auch die meisten bürgerlichen Geschichtserzählung sie heute anerkennen:
„Der wirtschaftliche Einfluß der USA in Kuba war enorm. Viele Zucker- und Tabakplantagen sowie Eisenerzminen standen unter amerikanischer Vorherrschaft. Die ständigen Kämpfe und Schlachten beeinträchtigten die einst florierenden Handelsbeziehungen der USA zu Kuba. Der Import aus Kuba war Ende 1896 im Vergleich zu 1894 um 34 Millionen Dollar gesunken. Die Vereinigten Staaten wollten nicht länger zusehen, wie ihre Wirtschaftsinteressen auf Kuba immer weiter zu stagnieren schienen und abzusinken drohten.“[15]
Die Kampfhandlungen begannen jedoch nicht unmittelbar auf Kuba, sondern bereits im Mai mit der Seeschlacht in der Bucht von Manila, wo die veraltete spanische Pazifikflotte vernichtend geschlagen wurde.
Im Juni 1898 landeten amerikanische Truppen schließlich auf kubanischem Festland und starteten eine Offensive gegen die spanischen Kolonialkräfte. Die US-Streitkräfte waren den spanischen Truppen sowohl in Bezug auf technische Ausstattung als auch auf Logistik und Moral weit überlegen. Am 3. Juli 1898 wurde die spanische Atlantikflotte in der Seeschlacht vor Santiago de Cuba entscheidend besiegt, was den spanischen Verteidigungswillen auf der Insel stark schwächte – Parallel zu den Seeschlachten eroberten die amerikanischen Truppen strategisch wichtige Gebiete auf dem kubanischen Festland.
Die militärische Überlegenheit der USA und die Schwäche Spaniens, das politisch und wirtschaftlich angeschlagen war, führten zum schnellen Ende der Kampfhandlungen. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Paris im Dezember 1898, in dem Spanien seine Kontrolle über Kuba, Puerto Rico, Guam und die Philippinen an die Vereinigten Staaten abtrat.
Die Sorge der Revolutionäre um Martí, dass die Vereinigten Staaten keinem so günstig gelegenem Karibikstaat die Freiheit lassen würde, bewahrte sich als korrekt.
2.1 Rübenwurzel-Republik
Das folgende wird sich aus heutiger Sicht, aus verschiedensten Gründen, nahezu absurd anhören, es stimmt aber tatsächlich:
Die Intervention Kubas war im US-Kongress so kontrovers, dass die zuvor Expansionistische Strömung um Henry Teller dem Einmarsch nicht zustimmen würde, ohne zuvor festzuhalten, dass…
„Wir [die USA] nicht die Absicht [haben], diese Insel zu erobern“, und wir „dass der Welt klar [machen müssen], so dass keine europäische Regierung behaupten kann, wir täten dies zum Zwecke der Selbstverherrlichung oder zur Vergrößerung unserer territorialen Besitztümer.“[16]
So entstand das „Teller Amendment“ als Zusatz zur Kriegsermächtigung; es legte eindeutig fest, dass die Vereinigten Staaten Kuba nicht annektieren würden – Die USA stellten sich damit bewusst als Befreier und nicht als neue Kolonialmacht dar (gleichzeitig annektierten sie die Philippinen, Guam und Puerto Rico).
Wie William R. Adams und James W. Cortada in ihrem Essay „The Teller Amendment: Idealism Or Realism“ korrekt festhalten, handelte es sich bei dem Teller Amendment um keinen Ausdruck eines plötzlichen Antiimperialismus einiger US-Abgeordneter, sondern sehr präzise Lobbyarbeit aus der (kein Witz) Rübenwurzel-Lobby:
„Although America’s stake in Cuban sugar was considerable and constantly expanding, mainland sugar beet producers opposed any suggestion of annexation because this would bring Cuban sugar within the tariff wall. If Cuba joined the United States, reasoned domestic producers, the island would prove stiff competition to the sugar beet farmers. Sugar beet interests, politically more powerful than the cane sugar producers in the United States, maintained a large lobby in Washington as well as in key state capitals during the critical period of 1895-1898.28 In states such as Colorado, Louisiana, and Florida, sugar lobbyists were able to force politicians to consider seriously blocking Cuban annexation.“[17]
So besetzten die Vereinigten Staaten bis 1902 Kuba (aus reiner Gängigkeit), und entwickelten eine Form der politischen und ökonomischen Abhängigkeit, die formal zwar den Anschein einer nationalen Souveränität wahrte, tatsächlich aber durch eine tiefgreifende Integration in die Strukturen des nordamerikanischen Kapitals gekennzeichnet war.
Aufbau von Abhängigkeit
Ökonomisch zeigte sich die Dominanz der USA gegenüber der scheinsouveränen kubanischen Republik in der schnellen Expansion amerikanischer Investitionen, die insbesondere im Infrastrukturbereich und im Zuckeranbau zu einer massiven Konzentration von Kapital führten, wodurch ehemals selbstständige kubanische Produzenten in die Rolle abhängiger Pächter oder Lohnarbeiter gedrängt wurden.
Die Einführung der sogenannten „centrales“ als hochkapitalisierte Produktionszentren im Zuckersektor waren Hauptantrieb dieser Entwicklung, da deren hohe Fixkosten und ständiger Rohstoffbedarf nur durch die Verfügbarkeit von großem Kapital zu bewältigen waren, was die Verdrängung kleinerer Produzenten beschleunigte und die Eigentumsstrukturen der Insel grundlegend veränderte.
Die politische Flankierung dieser ökonomischen Transformation fand in der erzwungenen Annahme des „Platt-Amendments“ (1901) ihren institutionellen Ausdruck, dass nicht nur die militärische Interventionsfähigkeit der USA in Kuba absicherte, sondern auch sicherstellte, dass jede außenpolitische Orientierung oder finanzielle Verpflichtung des Inselstaates mit den Interessen Washingtons kompatibel blieb:
„Bis 1902 steht Kuba unter US-Militärbesatzung, danach wird es formell unabhängig. Durch einen Zusatzartikel in der Verfassung sichert sich Washington jedoch das Recht, jederzeit auf der Insel intervenieren zu dürfen – was es in den Folgejahren dann auch ausgiebig tut. Die kubanischen Präsidenten sind Marionetten, und die auf der Monokultur Zucker basierende Volkswirtschaft ist vom Handel mit den USA abhängig.“ (SZ)[18]
Zur ersten Wahl gewinnt der (in Amerika lebende) Amerikaner Tomás Estrada Palma das Präsidentschaftsamt – sonderlich beliebt war er nicht, es gab nur keinen anderen Kandidaten: Sein Opponent, der Volksheld General Bartolomé Masó, verließ das Präsidentschaftsrennen als Protest gegen das Platt Amendment und die Scheinautonomie Kubas.[19]
3. Bambule und der Lange weg zu Batista
Die Verpachtung von Guantánamo, die erst 1925 geklärte Zugehörigkeit der Isla de Pinos und die erneute US-amerikanische Intervention von 1906 bis 1909 machten deutlich, dass die vermeintlich souveräne staatliche Ordnung stets im Rahmen jener Strukturen existierte, die den Interessen des nordamerikanischen Kapitals und seiner strategischen Sicherheitspolitik entsprachen.
Die Abfolge der frühen kubanischen Präsidenten – Gómez, Menocal, Zayas und Machado – war eng mit der Rolle des Zuckerexports verbunden, dessen Schwankungen den politischen Kurs bestimmten und die Macht der lokalen Eliten in ein dauerhaftes Abhängigkeitsverhältnis einbanden. Die Bauernklasse der Zuckerplantagen setze sich größtenteils aus ehemaligen Sklaven zusammen, die weiterhin in Abhängigkeitsverhältnissen lebten und politisch weitestgehend ignoriert wurden.
Inspirieret von den Ideen José Martís, gründete sich so 1908 die „Partido Independiente de Color“ (PIC, „Unabhängige Partei der Farbigen“) aus schwarzen Veteranen des Unabhängigkeitskrieges. Die Reformbemühungen zur rechtlichen Gleichstellungen der PIC wurden politisch weitestgehend ignoriert; bis zu einem Punkt, dass sich die PIC an die Vereinigten Staaten richtete, um von diesen über das Platt Amendment an Hilfe zu gelangen. Der erzreaktionäre US-Präsident Taft verneinte die Bitte.
Ab 1912 revoltierte die PIC für die Rechte der Afro-Kubaner: Rund 3.000, teils über Haitianische solidarische Aktivisten bewaffnete, PIC-Rebellen griffen in koordinierten Angriffen die kubanische Armee an. Als Reaktion darauf alarmierte Präsident Gómez die Vereinigten Staaten, die Tausende von US-Marines in die schwarzen Viertel von Santa Clara und Oriente entsandten, um das Eigentum von US-Investoren zu schützen.
Der beinahe ironisch klingende offizielle Abschlussbericht zur Niederschlagung der PIC-Revolte durch die US-Marines fasste die Ereignisse wie folgt zusammen:
„Results: Though the rebels threatened to make life difficult for the American owners of property in Cuba, hoping that it would bring in the American military, nothing of consequence really happened. With the death in action of Estenoz [bedeutender Anführer der PIC], the Negro forces broke up into small factions and were defeated, most eventually returning to their homes, no better off than before. The Marines were on hand to protect American-owned property, which they accomplished as usual.“[20]
Der Aufstand umfasste etwa 10.000 Afro-Kubaner; die Zahl der Toten ist schwer zu bestätigen; die kubanische Armee sprach in Zusammenarbeit mit den US-Marines von 16, während Schätzungen der Einheimischen bei 5.000 bis 6.000 lagen[21]. Die Ereignisse im Osten Kubas hatten jedoch weitreichendere Wurzeln. Kuba-Historiker Louis A. Pérez beschreibt es wie folgt:
„What occurred in eastern Cuba in 1912 was only marginally related to the armed movement organized by the Partido Independiente de Color. The Independiente protest set in motion a larger protest. The political spark ignited the social conflagration, and the countryside was set ablaze. Disorders quickly assumed the proportions of a peasant jacquerie: an outburst of rage and the release of a powerful destructive fury directed generally at the sources and symbols of oppression. As is often the case with peasant movements, the uprising possessed a formless and desultory character. It was a popular outburst, born of social distress and directed not at government but at local social groups and specific conditions of abuse“[22]
3.1 Reform und Rache
Mit dem Zusammenbruch des Finanzsystems nach dem Preissturz des Zuckers in den frühen 1920er Jahren wurde die Fragilität des Zuckerbasierten ökonomischen Modells offensichtlich. Obwohl Präsident Machado mit Infrastrukturprojekten versuchte, Stabilität zu schaffen, konnte er die Fragilität des abhängigen ökonomischen Modells nicht beheben. Der verstärkte Rückgriff auf US-Kredite band Kuba enger an US-Interessen und verstärkte durch massive Kürzungen des Sozialhaushalts die Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Als Machado sich nach dem Ende seiner Amtszeit weiterhin an der Macht klammerte, führten die anhaltenden Spannungen schließlich zu massiven Generalstreiks, organisiert von der Kommunistischen Partei Kubas.
Die öffentliche Meinung wandte sich entschieden gegen Machado – die größte kubanische Zeitschrift, das Bohemia Magazin, schrieb am 6. August 1933: „As long as you occupy the Palace, the Palace will be seen by the people as a symbol of misery, blood and mourning. When you abandon it definitively, the Palace will recover the prestige that corresponds to the First Magistrate of the Nation… Abandon the Presidency, General.“[23]
Der Sturz Machados wurde sowohl von der Kommunistischen Internationale (3. Internationale) als auch von den Vereinigten Staaten unterstützt. Letztere waren besorgt über größere revolutionäre Bewegungen, die durch die massive Unbeliebtheit Machados die amerikanischen Kapitalinteressen in Kuba gefährden könnten.
Verarscht! Die 100-Tage-Regierung Grau.
Blöd wars‘ für die Vereinigten Staaten, als die folgende Regierung, geleitet von Medizinprofessor Grau San Martín, die sich aus den revolutionären von 1933 zusammensetzte, ab Herbst 1933 tatsächlich begann, Arbeiter und Bauern Politik zu treiben.
Wenn auch reformistisch; Frauen erhielten das Wahlrecht, das Platt-Amendment wurde aufgehoben, die kubanische Elektrizität wurde nationalisiert, der 8-Stunden-Arbeitstag und der Mindestlohn wurden verpflichtend für Unternehmen, Agrarreformen angekündigt und „Kubaner-Quota“ für ausländische Kapitalisten beschlossen, wonach ein Arbeitgeber mindestens 50% kubanische Staatsbürger beschäftigten müsse. Gleichzeitig deportierte die Regierung Zehntausende in Kuba lebende Haitianer nach Haiti, um dem rassistischem Sentiment großer Teile der kubanischen Bevölkerung nahezukommen.
Fidel Castro schrieb hierzu später:
„The so-called revolution of 1933 was a movement of struggle and rebellious-ness against injustice and abuse. It called for the nationalisation of the electric company and other foreign enterprises, and for the nationalisation of employment [but] Tens of thousands of Haitians were mercilessly deported to Haiti. According to our revolutionary ideas, that was an inhuman thing to do.“[24]
Die Vereinigten Staaten zeigten sich glücklich über die sozio-ökonomisch fortschrittliche Politik der Revolutionäre unter Grau – nein, natürlich nicht: Nach nur 100 Tagen wurde die Regierung Grau von den Vereinigten Staaten, mit Hilfe eines jungen, erfolgreichen Offiziers namens Fulgencio Batista y Zaldíva, gestürzt.
Batista hatte es zuvor geschafft, sich im Chaos der 33er Revolution über Nacht an die Spitze des Militärs zu stellen – so baute er in den 100 Tagen der Grau-Regierung seinen Einfluss in absurder Geschwindigkeit zu einem Punkt aus, dass es für die Vereinigten Staaten schnell klar wurde, dass es der junge Strippenzieher Batista ist, auf den sie in Zukunft setzen müssten:
„Als das Revolutionskomitee im Herbst 1933 den Generalstreik gegen Diktator Machado ausrief, setzte er sich an die Spitze der Bewegung – mit einem Trick: Am Abend des 3. September gab er den diensthabenden Unteroffizieren, die er zuvor auf seine Seite gezogen hatte, im ganzen Land telefonisch die Losung durch: »Die Spieße übernehmen das Kommando.« Seine Leute verriegelten daraufhin die Kasernen und verweigerten am nächsten Morgen den Offizieren den Zugang. Die Armee war führungslos – und meuterte unter Batistas Führung.“ (Spiegel)[25]
Nach Graus Entmachtung agierte Batista als nominell unsichtbarer, aber faktisch dominanter Akteur, indem er mit den Militär- und Elitekreisen ein Klientelnetzwerk bildete, das auf der Kontrolle von Schlüsselressourcen und Repressionsinstitutionen beruhte.
Richard Gott beschreibt die Jahre 1934 bis 1939 als eine sozio-ökonomische Konterrevolution gegen die Reformen der Grau-Regierung.[26] Batista garantierte durch sein militärisches und polizeiliches Gewaltmonopol die Aufrechterhaltung und Intensivierung der US-Kapitalfreundlichen Herrschaftskonstellation, indem er oppositionelle Kräfte ausschaltete und jede emanzipatorische Mobilisierung unterdrückte. Die politische Oligarchie sicherte sich ihre Macht durch eine Mischung aus Korruption, Patronage und Repression.
Die offizielle Staatsführung war in dieser Zeit ein ständiges Karussell: Zwischen 1934 und 1940 wechselten sieben Regierungen in schneller Folge. Doch alle standen unter der Kontrolle Batistas, der die Ereignisse im Hintergrund lenkte:
„Batista manipulated events behind the scenes during the civilian governments of the 1930s – seven followed in quick succession from 1934 to 1940 – before finally submitting himself for election, successfully, in October 1940.“ (Richard Gott)[27]
Durch den massiven Ausbau des Repressionsapparat kam es auf dem Land kam es zu einer Welle revolutionärer Erregung: Arbeiter übernahmen Zuckerfabriken, bildeten Arbeitermilizen und setzten Manager gefangen. Auch in den Städten entfaltete sich eine intensive Klassenkonfrontation: In Havanna kam es zu offenen Straßenkämpfen zwischen Revolutionären – oft Kommunisten und Anarchisten – und Reaktionären der faschistischen „ABC“-Partei. Afro-kubanische Aufstände gehörten ebenfalls zum Alltag.
Ein US-Bericht fasste die Lage so zusammen:
„Within less than a month the number of mills under labour control was estimated at thirty-six. Soviets were reported to have been organised at Mabay, Jaronú, Senado, Santa Lucia, and other centrales. At various points mill managers were held prisoners by the workers. Labour guards were formed, armed with clubs, sticks and a few revolvers, a red armband serving as uniform. Workers fraternised with the soldiers and police. […] Relief committees supplied food to the strikers and their families, and in some cases became subsistence commissions for the whole population of the strike area. At various points these committees allocated parcels of land to be cultivated by the field workers.“[28]
Die revolutionären Bewegungen hatten dabei starke internationale Bezüge. Viele kubanische Anarchisten und Kommunisten schlossen sich dem Kampf gegen Franco im Spanischen Bürgerkrieg an. In Kuba selbst unterstützte die „Solidaridad Internacional Antifascista“ die spanischen Antifaschisten finanziell.
3.2 „One favorable Development“: Die 1940 Verfassung
Große Teile der Arbeiter im maritimen Sektor, in der Eisenbahn, im Tabak und in der Gastronomie waren in anarchosyndikalistischen Gewerkschaften organisiert, die sich nach der Oktoberrevolution zunehmend marxistisch-leninistisch orientierten. In diesem Umfeld gewann auch die Kommunistische Partei Kubas (PSP) an Bedeutung.
Am Ende der 1930er Jahre entschied sich Batista, ohne eigene populäre Basis, zu einem politischen Bündnis mit den Kommunisten:
„At the end of the 1930s, Batista was a military man lacking a popular base. So he decided to create a political coalition with the help of the Partido Comunista Cubano. And the PCC entered into a pact with Batista. In exchange for its services and its support in the next presidential election, the PCC was handed the recently created Confederación de Trabajadores de Cuba (CTC Cuban Confederation of Workers). […] Thus, for the first time in Cuba, there was a marriage of unionism and the state.“ (Frank Fernández)[29]
Die Verfassung von 1940
Im Kontext dieser sozialen Kämpfe entstand die Verfassung von 1940, die der kubanische Historiker und Anarchist Frank Fernández als „one favorable development under Batista“[30] bezeichnete. Sie verbot erstmals „Rassentrennung“, stärkte die Rolle des Staates in Wirtschaft und Bildung und hob das Platt Amendment – das US-Interventionsrecht – formal auf.
Doch die Wirkung blieb begrenzt. Zwar eröffnete die Verfassung neuen Organisationen Handlungsspielräume…
„The guarantees of the 1940 Constitution permitted them to legally create an organization of this type, and it was thus that they agreed to dissolve the two principal Cuban anarchist organizations, the SIA and FGAC, and create a new, unified group, the Asociación Libertaria de Cuba (ALC), a sizable organization with a membership in the thousands.“(Frank Fernández)[31]
In der Praxis jedoch blieben die Eigentums- und Machtverhältnisse unangetastet – Großgrundbesitzer und US-Zuckerunternehmen dominierten weiterhin, Landreformen blieben halbherzig. Afro-Kubaner blieben trotz des Verbots der Segregation marginalisiert, Apartheits-Praktiken hielten an, und Strategien der „Aufhellung“, d.h. der „Weiß Machung“ der kubanischen Bevölkerung, schwächten ihre soziale Position weiterhin.[32]
Auch die politische Kultur blieb von Korruption und Patronage bestimmt. Selbst Regierungen mit revolutionären Versprechen – wie die erneute Regierung von Grau San Martín (1944-1948) – setzten keine tiefgreifenden Reformen durch.
Carlos Prío Socarrás Regierung (1948-1952) brachte die Enttäuschung der zweiten Grau-Regierung auf einen Höhepunkt: Príos Amtszeit gilt als Höhepunkt des „Gangsterismo“, d.h. der Verflechtung von organisierter Kriminalität und Politik, die sich durch Straßenschlachten rivalisierter, oft Staatsfinanzierter Banden und eine nahezu absurde Korruption auszeichnete (Sein Bruder Antonio Prío war darauf bedacht, ein Vermögen aus dem Import verschiedenster Drogen anzuhäufen, was durch die Unterstützung des Chefs der kubanischen Polizei erleichtert wurde.)[33]
4. Gangsterismo
Die enge ökonomische Abhängigkeit von den USA blieb über die Jahre Grau-Príos (1944-1952) bestehen: Amerikanische Konzerne kontrollierten weite Teile der Zuckerwirtschaft, diplomatischer Druck und militärische Kooperation verhinderten strukturelle Veränderungen. Die Arbeiterbewegung sah sich zunehmender Institutionalisierung, Repression und Kooptation ausgesetzt, während soziale Verbesserungen ausblieben. Politische Organisation der Opposition wurde im beginnenden Kalten Krieg von wachsendem Antikommunismus überlagert, der die Vereinigten Staaten von der massiven Finanzierung reaktionärer Kräfte überzeugte.[34]
Diese Finanzierung lief u.a. über antikommunistische Gewerkschaften ab, die regelmäßig Anschläge auf Kommunistische Gewerkschaften verübten – für die Propaganda Batistas waren diese Schießereien gefundenes Fressen; die „Lawlessness“ und der „Gangsterismo“ unter Präsident Prío wurde Nährboden für die widerstandslose totale Machtübernahme Batistas im März 1952:
„Batista’s new regime was widely welcomed. After a perfunctory attempt to preserve the constitutional niceties, and to repeat his experience of the 1930s by finding a figleaf president, Batista appointed himself as chief of state. He invoked the name of Martí in his first public speech and associated himself with the popular aspiration for progress and democracy, and for peace and justice; it was an impeccable performance.“ (Richard Gott)[35]
Zwei Sicherheitsbeamte starben während des Putsches – niemand wurde verhaftet; warum denn auch? Präsident Príos Aufrufe zum Generalstreik wurden entweder ignoriert, oder im Fall der Anarchisten der CTC, sogar von Batista begrüßt:
„Banks, offices, government departments, did not open, soldiers standing outside doors to prevent office workers from arriving. Batista’s ends were indeed served by this action of the CTC more than hindered. Newspapers were not distributed. The ‘workers’ palace’, the Communist headquarters, the Ortodoxo and Autentico headquarters in all cities were all guarded and men were turned politely but firmly away. (Thomas Hugh)[36]
Bereits vor Sonnenaufgang ließ er die ranghohen Offiziere des Militärs verhaften, die in Camp Columbia stationiert waren, und übernahm noch vor Tagesanbruch die Kontrolle über Havanna. Präsident Prío floh in die mexikanische Botschaft, und fand hier Asyl.[37]
Die erst verwunderten Vereinigten Staaten erkannten Batistas Herrschaft binnen weniger Tage an – sie kannten ihn nun mal bereits recht gut:
Im Gegenzug zur Anerkennung musste Batista den Vereinigten Staaten versprechen, härter gegen die kubanischen Kommunistischen und Anarchisten vorzugehen – kein Problem für Batista: Um den Vereinigten Staaten zu zeigen, wie ernst er es meinte, gründet Batista etwas später das „Büro zur Unterdrückung kommunistischer Aktivitäten“ (BRAC), wobei sich US-Botschafter Arthur Gardner später als dessen „Vater“ bezeichnen würde:
„Allen Dulles, the new director ofthe Central Intelligence Agency, had a long conversation with Batista about this time, being ‘not unfavourably impressed’: the U.S., according to Allen Dulles, helped Batista’s intelligence organization, though quite soon it declined in quality, and for the next two years ‘most of the money’ meant for the BRAC ‘never reached the proper destination’.“ (Thomas Hugh)[38]
In seiner ersten öffentlichen Rede verband er sich mit den populären Bestrebungen nach „Fortschritt, Demokratie, Frieden und sozialer Gerechtigkeit“ und berief sich auf den Namen Martís – Parallel dazu erhöhte die neue Regierung die Gehälter von Polizei und Armee, während Kongressabgeordnete und Senatoren weiterhin ihre Bezüge erhielten.
Hätte der Durchschnittskubaner den Putsch verschlafen, hätte er wohl erst garnicht mitbekommen, dass die Herrschaft nun eine andere war.
Die Militärjunta präsentierte sich als Garant eines geordneten Staatswesens, das ein Regime von „Gangsterismo“ und Korruption verhindern sollte, dass die Institutionen zerstört, Unordnung geschaffen und die finsteren Pläne der vorherigen Regierung zur unrechtmäßigen Verlängerung ihrer Amtszeit verstärkt hatte.
Zwar erklärte Batista, der sozialdemokratischen Verfassung von 1940 treu zu bleiben, doch suspendierte gleichzeitig verfassungsmäßige Garantien wie das Streikrecht. Im April 1952 verkündete er ein neues Verfassungsgesetz, die „Estatutos de Gobierno“, das insgesamt 275 Artikel umfasste und die „demokratische und fortschrittliche Essenz“ der Verfassung von 1940 bewahren sollte:
„Much of the constitution of 1940 was suspended, but most people, with the exception of the Ortodoxos, like Castro and his friends, gave the new government the benefit of the doubt. European and Latin American countries granted swift diplomatic recognition, followed […] by the United States.“ (Richard Gott)[39]
In der Praxis wurden Grundrechte, darunter Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit, jederzeit für 45-tägige Perioden automatisch ausgesetzt werden. Die traditionellen politischen Parteien wurden suspendiert, wobei offensichtlich war, dass eine eventuelle Reorganisation nur unter Batistas Bedingungen erfolgen würde.
Teil 2: Terror und kubanische Revolution
1. „Die Geschichte wird mich freisprechen“
Der junge Rechtsanwalt Fidel Alejandro Castro Ruz, der gerade eine Rechtsanwaltskanzlei in Havanna eröffnet hatte, plante zu den Parlamentswahlen 1952 für die reformistische „Orthodoxe Partei“ (Partido Ortodoxo) anzutreten, die zur kommenden Wahl die wichtigste Opposition zu Prío darstellte. Batistas Staatsstreich machte Castros Plänen einem Strich durch die Rechnung.
Castro war, wie viele andere Orthodoxe auf der Insel, früh desillusioniert gegenüber Batistas Martí-Bezügen und Souveränitätsfloskeln. Dass die frühe Ablehnung Batistas gerade von den Orthodoxen Kubas kam, hing mit den grundsätzlichen politisch-religiösen Anliegen der Orthodoxen Kubas zu dieser Zeit zusammen: Die Partido Ortodoxo sah die Korruption, Bindung an US-Kapital und Gangsterismo unter Prío als Gründe für dessen Ablehnung, nicht jedoch den die konstitutionelle Demokratie an sich, die sie insbesondere mit der Verfassung von 1940 als Möglichkeit sahen, Kuba von dessen Plagen zu befreien. Die Abschaffung jener Verfassung war für die Orthodoxen der Insel also nicht nur die Abschaffung eines prinzipiell fortschrittlichen Dokuments, sondern der Möglichkeit, das Leben der Kubaner durch demokratische Partizipation zu verbessern – ein idealistischer Widerspruch (warum sollte das US-Kapital dessen Abschaffung dulden?), der dennoch den Boden für den kommenden Widerstand ebnete.
Nach Batistas Machtergreifung begannen also Castro und eine Gruppe von rund 160 jungen Männern und einigen Frauen monatelang Waffen und Training zu organisieren, um sich auf der Basis des in der Verfassung von 1940 verankerten Widerstandsrechts gegen die Abschaffung jener Verfassung zu wehren.[40]
Die Re-Putschisten teilten sich in mehrere Einsatzgruppen auf und versuchten, neben der Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba auch das Zivilkrankenhaus und den Justizpalast ebenda einzunehmen – Die Rebellen um Castro waren schlecht bewaffnet, trafen auf tausend gut ausgerüstete Soldaten und scheiterten rasch.
In den folgenden Tagen wurden über siebzig der Aufständischen gefangen genommen und vielfach hingerichtet, während Fidel und sein Bruder Raúl Castro schließlich in Haft gerieten. [41]
Die Motive der Gruppe lagen in der Ablehnung Batistas, dem sie Korruption und Tyrannei vorwarfen, sowie im Ziel, die von Batista außer Kraft gesetzte Verfassung von 1940 wiederherzustellen. Castro verstand den Aufstand als Fortsetzung des Erbes José Martís und erklärte die Gewalt für notwendig, um den Staatsumbau Batistas zu vermeiden.
Die Folgen des gescheiterten Angriffs prägten Batistas Herrschaft nachhaltig und rasch; Blutige Repression gegen jegliche Regimekritiker, bei der Gefangene systematisch erschossen und Folter institutionalisiert wurde, ließ die Bevölkerung erschüttert zurück und schränkte auch für die politisch Desinteressierten bürgerliche Freiheiten massiv ein.
Trotz der Niederlage wandelte sich Castro durch den Prozess und seine Verteidigungsrede „Die Geschichte wird mich freisprechen“ zu einer politischen Symbolfigur – So wurde der Moncada-Angriff, obwohl militärisch erfolglos, zum Ausgangspunkt einer Dynamik, die Castro als legitimen Führer einer neuen Generation von Oppositionellen etablierte.
In seiner Verteidigungsrede, die Fidel wirklich zur Verteidigung seiner revolutionären Ideale nutzte, sprach er nach einer fähigen Analyse der kubanischen materiellen Bedingungen, wie folgt:
„Es bleibt dem Gerichtshof noch ein ernsteres Problem zu lösen: die Straftat der siebzig Morde [die hingerichteten Rebellen des Moncada-Angriffs, s.o.], das heißt des größten Massakers, das uns bekannt geworden ist; die Schuldigen befinden sich auf freiem Fuß und sind bewaffnet, so dass sie eine dauernde Bedrohung für das Leben unserer Bürger darstellen; wenn nicht das ganze Gewicht des Gesetzes auf sie fällt, aus Feigheit oder weil das Gericht es verhindert und nicht geschlossen zurücktritt, dann tut mir Eure Ehre leid, und ich beklage den beispiellosen Makel, der auf die Rechtsprechung fallen wird. Was mich selbst betrifft, so weiß ich, dass der Kerker hart sein wird wie nie zuvor für einen Menschen, verschärft durch Drohungen, durch gemeine und feige Wut, aber ich fürchte ihn nicht, wie ich den Zorn des elenden Tyrannen nicht fürchte, der meinen siebzig Brüdern das Leben raubte. Verurteilt mich; das hat nichts zu bedeuten; die Geschichte wird mich freisprechen.“[42]
1.1 Konzentrationslager und Folter
Ab dem Anschlag auf die Moncada nahm die exzessive Gewalt des Batista-Regimes eine vollkommen neue Dimension an:
Selbst unvermeidbare Verletzungen aus Unfällen wurden als Vorwand für Festnahmen und Misshandlungen genutzt, um jeglichen Widerstand schon im Keim zu ersticken, während das Kabinett am 26. Juli 1953 ohne große Diskussion ein Dekret verabschiedete, das den Artikel 26 des Gefängnisstatuts aufhob und die Gefängniswärter damit ihrer Verantwortung für das Leben der Gefangenen entband, was die rechtliche Grundlage für die Willkür der Sicherheitskräfte weiter erodierte.
Nur wenige Wochen später, am 6. August 1953, beschloss Batista unter direktem Dekret ein verschärftes Gesetz zur öffentlichen Ordnung, dass jede oppositionelle Presse mundtot machte und faktisch dazu führte, dass der Journalismus in Kuba fast vollständig zum Erliegen kam, während die Verfassungsgarantien routinemäßig außer Kraft gesetzt wurden.
Zudem erließ Batista mit Hilfe des „Büro zur Unterdrückung kommunistischer Aktivitäten“ (BRAC.) 1954 ein Dekret, das es erlaubte, Arbeiter zu entlassen, wenn sie als „Kommunisten“ vermutet wurden.
Das Regime reaktivierte die historischen „Voluntarios“ (s.o.) unter dem Namen „Los Tigres“ und führte sie unter Führung Rolando Masferrers als paramilitärische Truppe zur härtesten Repressionsverlängerung des Staates ein, während gleichzeitig die Strategie der „Reconcentration“ von Bauernfamilien aus ländlichen Gebieten Anwendung fand, die an die Konzentrationslager-Methoden General Weylers aus dem 19. Jahrhundert andockte und darauf abzielte, den Rebellen jegliche Unterstützung aus der elenden Bauernklasse zu entziehen.
Die vertriebenen Bauern wurden aus ihren Häusern gewaltsam entfernt, wobei Personen, die in den geräumten Zonen angetroffen wurden, häufig umgehend erschossen oder aus der Luft bombardiert wurden.
„Taking a leaf from Weyler s book, Batistas men began ‘re-concentrating* the peasants on the lower slopes of the Sierra Maestra, clearing them from their fields and homes to prevent them making common cause with the guerrillas. Anyone found in the cleared area would be shot on sight. In a twentieth-century development of an old strategy, they could be bombed from the air.“ (Richard Gott)[43]
Die Repressionswelle wurde durch ständige Verhaftungen weiter verschärft, wobei zahlreiche Menschen wegen Brandstiftung auf Zuckerrohrfeldern oder des (meist willkürlichen) Verdachts auf Bombenanschläge inhaftiert und häufig hingerichtet wurden.
Ergänzend dazu ordnete der Staat die Schließung von Sekundarschulen an und verbot die für 1957 geplanten Zwischenwahlen zum Kongress, was die politische Teilhabe der Bevölkerung auf null setzte. Angesichts der zahllosen, nach dem Moncada-Angriff dokumentierten Gräueltaten schwand das Vertrauen in Batistas Versprechen, die Verantwortlichen für Folter zu bestrafen, da die Polizei zu einem nahezu autonomen und unkontrollierbaren Gewaltapparat heranwuchs.[44]
1.2 Granma und Konzentration der Guerilla
Kurz zuvor (1955) lernte der junge argentinische Mediziner Ernesto „Che“ Guevara Fidel Castro kennen, welcher Che davon davon überzeugte, seine revolutionären Ambitionen von Argentinien nach Kuba zu verfrachten – er schloss sich der Gruppe um Castro an und wuchs binnen weniger Monate vom Feldarzt zum ersten Guerillero nach Castro an.
Castro und seine Gefolgsleute hatten im gleichen Jahr die „Bewegung des 26. Juli“ , benannt nach dem Datum des Angriffs auf die Moncada-Kaserne, gegründet und erhielten neben etlichen Neuankömmlingen finanzielle Unterstützung von exil-Expräsident Prío (s.o.) und der US-amerikanischen Mafia, die mit der Finanzierung der Bewegung sicherstellen wollten, dass falls diese Erfolg haben sollte, sie weiterhin ihre Casinos, Nachtklubs und Drogenhandel auf der Insel tolerieren würden.[45]
Im Dezember 1956 landete Castro mit etwa 80 Gefolgsleuten, die zuvor Waffen und Training in Mexiko erhielten, auf der von Príos Geld gekauften Yacht „Granma“ im Osten Kubas – wo sie von Batistas Truppen bereits erwartet wurden:
„Kampfflugzeuge kamen dem 20 Meter langen Boot im Tiefflug entgegen, empfingen die Revoluzzer mit Bomben und Schusssalven. Die wenigen, die den Angriff überlebten und sich barfüßig an den Strand schleppten, wurden dort von den alarmierten Armeepatrouillen gejagt. Etliche Rebellen starben im Gemetzel, die Überlebenden retteten sich in die dschungelüberwucherten Berge der Sierra Maestra.“ (Spiegel)[46]
Die Zahl der Guerilla-Verluste, während der „Granma Operation“ ist unklar, aber ohne Frage erheblich:
„There may at one moment in early December have been only twelve men in the Sierra around Fidel Castro, as invariably argued since, no doubt to suggest Christ-like parallels […] Camilo Cienfuegos in an interview published in Revolution, 4 January 1959, spoke of ‘only eight men being left’ after Alegria de Pio [disastrous battle during the Operation]. Ameijeiras in another interview published 8 January 1959 said, ‘of the eighty-two men who embarked on the Granma there remained not twelve – as Batista said – but nine’“ (Thomas Hugh)[47]
Die Verschärfung der Repression durch das Verbot der Zwischenwahlen 1957 und die Schließung von Schulen trug dazu bei, dass die revolutionäre Opposition – besonders unter Studenten und Bauern – massiv an Beliebtheit gewann.
Castros Guerilla baute ihren Einfluss trotz der massiven Verluste aus dem Granma-Debakel also stetig aus – Mit gezielten Angriffen auf Polizei- und Militärposten sowie strategischer Propaganda gewann die Bewegung zunehmend Rückhalt in der Bevölkerung, insbesondere bei Bauern, die unter Batistas „Reconcentration“-Politik litten.
2. Vorabend der Revolution
Batista genoss auf Seiten der schwarzen und afro-kubanischen Bevölkerung weiterhin beträchtliche Unterstützung, da er seine eigene afro-kubanische Herkunft geschickt instrumentalisierte, offen afro-kubanische Traditionen pflegte und vor allem Schwarze überdurchschnittlich häufig in Armee und Polizei integrierte.
Obwohl Castro versuchte, schwarze Revolutionäre für sich zu gewinnen, wurden seine Anhänger von schwarzen Soldaten häufig diffamierend als „weiß“, im Sinne des Verrats an der Schwarzen-Sache, bezeichnet und Batista als „Freund der Schwarzen“ gesehen – der Duktus der Batista-Unterstützung zog im Laufe der Zeit eine klare soziale und strukturelle Grenze zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen:
„Another reason for the lack of black support [for Castro] was the emotional and political investment that many blacks had made in the dictator. Batista was a mulatto [kolonialer Begriff für Menschen mit einem weißen und einem Schwarzen Elternteil], a lower-class figure in origin, much despised and ridiculed by the traditional white ruling elite. Blacks could identify with him: he too was barred from exclusive whites-only clubs; he participated openly in the rites of Santeria; and he gave support to the indiginous ceremonies popular with Afro-Cubans. Batista’s role as an outsider, an opponent of the traditional white political system that had never done much to support the blacks, made him something of a role model for many poor blacks. The percentage of blacks in Batista’s army and police force was well above the national“ (Richard Gott)[48]
2.1 Rückhalt und Stimmungswechsel
Nichtsdestotrotz veränderte sich das gesellschaftliche Klima in Kuba maßgeblich ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre.
Die von Regierung und Arbeitgebern forcierten Lohn- und Stellenkürzungen stießen auf Widerstand, während die korruptionsverdächtige Gewerkschaftsführung um Eusebio Mujal mit dem Regime kollaborierte und so zur Herausbildung informeller Strukturen der Arbeiter zur Verteidigung ihrer Interessen beitrug, insbesondere im Osten der Insel.
Immer größere Teile der Arbeiterklasse erkannten die Aussichtslosigkeit reformistischer Lösungsansätze und entwickelten neue Aktionsformen: Während der Bewegung des 26. Juli der bewaffnete Aufstand als Strategie galt, setzte die Kommunistische Partei auf Massenmobilisierungen; in dieser Gemengelage entstand mit dem „movimiento obrero beligerante“ eine Verbindung von gewerkschaftlicher Organisierung und Sabotage.
Infolge der Granma-Operation verschärfte der Staat die Repression auf einen Höchststand: mit Folter, Todesschwadronen und massiver Gewalt vor allem im Osten des Landes, was zwar zu einem Rückgang der Streiks führte, den Widerstand der Arbeiter jedoch nicht brach.
Vielmehr zeigten Sektoren der Textil- und Eisenbahnindustrie ein Wiedererstarken ihres Selbstvertrauens, und die Forderungskampagnen der kommunistischen Partei, etwa nach Lohnerhöhungen, stießen auf breite Resonanz.
In der Folge verlagerte sich der Schwerpunkt von offenen Arbeitskämpfen hin zu Sabotageformen und verdeckter Unterstützung der Guerilla:
„As 1957 progressed, the predominant political and social question became the continued existence of the dictatorship. This change in priorities from the economic to the political, combined with the growing realization that small-scale industrial action was becoming impractical in the face of repression, resulted in increased workplace sabotage and clandestine aid to the rebels, while the frequency of local or sector-based strikes decreased through 1957 and early 1958. As part of this process, the MR-26-7 set up a committee, chaired by Ñico Torres, to organize the spread of clandestine revolutionary working-class organizations from Guantánamo and Santiago to the rest of the island, and at the same time building a support network for the rebels in the hills.“ (Stephen Cushion)[49]
Die kubanischen Eliten und das Bürgertum stellten sich weiterhin geschlossen hinter das Regime. Batista galt als Garant von Ordnung und Stabilität, gestützt durch maßgebliche Wirtschaftsinteressen, allen voran die Zuckerindustrie und das Bankwesen, sowie durch ausländische Akteure und einflussreiche gesellschaftliche Kreise, namentlich der US-amerikanischen Mafia, die Kuba in den 1950er Jahren zu einer Casino- und Prostitutionsinsel für amerikanische Geschäftsleute ausbaute.
Auch die Vereinigten Staaten hielten an der Aufrechterhaltung eines Anscheins von Normalität fest: Amerikanische Geschäftsleute reisten weiterhin nach Kuba, und noch im März 1957 suchte der US-Marineadmiral Arleigh Burke Batista auf, um ihn angesichts der zunehmend aussichtslos erscheinenden Lage strategisch zu beraten.
Nichtsdestotrotz breitete sich auch in Washington die Skepsis gegenüber Batistas Möglichkeiten aus, die Arbeiterbewegung zu brechen:
„Liberal American opinion, exemplified by the New York Times and progressive elements within the CIA, had looked favourably on Castro, while the Eisenhower government, as much from inertia as from conservatism or anti-Comniunism, had contentedly gone on supporting Batista, although with a growing lack of conviction. While continuing to supply weapons, it never provided enough to allow Batista a military victory, nor indeed would his army and airforce have been technically equipped to cope with an influx of more sophisticated weapons.“ (Richard Gott)[50]
Kleinstes Größtes Übel
Für Batista wurde gerade die kleine Anzahl der Rebellen um Castro, nie größer als 2000[51], das größte Problem bei deren Bekämpfung.
Seine Armee von 40.000 war ineffizient, die Polizei schwach, freiwillige Unterstützung nicht vorhanden, und das Offizierskorps durch Tabernilla und andere korrupte Generäle blockiert.
Zudem hinderte Batista die geringe Zahl der Rebellen daran, in der bergigen Region Sierra Maestra, wo die Guerillas quartierten, mit aller Härte vorzugehen, ohne seine eigene Propaganda (bei den wenigen, die noch an sie glaubten) zu widerlegen. Batistas Regime zeigte sich unfähig, einer gut verankerten revolutionären Bewegung mit Bauernunterstützung wirksam zu begegnen.
Dennoch war es Mitte 1957 nicht zwangsläufig zum Untergang verurteilt – Guerillas hatten in anderen Ländern jahrzehntelang ohne Sieg existiert. Entscheidend für Batistas Sturz war nicht allein die Sierra, sondern vor allem der Kampf in Havanna, Santiago und in Washington, wo die Rolle mit dem schwindenden Vertrauen gegenüber Batista widersprüchlich blieb:
„After just two years in the mountains, Castro had dominated his rivals elsewhere and was on the verge of victory. He had been fortunate in his field commanders, a mere bunch of amateurs two years earlier. Guevara, Cienfuegos and his brother Raúl had all shown exceptional qualities of leadership and strategic vision and were rewarded by the affection and loyalty of their men. Castro had also been fortunate, or perhaps skilful, in ensuring that United States policy towards his guerrilla band had remained divided and uncertain.“ (Richard Gott)[52]
2.2 Generalstreik und Volksfront
Im Verlauf des bewaffneten Konflikts, geprägt von Castros zunehmender Guerillakampagne in der Sierra Maestra und der stetig wachsenden Anzahl von Anschlägen und Sabotageakten gegen Staatsorgane sowie wirtschaftliche Einrichtungen, schloss sich die Mehrheit der Bevölkerung der sich abzeichnenden siegreichen Seite Castros an, da Batistas militärische Niederlage immer offensichtlicher und unabwendbar wurde.
Neben der offensichtlichen militärischen Niederlage drängte die exzentrische Gewalt den Großteil der Kubaner, sämtlicher ethnischer und kultureller Hintergründe, hin zur Opposition – willkürliche Polizeiexekutionen, massenhaftes „Verschwindenlassen“ von jeglichen Oppositionellen und willkürliche Verschleppungen ganzer Dörfer in die Konzentrationslager der „Los Tigres“ (s.o.):
„Whatever the wider doubts about the exact state of the economic and societal crisis in Cuba in the 1950s, the repression of the Batista years was a reality that provoked cries of revenge as well as demands for a better future. The struggle against the dictator, for most activists in the July 26 Movement, was motivated as much by a desire to get rid of a foul oppressor as by hopes of a better society to come. This was why Castro initially received such wide support across the deep divisions in Cuban society. When visiting Princeton in April 1959, Castro attributed the success of the Revolution to the widespread Tear and hatred of Batistas secret police‘ […].“ (Richard Gott)[53]
Gescheiterter Generalstreik
Am Morgen des 9. April 1958 rief ein unbenannter Kämpfer der Bewegung des 26. Juli (M-26-7) über die Radios Kubas zum „revolutionären Generalstreik“ auf:
„Attention Cubans, this is the 26th of July Movement calling to a Revolutionary General Strike! Today is the day of freedom, the day of the Revolutionary General Strike. Forward, Cubans, as from this moment the final struggle begins in all of Cuba that will only end with the overthrow of the dictatorship! Workers, students, professionals, bosses, join the revolutionary general strike, from this moment“.[54]
Die Vorberatungen für den Generalstreik begannen, nachdem Studierende wenige Monate zuvor einen erfolgreichen Bildungsstreik führten – Faustino Pérez, dritter in der M-26-7, sah somit die Zeit reif für einen Generalstreik, der die Revolution vollenden sollte.
Die Vorbereitungen für den Streik, namentlich die geplante Übernahme der Einheitsgewerkschaft CTC, Besorgungen von Waffen und Logistik sowie Absprache mit relevanten Arbeitnehmervertretungen in den Schlüsselindustrien, wurden im Vorhinein getroffen – die Rebellen standen bereit. [55]
Nichtsdestotrotz scheiterte der Generalstreik kläglich: In Havanna fehlten Vorbereitungen und Kommunikation, viele Arbeiter wurden vom plötzlichen Aufruf überrascht und fühlten sich nicht verantwortlich für die Aktion.
Die M-26-7 hatte kaum Erfahrung in gewerkschaftlicher Arbeit, verfolgte eine militärische Sichtweise des Streiks und ignorierte klassenbasierte Forderungen, wie sie die Kommunistische Partei erhob. Statt auf die Selbstaktivität der Arbeiter setzte man übermäßig auf Sabotage und bewaffnete Aktionen, überschätzte die eigenen Kräfte und scheiterte schließlich an der militärischen Übermacht des Regimes.
Zudem führte das Misstrauen der anti-kommunistischen Mitglieder der MR-26-7 gegenüber der PSP zu fehlender Einheit in der Opposition; gemeinsame Streikkomitees kamen nicht zustande, und die PSP war vom Großteil der Planungen ausgeschlossen.
Batista reagierte wie erwartet; Polizei und Armee schossen ohne Rücksicht auf die protestierenden Zivilisten, prominente Aktivisten der MR-26-7, namentlich Antonio Sánchez, wurden hingerichtet – Batistas Polizeichef ordnete explizit an, keine „Verletzten oder Gefangenen“ zu nehmen.[56]
Dennoch: Aus dem Fehlschlag von 1958 erwuchs die Einsicht, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen MR-26-7 und PSP notwendig war, was den Grundstein für spätere Erfolge legte.[57]
3. Strategische Neuausrichtung und Sieg
Der gescheiterte April-Streik von 1958 markierte einen Wendepunkt für die kubanische Revolution und zwang die Rebellen zu einer grundlegenden strategischen Neuausrichtung. Für die Movimiento MR-26-7 wie auch für die PSP wurde deutlich, dass ihre bisherigen Taktiken nicht ausreichten und die Beziehungen zwischen beiden neu justiert werden mussten.
Faustino Pérez, der die Gesamtverantwortung für den Streik getragen hatte, erklärte später, dass der Erfolg des August-Streiks von 1957 eine falsche Einschätzung der Kräfteverhältnisse erzeugt habe und damit wesentlich zum Scheitern beitrug. Der April-Streik zeigte, dass der „lenkende Wille des Zentrums“ ohne die breite Beteiligung der Massen nicht wirksam sein konnte.[58]
Auf einem Treffen in Los Altos de Mompié in der Sierra Maestra am 3. Mai 1958 zog die revolutionäre Führung die Konsequenzen aus diesem Fehlschlag – Zum einen wurde der Guerillakampf als vorrangige Form des Widerstands festgelegt, zum anderen beschlossen die Rebellen, ihre Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei innerhalb der Arbeiterbewegung zu vertiefen: Die Annäherung zwischen MR-26-7 und PSP mündete schließlich in der Gründung des Frente Obrero Nacional Unido (FONU), das zwei große Arbeiterkongresse in den von Rebellen kontrollierten Gebieten organisierte. Diese Kongresse verliehen der Bewegung zusätzliche Legitimität in den Arbeiterkreisen und bereiteten einen Generalstreik vor, der zu Beginn der nächsten Zuckerernte im Januar 1959 stattfinden sollte, um die größtmögliche ökonomische Wirkung zu entfalten.
Parallel dazu errangen die Rebellen weitreichende militärische Erfolge. Sie schlugen bis August 1958 Batistas großangelegte „Sommeroffensive“ zurück, was nicht nur die Moral der Opposition stärkte, sondern auch die MR-26-7 als führende Kraft im Kampf gegen das Regime bestätigte. Raúl Castro eröffnete im März 1958 eine zweite Front in der Sierra Cristal, während Juan Almeida erstmals auch nördlich von Santiago eine dritte Front hielt.[59]
Guevara drang in die zentrale Provinz Las Villas vor, und Camilo Cienfuegos wurde in die westliche Provinz Pinar del Río entsandt. Diese militärischen Vorstöße, kombiniert mit dem wachsenden Vertrauen der Bevölkerung, führten dazu, dass immer mehr Arbeiter den Rebellen ihre aktive Unterstützung zusicherten. Bis Ende 1958 schätzte David Salvador die Mitgliederzahl der „Sektion Obrera“ der MR-26-7 bereits auf 15.000.[60]
3.1 Batistas Flucht
Batistas unerwartete und plötzliche Flucht am 1. Januar 1959 machte ein rascheres Vorgehen erforderlich: Um einem drohenden Militärputsch zuvorzukommen, rief Fidel Castro den Generalstreik vorzeitig aus.
Dieser war keineswegs eine spontane Aktion, sondern das Ergebnis sorgfältiger Vorbereitung und einer hohen Organisationskraft innerhalb der Arbeiterbewegung (s.o.). Der Streik verhinderte erfolgreich einen Putschversuch, sicherte Havanna und ebnete endgültig den Weg für den Sieg der Revolution.
Er machte zugleich die überwältigende Popularität des Rebellen-Triumphes sichtbar und zwang die Armeeführer, ihre Pläne rasch aufzugeben und ihre Posten zu verlassen.
Den Weg hierhin fasst Steve Cushion in seinem Werk „A Hidden History of the Cuban Revolution“ wie folgt zusammen:
„From Batista’s coup in March 1952 until the fraudulent elections of November 1954, little changed from the days of Batista’s predecessor, President Carlos Prío Socarrás. The fall in the price of sugar caused a crisis in the economy, and from the end of 1954 until the end of 1956, there was a concerted effort by the government and the employers to increase productivity by reducing workers’ wages and decreasing staffing levels. This was achieved by a combination of collaboration with the trade union bureaucracy and relatively low levels of state repression, with police habitually beating workers with clubs and dousing them with fire hoses but with very few deaths. The arrival of the Granma and the start of the rebel insurgency was a crisis for the regime, whose approach changed in early 1957 as the forces of the state began to confront the armed guerrillas in the mountains. From this point in time, the regime used death squads, routine torture, and “disappearances” in an attempt to make organized resistance cower to its rule. April 1958 proved to be a crisis point for the rebels as their attempt at a general strike failed disastrously. This crisis caused both the Movimiento Revolucionario 26 de Julio (MR-26-7, Revolutionary Movement 26 of July) and the communist Partido Socialista Popular (PSP, Popular Socialist Party) to rethink their tactics and their relationship with each other. It also gave increased confidence to the government and, during the summer and autumn of 1958, Batista launched a full-scale military attack on the rebels in their mountain strongholds. The failure to destroy the rebel army was the regime’s final crisis and created a situation in which a successful general strike would force the dictator from office.“[61]
Von einem Balkon in Santiago verkündete Castro am Folgetag den Sieg der Revolution: „The Revolution begins now […] This time it will not be like 1898, when the North Americans came and made themselves masters of our country. This time, fortunately, the Revolution will truly come to power“.[62]
Wenige Stunden später aß Castro mit dem US-Konsulaten und seiner Frau zu Abend[63]; was bei diesem Essen besprochen wurde, ist nicht bekannt – es ist jedoch ganz klar, dass die Vereinigten Staaten zum Zeitpunkt der Revolution noch darauf hofften, sie könnten ihre Interessen weiterhin auf der Karibikinsel vertreten – Wie gerne man da eine Fliege an der Wand gewesen wäre.
Teil 3: Sozialistischer Staat Kuba
Die kubanische Revolution begann mit dem Anspruch, politische Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit durchzusetzen. Sie stützte sich dabei auf ein breites Spektrum von Ideen, das sowohl reformistische wie auch radikal-transformativen Strömungen umfasste.
Während ein Teil der Unterstützer lediglich das Ende von Korruption und autoritärer Willkür sowie die Rückkehr zur Verfassungsordnung forderte, drängten andere auf tiefgreifende soziale Veränderungen, die die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft selbst infrage stellten.
In den ersten Jahren prägte ein stark voluntaristisches Ethos die Entwicklung: Umverteilungsmaßnahmen wie Landreform und Rationierung verbanden sich mit umfassender Volksmobilisierung, etwa durch die landesweite Alphabetisierungskampagne, den Aufbau von Massenorganisationen und die grundlegende Reform des Gesundheitswesens:
„The July 26th Movement began its experiment at governance on January 1st, 1959, with an enormous popular support and legitimacy. Its diverse supporters, though, had very different ideas about what kind of new system should replace the old. Some wanted merely an end to Batista’s corrupt rule and a restoration of constitutional order, with little fundamental social change. Others saw a more revolutionary opportunity in the collapse of the old order and the overwhelming popular mandate behind the new government. Could a revolution overcome dependency, poverty, and underdevelopment? Could it create a new society, and a new man?“ (Aviva Chomsky)[64]
Innerhalb der ersten Monate nach der Revolution, rückte sie zunehmend auf eine Linie nationaler Selbstbestimmung und wirtschaftlicher Kontrolle. Die MR-26-7 und die kommunistische PSP näherten sich einander an und verschmolzen schließlich 1965 zur Kommunistischen Partei Kubas (Partido Comunista de Cuba, PCC).
Innerhalb dieses Prozesses übernahm Ernesto „Che“ Guevara ab 1959 zunächst als Präsident der Nationalbank, später als Industrieminister die Aufgabe, eine eigenständige wirtschaftliche Strategie zu entwickeln – Ziel war es, die historische Abhängigkeit Kubas vom Zuckerexport zu überwinden und durch Industrialisierung eine neue, unabhängige ökonomische Grundlage zu schaffen.
Mit den 1970er Jahren setzte eine tiefere Institutionalisierung nach sowjetischem Vorbild ein – Kuba trat 1972 dem COMECON bei, führte ab 1975 Fünfjahrespläne ein und orientierte sich an einem zentralisierten Planungsmodell, das als Instrument der wirtschaftlichen Modernisierung verstanden wurde. Der erste Parteikongress der PCC 1975 und die Verfassung von 1976, die ein System der „Volksmacht“ (s.u.) schuf, konsolidierten den sozialistischen Staatsaufbau.
1. Schlachtfeldmentalität und Sieg
Die Vereinigten Staaten begegneten diesen Entwicklungen mit offener Feindseligkeit. Ihre Sorgen galten weniger den politischen Formen in Havanna als vielmehr den wirtschaftlichen Interessen amerikanischer Investoren und der Vorbildwirkung, die die kubanische Revolution auf die Region ausüben könnte:
„In the early years of the Revolution the issues of Soviet influence, human rights, or military threat to the United States rarely surface in U.S. diplomatic correspondence. Instead, what the State Department and the diplomats on the ground worried about was what kind of economic model Cuba was going to pursue, and in particular, how U.S. businesses in Cuba would be affected. Further, they were quite concerned about how the Cuban example might inspire other Latin American countries to attempt similar economic transformations to the detriment of U.S. investors.“ (Aviva Chomsky)[65]
In Washington befürchtete man, andere lateinamerikanische Gesellschaften könnten in Kuba ein Modell für eigenständige Entwicklung sehen und dadurch die Durchlässigkeit ihrer Märkte für US-Kapital und den Zugang der Vereinigten Staaten zu strategischen Rohstoffen in Frage stellen.
Bereits binnen weniger Monate nach dem Sturz Batistas entschieden sich die USA, die neue Regierung aktiv zu bekämpfen. Die offen aggressive Haltung der Vereinigten Staaten schuf auf der Insel ein Klima ständiger Bedrohung, das die revolutionäre Führung in ihrer Mobilisierung bestärkte und den innenpolitischen Kurs der revolutionären Radikalisierung beschleunigte.
Die Darstellung der Revolution durch die US-Presse, die die nachrevolutionären Prozesse pauschal als „Blutbad“ (Eine Revolution ist kein Gastmahl) brandmarkte, trug ihrerseits zur Polarisierung bei und festigte die Logik der Konfrontation.
Hauptsache Konterrevolution
Die Lateinamerika-Historikerin Aviva Chomsky beschreibt das gesellschaftliche Klima der Kubanischen Arbeiterklasse im ersten Jahrzehnt nach der Revolution als „Schlachtfeldmentalität“[66], in der sich der immense Druck auf die kubanische Revolution manifestierte.
Nach der Agrarreform 1959, bei der die Größe von Farmen auf ca. 1,3 Hektar beschränkt wurde und der Rest enteignet und umverteilt wurde, stoßen die Vereinigten Staaten in den ersten, verbal offenen Konflikt mit der kubanischen Revolution.
Viele der großen Zuckerplantagen, auf denen vor der Revolution noch de-jure Sklavenarbeit herrschte, gehörten US-amerikanischen Konzernen, die sich im Anschluss an die Agrarreform bei ihrem Außenministerium beschwerten:
„The State Department concurred that “agrarian reform law causing great consternation in U.S. Government and American sugar circles.” Thirty of the 34 U.S.-owned sugar mills sent representatives to meet with the U.S. Ambas sador the following day, protesting that their businesses would be severely affected by the reform.“ (Aviva Chomsky)[67]
Nach gescheiterten Versuchen, mit „moderaten“ Kräften in Kuba, d.h. Konterrevolutionären, zusammenzuarbeiten, entschlossen die Vereinigten Staaten, dass die Revolution schnellstmöglich zu stoppen sei.
Die von der CIA entwickelten Strategien reichten dabei von der Sabotage zentraler Produktionssektoren, insbesondere der Zuckerindustrie, die den Kern der nationalen Wertschöpfung und zugleich das wichtigste Exportgut darstellte, bis hin zu offenem militärischem Eingreifen.
1.1 Schweinebucht-Fiasko
Das Scheitern der Schweinebucht-Invasion im April 1961, dass JFK-Berater Arthur M. Schlesinger als „größeres Fiasko“ in der Geschichte der amerikanischen Außenpolitik bezeichnete, war dabei die absolute Zäsur für den Verlauf und die Ausrichtung der kubanischen Revolution:
Der Plan sah vor, dass 1300 Exilkubaner an der zwischen Havanna und Trinidad gelegenen Bahía de Cochinos (Schweinebucht) landen und die örtliche Landepiste nur so lange halten sollten, bis die von US-Offiziellen handverlesene „Exilregierung“ aus pro-amerikanischen Kubanern aus Miami eingeflogen wäre. Diese sollte dann Castro töten und die Herrschaft in Kuba an sich reißen – Die amerikanischen Investoren hätten so ihre Plantagen zurückerhalten, die Revolution wäre gebrochen, Ende gut, alles gut – Falls sich dieser Plan absurd, und irgendwie etwas blöd abhört, dann ist das, weil er absurd und ziemlich blöd war:
In der Woche vor der Landung intensivierten CIA-finanzierte konterrevolutionäre Kräfte auf Kuba ihre Angriffe: In Pinar del Río wurde eine Zuckerfabrik zerstört und im Zentrum Havannas das Kaufhaus El Encanto in die Luft gesprengt.
Am 15. April griffen zudem zwei kleine Flugzeuge die Stützpunkte Camp Columbia sowie Luftwaffenbasen in Havanna und Santiago an, wobei der Großteil der kubanischen Luftwaffe vernichtet und mehrere Zivilisten getötet wurden.
Diese Ereignisse machten Castro und der revolutionären Führung die unmittelbar bevorstehende Invasion deutlich – In einer Trauerrede für die Opfer erklärte er erstmals den ausdrücklich „sozialistischen“ Charakter der Revolution, und stellte die Erfolge der Sowjetunion, verkörpert durch Yuri Gagarins Flug ins All, dem Verhalten der USA gegenüber, die, wie er betonte, die „Einrichtungen eines Landes bombardierten, das kaum über eine Luftwaffe verfüge.“ [68]
Als die Bodeninvasion am 17. April 1961 begann, landeten die von der CIA organisierten Exiltruppen an den Stränden von Playa Girón und Playa Larga, wo die örtlichen Milizen den Hauptteil der Verteidigung übernahmen. Castro mobilisierte die wenigen verbliebenen Maschinen seiner Luftwaffe, während die Exiltruppen unter Beschuss improvisierter Trainingsflugzeuge und von „Sea-Furies“ mit Raketen gerieten.
Castro verlegte sein Hauptquartier von Havanna in die Zuckerfabrik Australia, von wo aus er die Gegenmaßnahmen leitete. Innerhalb von drei Tagen war die Invasion niedergeschlagen: Von 1.500 beteiligten Exilkubanern starben über 100, rund 1.200 gerieten in Gefangenschaft. Viele Kommandeure waren Offiziere aus Batistas Armee, teils einst Schüler des nun für die Revolution kämpfenden Generals José Ramón Fernández. [69]
Der Sieg stärkte die Popularität der Revolution erheblich, machte die Regierung zugleich misstrauischer gegenüber innerer Opposition und führte zu verstärkter außenpolitischer Absicherung, besonders durch Annäherung an die Sowjetunion.
Im Dezember 1961 erklärte Fidel Castro offen seine marxistisch-leninistische Position, womit sich Kuba endgültig geopolitisch gegen die USA stellte. Die Niederlage der Invasion wurde international als „erste Niederlage des Yankee-Imperialismus in Lateinamerika“ gefeiert und führte direkt zur Entwicklung der „Operation Mongoose“ durch die Kennedy-Regierung; einer groß angelegten verdeckten Aktion zur Destabilisierung und zum Sturz des Regimes, welche wir etwas später im Detail erläutern werden:
„From a larger Latin American perspective, the Bay of Pigs is just one in a long, dreary list of U.S. invasions and occupations of their countries, largely unknown in the United States itself. These include, since 1898, the numerous troop landings in Cuba; the lengthy occupations of Nicaragua, Haiti, and the Dominican Republic; the 1954 overthrow of the Arbenz government in Guatemala; counterinsurgencies and “low intensity conflicts” in Central America in the 1980s; and so on. The only thing that makes the Bay of Pigs unique is that the invasion did not succeed.“ (Aviva Chomsky)[70]
1.2. Konsolidierung der Revolution
Der Sieg in der Schweinebucht stellte nicht nur eine militärische Zurückweisung der US-Intervention dar, sondern markierte einen entscheidenden Moment für die Konsolidierung der Revolution und die Stärkung des kubanischen Nationalismus. Breite Teile der Bevölkerung erfuhren diesen Erfolg als Beweis dafür, dass die Revolution nicht nur fähig war, sich zu behaupten, sondern auch eine reale Alternative zur jahrzehntelangen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten darstellte.
Gruppen innerhalb der Gesellschaft, die zuvor auf eine politische oder wirtschaftliche Eingliederung in den Einflussbereich Washingtons gesetzt hatten, verloren jegliche gesellschaftliche Legitimität und Rückhalt.
In diesem Zusammenhang erhielt die im Februar 1962 veröffentlichte Zweite Erklärung von Havanna eine zentrale Bedeutung, da sie den revolutionären Prozess ausdrücklich in einen kontinentalen Zusammenhang stellte, die Pflicht zur Weiterführung der Umwälzung unterstrich und Kuba symbolisch wie praktisch als Speerspitze der antiimperialistischen Kämpfe Lateinamerikas inszenierte:
„For many Latin Americans, the Bay of Pigs reinforced their ingrained belief that the United States could never be trusted; it showed that their northern neighbour was not as all-powerful as it had once seemed. The grip of geographic fatalism‘, so long an embedded element in Latin Americas oudook on the world, was broken. Political groups all over the continent now took Cuba seriously as a model and sought to follow the Cuban road, in the belief that the defeat of US imperialism was possible.“ (Richard Gott)[71]
Der Rest der Welt, der zuvor kaum ein klares Bild von der tatsächlichen Unterstützung der Castro-Regierung hatte, erkannte nun, dass die Behauptungen der kubanischen Exilgemeinschaft nicht der Realität entsprachen: Die Revolution war keineswegs dem Untergang geweiht. Selbst mit Unterstützung der USA war es den Exilanten nicht gelungen, ihre Kapitalfundierte Ablehnung Castros in eine breite, regierungsstürzende Bewegung umzuwandeln.
Castro würde bleiben. Konkrete Belege über private Diskussionen der sowjetischen Führung gibt es nicht, doch sie müssen zu derselben Einschätzung gekommen sein. Hatte man Castro zunächst als Außenseiter betrachtet, erschien er nun als jemand, auf den es sich lohnte zu setzen.[72]
2. „Operation Mongoose“: Terror und Embargo
Nach der gescheiterten direkten militärischen Invasion der Schweinebucht, erarbeiteten ca. 400 CIA-Offizielle einen Plan zur inneren Destabilisierung Kubas, um die Revolution durch Trennung ihrer Basis zu brechen:
„Four hundred CIA officers worked on Lansdales project in Washington and Miami. A presidential directive of November 1961, establishing the Mongoose project, declared that the United States would ‘help the people of Cuba overthrow the Communist regime from within Cuba and institute a new government with which the United States can live at peace*. Lansdale presented an operational plan to the White House in January 1962 that called for ‘a six-phase effort* to undermine Castro from within. His project was designed to conclude ‘with an open revolt and overthrow of the Communist regime* in October 1962.“ (Richard Gott)[73]
General Edward Lansdale, ein erfahrener Spezialist für Aufstandsbekämpfung, übernahm die Leitung des Projekts, das unter der strengen Aufsicht Robert Kennedys stand. Ein Präsidialerlass aus dem Jahr 1961 legte fest, dass das Vorhaben bis Oktober 1962 abgeschlossen sein sollte, woraufhin ein offener Aufstand den Sturz des sozialistischen Regimes bis Ende 1962 herbeiführen sollte. Trotz des Einsatzes von über 400 CIA-Mitarbeitern in Washington und Miami blieben die Ergebnisse zunächst bescheiden:[74]
Noch vor der Raketenkrise wurde die Unzufriedenheit des Präsidenten mit den schleppenden Fortschritten deutlich, die Operation offiziell („in allem außer dem Namen“)[75] aufgelöst und in ein Koordinationskomitee überführt.
De facto intensivierten sich die verdeckten Aktivitäten jedoch weiter, was in Havanna den Eindruck einer fortdauernden Bedrohung bestätigte und maßgeblich dazu beitrug, dass Castro den Entschluss fasste, sowjetische Raketen auf kubanischem Territorium stationieren zu lassen:
„In April 1964 Johnson called for an end to sabotage raids. Johnson was later quoted as complaining that “we had been operating a damned Murder, Inc., in the Caribbean.” Dean Rusk argued that sabotage had a “high noise level” and that it was too difficult to cover up U.S. involvement. The last major CIA-organized raid of the Johnson era was in December 1963, when Cuban exiles mined Cuban waters near a naval base, blowing up a number of boats and killing and injuring several people.“ (Aviva Chomsky)[76]
Zwischen 1960 und 1965 lassen sich mindestens acht Mordpläne gegen Castro nachweisen, die von vergifteten Zigarren über kontaminierte Taucheranzüge bis hin zur Zusammenarbeit mit Syndikaten der organisierten Kriminalität reichten – Das Ziel bestand darin, durch die physische Ausschaltung des revolutionären Führers eine politische Destabilisierung zu erreichen.
Parallel dazu wurden umfassende Sabotageakte organisiert: Zuckerrohrfelder und Raffinerien wurden in Brand gesetzt, Schiffe wie die „La Coubre“ im Hafen von Havanna gesprengt, das Kaufhaus El Encanto niedergebrannt.[77] Mit diesen Eingriffen sollte nicht nur die materielle Basis des Landes geschwächt, sondern auch die Erfahrung permanenter Unsicherheit geschaffen werden.
Auch in Europa versuchte man, Kubas ökonomische Infrastruktur auf subtile Weise zu untergraben. Lieferungen wurden sabotiert, Maschinen für den Export nach Kuba gezielt beschädigt oder unbrauchbar gemacht, und selbst Kugellagerhersteller in Frankfurt erhielten Anweisungen, Produkte mit Absicht fehlerhaft zu fertigen.
In Miami etablierte die CIA eine Operationsbasis mit einem Millionenbudget, von wo aus bewaffnete Überfälle auf Ölraffinerien, Industrieanlagen und Verkehrsinfrastruktur organisiert wurden.
Exilgruppen wie „Alpha 66“ führten Angriffe auf Hotels, Handelsschiffe und sowjetische Militärberater aus, wodurch Kuba zugleich wirtschaftlich und militärisch unter Druck gesetzt wurde.
Bis Oktober 1962 umfasste die Strategie wiederholte Versuche, die Kupfermine Matahambre zu zerstören:[78]
„The most important attempt was the failed attack at the Matahambre copper mine. A first attempt failed in late 1961 when technical problems prevented the boat carrying the commandos from arriving; the second attempt, in the summer of 1962, was met by a Cuban militia patrol and forced to flee. The third attempt, in October 1962, was also repelled by Cuban troops – on October 22nd, just as President Kennedy was announcing the presence of Soviet missiles on the island, and denying that Cuba could possibly have any need to defend itself from U.S. aggression. One participant in the raid heard Kennedy’s speech from his boat off the shores of Pinar del Río, where he was waiting for two missing infiltrators to return.“ (Aviva Chomsky)[79]
2.1 Das Embargo
Die tragende Säule der US-Politik gegen Kuba war (und ist), dass im November 1960 verhängte Embargo, das mit Ausnahme von wenigen Lebensmitteln und Medikamenten, zum Anschein von humanitärer Verantwortung, sämtliche Lieferungen von den Vereinigten Staaten nach Kuba untersagte.
Abseits der direkten Importe aus den Vereinigten Staaten, bedeutet das Embargo bis heute, dass es für Unternehmen, die mit Kuba handeln wollen, nahezu unmöglich, dabei gänzlich außerhalb der Reichweite der US-Behörden zu bleiben.
Jede Firma, die Vermögenswerte oder Geschäftstätigkeiten in den USA besitzt, läuft Gefahr, im Falle von Kuba-Geschäften Sanktionen zu unterliegen, einschließlich der Beschlagnahmung von Vermögen: In der Praxis bedeutet dies, dass internationale Konzerne regelmäßig zwischen zwei Märkten abwägen müssen: auf der einen Seite die Vereinigten Staaten mit ihrem hegemonialen Markt und zentraler Rolle im globalen Finanzsystem, auf der anderen Seite die kleine Karibikinsel Kuba mit nur elf Millionen Einwohnern.
Dass Unternehmen sich in dieser Konstellation fast ausnahmslos für den Zugang zum US-Markt entscheiden, ist offensichtlich und gewollt:
Schiffe oder Flugzeuge, die in Kuba anlegen, dürfen für einen Zeitraum von sechs Monaten keine US-Häfen anlaufen – Geschäftsführern solcher Firmen wird die Einreise in die USA untersagt, vorhandene Vermögenswerte werden beschlagnahmt; weshalb sollte ein Unternehmen, unabhängig von ihrer Besitzstruktur, das Risiko eingehen, wo der kubanische Markt doch so ein kleiner ist?
Die US-dominierten multilateralen Wirtschaftsinstitutionen, namentlich die Weltbank und der Internationaler Währungsfonds wurden durch spezifische Klausen des Embargo gleichermaßen davon abgehalten, sonstige Möglichkeiten des Handels zu verwalten. [80]
Es ist dennoch grundsätzlich möglich, dass nicht-amerikanische Unternehmen trotz des US-Embargos mit Kuba Handel treiben, auch wenn dieser Handel eben riskant und umständlich sein mag – Nichtsdestotrotz zählen Spanien und Kanada heute zu den wichtigsten Handelspartnern Kubas:
Ein Beispiel dafür, wie solcher Handel trotz der Einschränkungen möglich ist, ist die „Havana Club Rum Company“ als Joint Venture zwischen dem französischen Unternehmen Pernod Ricard und dem kubanischen Unternehmen Cuba Ron S.A. – Für den US-Markt darf der kubanische Rum nicht direkt exportiert werden, weshalb Bacardi den Rum für die USA in Puerto Rico produziert. Die Nutzung US-amerikanischer Banken oder US-Logistik für kubanische Exporte wäre für Pernod Ricard riskant, da das Embargo sonst sekundäre Sanktionen auslösen könnte.
Das Risiko jener „sekundärer Sanktionen“ geht so weit, dass Fluggesellschaften wie Air France oder Iberia, die Kuba anfliegen, in den jeweiligen Flugzeugen keine Flugzeugteile amerikanischer Unternehmen beinhalten dürfen.
Man stelle sich mal vor: Ein traditioneller bayrischer Metzger, wir nennen ihn Markus, kauft Kühlkompressoren für seine Solar-Kühlanlagen aus Italien, die Solarchips dieser Kühlkompressoren stammen zufälligerweise aus Kalifornien. Die gekühlten Würste verkauft unser Metzger nun an einen Marktstandbesitzer in Kuba – Markus Metzgerei darf nun kein Geld mehr in US-Dollar überweisen, darf dessen Würste nicht mehr per Flugzeug transportieren, welches nur eine winzige US-produzierte Schraube beinhaltet, und muss den Anbieter der Würstchen-Verpackung wechseln, weil die Farbe jener Verpackung über ein US-Patent läuft.
Erzreaktionäre Medien, wie die libertäre „Daily Economy“, versuchen häufig, die relative Armut Kubas dem Sozialismus, „not dem Embargo“, zuzuordnen; „the primary cause of Cuba’s poverty is its repressive socialist regime, with just 10 percent of the gap resulting from the trade embargo.“ (Daily Economy)[81]
In diesen Analysen (hier am Beispiel des oben zitierten Beitrags) wird die Wirkung der sekundären Sanktionen beinahe immer ignoriert: Indem ausschließlich auf Handelsdaten und synthetische Kontrollgruppen vertraut wird, setzen die Autoren die Realität kapitalistischer Weltwirtschaft außer Kraft – das Embargo wirkt eben nicht nur als bilaterale Barriere zwischen Kuba und den USA, sondern entfaltet seine eigentliche Schlagkraft über das globale Finanz- und Handelssystem, das unter US-Hegemonie steht.
Banken, Reedereien, Versicherer und internationale Konzerne ziehen sich gerade aus ökonomischer Rationalität, eben der Angst vor Repression der stärksten imperialistischen Macht, vom Handel mit Kuba zurück.
Ziel des Embargos war, und ist, es, die Versorgungslage Kubas so zu verschlechtern, dass Hunger, Rationierungen und wirtschaftliche Rückschläge politische Unzufriedenheit erzeugten – Dokumente aus dieser Zeit sprechen offen davon, man wolle „Brot aus den Läden fernhalten“, um den revolutionären Prozess zu diskreditieren.
Neben den ökonomischen Folgen verschärfte sich mit dem Embargo die diplomatische Isolierung, die 1962 im Ausschluss Kubas aus der Organisation amerikanischer Staaten gipfelte und die revolutionäre Regierung auf dem internationalen Parkett zunehmend isolierte.
Zur gleichen Zeit diente die Förderung der Emigration und die gezielte Unterstützung oppositioneller Gruppen als ergänzendes Mittel, die innere Stabilität zu schwächen. Die Abwanderung sollte das Bild einer wachsenden Opposition zeichnen, während Dissidentengruppen mit finanziellen Mitteln ausgestattet wurden:
„The US government paid for the flights and provided a $100 dollar grant to each family. The total expenditure for the six-year period was $50 million and during that time 3,000 flights had brought more than a quarter of a million Cubans (260,561) into exile in the United States.68 By the end of the 1980s the total Cuban migration was close to a million, roughly 10 per cent of the population.“ (Richard Gott)[82]
Während all dieser außenpolitischen Isolations- und Aushungerungsversuche, sandten die Vereinigten Staaten weiterhin routiniert Sabotageteams nach Kuba, die hier Terrorangriffe, Attentatsversuche und Sabotageakte auf Schlüssel- und Zivilindustrien ausübten – u.a. die Sprengung des Cubana-Flug 455 (1971) mit 73 Toten Zivilsten; „Bis zum 11. September 2001 war der Anschlag auf den Cubana Flug der verheerendste Terroranschlag in der Luftfahrt der westlichen Hemisphäre“. (LN)[83]
Seit 1992 bringt die UN-Generalversammlung jedes Jahr eine Resolution ein, in der das US-Embargo gegen Kuba verurteilt wird. Die überwältigende Mehrheit der Mitgliedsstaaten stimmt regelmäßig dafür (2023: 187 Ja-Stimmen, nur die USA und Israel dagegen)[84]. Begründung der routinierten Resolution: „Das Embargo widerspricht grundlegenden Prinzipien der UN-Charta, insbesondere dem Verbot einseitiger wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen sowie der Pflicht zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten“ (UN)[85].
Die Schäden des Embargos, in reiner Geldsumme, verlaufen sich auf ca. 1.5 Billionen seit dessen Verhängung (Stand 2024) – das entspricht etwa dem kubanischen BIP von 15 Jahren.[86]
Im Pressebericht der Vereinigten Nationen zu der letzten Resolution gegen das Embargo, berichtet das UN-Pressezentrum mit dem kubanischen Außenminister Parilla:
„Imperialism is warning the whole world that any nation daring to firmly defend its sovereignty and to build its own future will pay a price for that rebelliousness (…) The right to food is a human right,” he went on to say, adding that the accumulated cost of four months of economic blockade is equivalent to $1.6 billion. That amount would be enough to guarantee for an entire year the “delivery to all Cuban families a ration food basket”. With $12 million, Cuba could buy the insulin necessary to treat all its diabetic patients. The losses incurred by the blockade within a single day exceed that amount. “The United States government is perfectly aware of the direct and indirect impact that its policy has on the Cuban health system,” and the “consequences of incomplete treatments, delayed treatments and postponed surgeries,” he said.“[87]
2.2 Torricelli und Helms-Burton
Zwischen 1960 und 1992 blieb das Embargo weitestgehend statisch und fokussierte sich auf direkte Unterbindungen des Handels zwischen US-Unternehmen und kubanischen Staatsunternehmen.
Der Zerfall des sozialistischen Blocks, der bis dahin den überwiegenden Teil des kubanischen Außenhandels getragen hatte, veranlasste die Vereinigten Staaten, das Embargo mit dem „Cuba Democracy Act“ (1992) und später dem „Helms-Burton Act“ (1996) erheblich zu verschärfen, um Kuba im Kontext der neuen Weltordnung zu zermürben.
Der „Cuba Democracy Act“, auch „Torricelli Act“ genannt, untersagte US-Tochterfirmen strikt den Handel mit Kuba, führte die „180-Day Rule“ ein, nach der Schiffe, die kubanische Häfen angelaufen hatten, für 180 Tage keinen US-Hafen mehr betreten durften, verbot US-Amerikanern die Überweisung von Geld an ihre Familien in Kuba und schränkte die bis dahin bestehenden humanitären Ausnahmen ein, durch die Kuba Hilfsgüter und Medikamente von US-Unternehmen beziehen konnte.[88]
Der Initiator des Gesetzes im Repräsentantenhaus, Robert Torricelli, begründete die Verschärfung des Embargos mit dem Ziel; „[to] wreak havoc on that island“.[89]
Wenige Jahre später verschärfte die Clinton-Administration mit dem Helms-Burton-Act die US-Politik gegenüber Kuba endgültig:
Das Gesetz erlaubte US-Bürgern, darunter auch eingebürgerten Kubanern, die nach 1959 enteignet wurden, ausdrücklich, Schadensersatzklagen gegen ausländische Unternehmen einzureichen, die „konfisziertes Eigentum“, d.h. nahezu jedes Stück Land, in Kuba nutzten. Gleichzeitig sah es vor, dass Manager und Eigentümer dieser Unternehmen sowie deren Familienangehörige Visa und die Einreise in die USA verweigert werden konnten.
Das zuvor auf präsidialen Verordnungen beruhende Embargo wurde gesetzlich kodifiziert, wodurch ein Präsident es nicht mehr einseitig lockern oder aufheben konnte. Die Sanktionen gegen Drittländer wurden erheblich ausgeweitet: Ausländische Banken und Unternehmen, die mit Kuba Handel trieben, wurden offen mit dem Ausschluss vom US-Markt bedroht, während gleichzeitig der Druck auf internationale Finanzinstitutionen vergrößert wurde, Kuba keine Kredite oder Unterstützung zu gewähren.[90]
Der Helms-Burton-Act ist nicht nur nach Völkerrecht vollkommen illegal, sondern verstößt gegen etliche US-amerikanische Gesetze – in der juristischen Ausarbeitung zum Dekret schreibt Ariadna Cornelio Hitchman (et. al):
„From the point of view of American law, the act violates two core constitutional principles: the tri-partition of powers, by limiting the functions of the president in foreign policy and interfering with judicial powers; and the due-process clauses of the Fifth and Fourteenth Amendments […], rendering the Helms-Burton Act effectively unconstitutional. It also ignores the Doctrine of Act of State upheld by the Supreme Court, demonstrating a double standard for foreign countries […]. Additionally, the Helms-Burton Act contradicts principles of international law, including sovereign equality of States and self-determination as enshrined in the UN Charter […].“[91]
Die Folgen für Kuba waren verehrend.
Noch zwischen 1981 und 1984 verzeichnete Kuba ein jährliches durchschnittliches Wachstum von 7,3 Prozent – ein klarer Gegensatz zum allgemeinen Abwärtstrend in Lateinamerika, wo das Bruttoinlandsprodukt in diesem Zeitraum um rund 10 Prozent zurückging.
Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen stieg 1986 auf über 3.500 US-Dollar, während der regionale Durchschnitt bei etwa 2.200 US-Dollar lag.
Die Lebenserwartung betrug Mitte der 1980er-Jahre rund 74 bis 75 Jahre, die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren sank auf etwa 20 pro 1.000, und die Säuglingssterblichkeit lag zwischen sechs und elf pro 1.000 Lebendgeburten, weniger als u.a. die Vereinigten Staaten (15.19 zu Beginn der 1980er Jahre)[92].
Mit rund 219 Ärzten pro 100.000 Einwohner verfügte Kuba bereits 1986 über eine der höchsten Arztdichten der Welt und auch im Bildungsbereich konnte das Land seine Fortschritte konsolidieren: Der Analphabetismus lag Ende der 1980er-Jahre bei lediglich 3,8 Prozent.
Die Situation Kubas in den 1990er Jahren sollte jedoch eine grundsätzlich verschiedene werden, als in den 1980er Jahren – die „Jahre der fetten Kuh“ waren vorbei.
3. Das Desaster der „Sonderperiode“
Mit dem Zusammenbruch der Handels- und Hilfsbeziehungen des sozialistischen Blocks, die drei Jahrzehnte lang die kubanische Wirtschaft getragen hatten, brach auch die sowjetische bzw. post-sowjetische Finanzierung weg: Während sie Ende der 1980er-Jahre noch bei durchschnittlich über fünf Milliarden US-Dollar jährlich lag, sank sie innerhalb weniger Jahre auf Null – eine abrupte und nahezu vollkommene Entkoppelung von den bisherigen internationalen Reproduktionsbedingungen.
Zeitgleich zum Zerfall des sozialistischen Blocks verschärften die Vereinigten Staaten das Embargo, um den Moment für die Auslöschung des kubanischen Sozialismus zu nutzen (s.o.):
„The economic disaster that swept the country was the most dramatic and significant change since the island had first become a sugar-based economy in the wake of the revolution in Saint-Domingue in 1791. The island had received other jolts in earlier years – at the end of the independence war in the nineteenth century, during the world slump of the 1930s and at the time of the transformation to socialism in the 1960s – yet none could compare with its virtual collapse in the early 1990s.“ (Richard Gott)[93]
Das Abrupte Ende der Handelsbeziehungen zu Kuba der post-sowjetischen Staaten war kein Naturgesetz, dass in einem offensichtlich Zusammenhang mit dem Ende des Realsozialismus stand: Die Vereinigten Staaten hatten Gorbatschow seit Beginn der Glasnost-Politik dazu gedrängt, den kubanischen Zucker zum Weltmarktpreis, statt dem um einiges höheren Freundschaftspreis zu kaufen, um sich selbst bevorzugende Deals mit US-Unternehmen sichern zu können.[94]
Die Kommunistische Partei Kubas hatte sich zuvor gegen die von Moskau diktierte Reformpolitik gestellt. Noch auf dem dritten Kongress der PCC (1986) entschloss die PCC, sich nicht dem Reformkurs des europäischen Staatssozialismus anzuschließen[95] – für Kuba schien eine Reformpolitik auch nicht nötig zu sein, Havanna erzielte noch bis zum Ende der 1980er Jahre weitreichende sozialistische Erfolge:
„In 1989, Cuba had the most collectivized, centralized, egalitarian, [but] externally dependent and Soviet-subsidized economy within the socialist camp“ (ScienceDirect)[96]
So führte eben der Wegfall dieses „großen Bruders“ zu einem beispiellosen ökonomischen Einbruch: Der Handel brach um 80 Prozent ein, die Wirtschaft vermutlich noch stärker als die offiziell berichteten 35 Prozent, die Importkapazität schrumpfte zwischen 1989 und 1992 um 70 Prozent und das Land litt quasi über Nacht unter massivem Mangel an Treibstoff, Ersatzteilen und Düngemitteln, sodass Kuba zum ersten Mal seit dem 19. Jahrhundert in einem Atemzug mit Haiti, dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, genannt wurde:[97]
„Though unprepared for a calamity of this magnitude, the authorities rejected major economic reform, declaring instead the program of austerity and sacrifice known as the Special Period (período especial). In crisis, internally disrupted, and bereft of international partners, Cuban socialism now had to find new allies and adjust practices to face the competitive market realities and the tumultuous economic globalization of the last part of the twentieth century. Anticipation built. Viewing Cuba as the last bastion of revolutionary socialism, sympathizers applauded Cuba’s defiance of world trends.“ (Mauricio A. Font)[98]
Angesichts des Zusammenbruchs der Handelsbeziehungen und fehlender internationaler Partner musste Kuba neue Wege finden, sich an die Wettbewerbsbedingungen des Weltmarktes anzupassen. Der Vierte Kongress der PCC 1991 genehmigte erste Maßnahmen: Legalisierung des US-Dollars, selbstständige Erwerbstätigkeit, Bauernmärkte, Ausbau des Tourismus, Rücküberweisungen aus dem Ausland und Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen.
In Anlehnung an Lenins NÖP der Anteil staatlicher Kontrolle In der Landwirtschaft von 75 auf 30 Prozent reduziert, und neue Kooperativen (UBPC) erhielten dauerhafte Landnutzungsrechte, autonome Entscheidungsbefugnisse sowie die Möglichkeit, Löhne an die Produktivität zu koppeln. [99]
Die Zuckerproduktion brach zusammen, während informelle Aktivitäten und kleine privat geführte Restaurants („Paladares“) stark zunahmen. Der Staat lud gezielt ausländische Investoren in Tourismus und Bergbau ein, während die Bevölkerung zunehmend auf improvisierte, lokale Überlebensstrategien und die Schattenwirtschaft zurückgriff. Damit verlor Zucker und Landwirtschaft ihre (absolut) zentrale Rolle, und der Dienstleistungssektor wuchs deutlich.[100]
Das kubanische BIP schrumpfte zwischen 1989 und 1992 um 35 Prozent, der landwirtschaftliche Output um 47 Prozent, Bauarbeit um 74 Prozent und Produktionskapazität um 90 Prozent.[101]
Die Energieversorgung, die zuvor auf Öllieferungen aus der Sowjetunion beruhte, brach aufgrund der durch das Embargo erzwungenen Unmöglichkeit, anderweitig Energieressourcen zu beziehen, vollständig zusammen.
Ersatzteile für Maschinen, Chemikalien für Düngemittel und Medikamente mussten auf dem Weltmarkt beschafft werden – zu Wucherpreisen, da die liefernden Unternehmen einerseits das Risiko möglicher US-Sanktionen einkalkulierten und andererseits die Notlage Kubas für ihre Profite ausnutzten.[102]
Die sozialen Folgen dieser Transformation waren erheblich, die zuvor stark eingegrenzte Einkommensungleichheit explodierte: Während das Verhältnis zwischen den niedrigsten und höchsten Einkommen vor 1989 bei etwa 5:1 gelegen hatte, wuchs es 1995 auf 829:1 und erreichte 2001 eine Spanne von 12.500:1, womit die Spaltung zwischen jenen, die Zugang zu US-Dollar und Privatwirtschaft hatten, und jenen, die ausschließlich von staatlichen Gehältern lebten, unübersehbar wurde:[103]
„Cuban jokes reflected the economic distortions. A woman brought her husband, a renowned brain surgeon, into the psychiatric ward. “He’s hallucinating! He thinks that he got a job as a taxi driver and we’ve become rich! […] The government could no longer guarantee employment, even to young people who graduated with fine credentials. Before the 1990s, almost everybody who graduated received a job placement with their diploma. In 2001, only 72 percent did.” (Aviva Chomsky)[104]
In diesem Kontext traten Phänomene wieder auf, die die Revolution in den 1960er-Jahren überwunden hatte, wie Prostitution und Bettelei, die nun Ausdruck einer Rückkehr prekärer Überlebensstrategien wurden. Frauen waren überproportional betroffen, da sie gezwungen waren, durch zusätzliche Tätigkeiten das Überleben der Familien zu sichern, was alte Geschlechterrollen neu belebte – Auch in der jüngeren Generation wuchs die Distanz zu den Errungenschaften der Revolution, die als weniger relevant für die aktuellen Widersprüche wahrgenommen wurden, und es kam zu einer spürbaren Zunahme von Zynismus und Resignation.
1994 erreichte die US-sanktionierte „Migrationskrise“ eine neue Qualität, als die US-Regierung ankündigte, dass Kubaner, die ohne Genehmigung einreisen wollten (Einreisegenehmigungen wurden de facto nicht mehr erteilt), auf die US-Militärbasis Guantánamo gebracht würden, wo sie – wie zuvor schon haitianische Migrantinnen und Migranten – in provisorischen Lagern untergebracht wurden. Ziel der künstlich herbeigeführten „Migrationskrise“ war das Herbeiführen einer Konterrevolution durch jene, denen es nicht möglich war, das Land durch die Blockade der Migration in die Vereinigten Staaten, zu verlassen.
Die durchschnittliche tägliche Kalorienaufnahme sank zwischen 1990 und 1996 um ca. 27%[105] – Dennoch vielsagend: Anders als bspw. in der DVRK, in der der Wegfall der UdSSR als wichtigster Handelspartner massive Hungernöte mit sich brachte, sah Kuba keine massive Krise im Gesundheitssektor oder weitreichende Hungersnöte – ganz im Gegenteil:
„Despite the economic collapse, Cuba’s child mortality rates actually dropped, and life expectancy inched up from 75 years in 1990 to 75.6 in 1999. Although an increase of six months may appear trivial, it would have been reasonable to expect a drop under the circumstances — something that did occur in ex-Communist European states like Russia, where life expectancy fell by 6 years between 1991 and 1994.“ (Jacobin)[106]
Manuel Franco der John-Hopkins-Universität schrieb auf Basis dessen Forschungsergebnisse 2007 im Guardian:
„This is the first, and probably the only, natural experiment, born of unfortunate circumstances, where large effects on diabetes, cardiovascular disease and all-cause mortality have been related to sustained population-wide weight loss as a result of increased physical activity and reduced caloric intake.“[107]
Zwischen 1997 und 2002 gingen die durch Diabetes verursachten Todesfälle um 51 %, die Sterblichkeit durch koronare Herzkrankheiten um 35 % und die Schlaganfallsterblichkeit um 20 % zurück.
Dass eine humanitäre Krise vermieden wurde, basierte zum einen darauf, dass Kuba im Angesicht der Krise seine sozialen Sicherungssystemen als oberste Priorität setzte – Der Anteil des BIP, der für Sozial- und Gesundheitsausgaben aufgewendet wurde, stieg zwischen 1990 und 1994 um 29 Prozent.[108] Und zum anderen an der Tatsache, dass das kubanische Gesundheits- und Versorgungsystem vor der Krise, insbesondere im Verlauf der 1980er Jahre, eben bereits beachtliche Resistenz aufgebaut hatte:
„Until the Special Period, the distribution system – along with other changes that increased food availability on and off the ration – contributed to a drastic shift in Cuba’s health profile. Instead of the malnutrition that had plagued the poor prior to the Revolution, the most common diet-related diseases became obesity, hypertension, heart disease, and diabetes. An informant explained to one health researcher what Cubans like to eat: “Meat!! We like to eat pork. Beans and rice of course. But here we cook the beans and rice with lard and oil also. Everything has to be fried – chicken, plantains, malanga, and potatoes. We eat lots of food with flour – bread, spaghetti, pizza, crackers … We use lots of salt and sugar in our food. And we don’t eat many vegetables or fruits. And then there is the alcohol and the sodas.”(Aviva Chomsky)[109]
3.1 Neue Freunde und Lichtblick
Erste Lichtblicke aus dem Destaster der „Sonderperiode“ kamen ab Mitte der 1990er: Die Zahl der internationalen Touristen stieg von rund 800.000 im Jahr 1993 auf etwa 1,2 Millionen im Jahr 1995, während die Einnahmen aus Joint Ventures und ausländischen Investitionen zwischen 1994 und 1996 bereits etwa 15% der Gesamtexporte ausmachten.
Insgesamt wuchs das reale BIP zwischen 1994 und 1996 nach Schätzungen um ein bis zwei Prozent pro Jahr und markierte damit die erste Phase einer wirtschaftlichen Erholung.
Zur Divisen Gewinnung begann Kuba seinen überdurchschnittlich belastbaren Gesundheitssektor zu exportieren; so begann Kuba seinen „medizinischen Internationalismus“, der prinzipiell für die Abnehmernation kostenfrei ist, weitreichend auszubauen.
So konnte Kuba durch seinen „Ärzte-Export“ nicht nur Divisen, sondern wirtschaftliche Kooperation gewinnen:
„This has become a key plank of Cuban foreign policy, directly challenging established notions of the medical profession and the function of development aid in the leading capitalist states. While Cuba does now receive payment for its medical assistance, its commitment to providing free healthcare abroad still endures: nearly half of the sixty-two countries that housed Cuban medical brigades in 2017 paid nothing for their services.“ (Jacobin)[110]
So unter anderem in Venezuela, wo zehntausende kubanische Ärztinnen und Ärzte seit 1999 im Austausch gegen günstiges venezolanisches Öl die Mission „Barrio Adentro“ leiteten – eine Initiative Hugo Chávez’, durch welche die Menschen in den armen Vierteln Venezuelas kostenlose medizinische Versorgung erhalten sollten – bis 2012 wurden durch das Programm in „500 MIlionen fällen kostenlose medizinische Beratung geleistet“ (Amerika21)[111]
Venezuela stieg so in den 1990er Jahren zu Kubas wichtigstem Handelspartner auf – die spezielle Handelsbeziehung beider Staaten ist dabei insofern wichtig, dass ohne Sie, das Ende der kubanischen Revolution womöglich unvermeidlich gewesen wäre.
Zu Chavez‘ (dubiosem![112]) Tod (2013) schrieb Fidel:
„On the 5th of March, in the afternoon hours, died the best friend the Cuban people had in their history. We have the honor of having shared with the Bolivarian leader the same ideals of social justice and of support for the exploited“[113]
Richard Gott beschreibt die Beziehung zwischen Fidel Castro und Hugo Chavez wie folgt:
„He found a soulmate in neighbouring Venezuela, establishing a close friendship with Colonel Hugo Chávez and sending 10,000 Cuban doctors to help out in the shanty towns. A guarantee of a regular supply to Cuba of Venezuelan oil was not the least of the advantages of this relationship.“ (Richard Gott)[114]
Neben Venezuela baute Kuba die Handelsbeziehungen zum Iran aus, dessen Sanktionen zuletzt ebenfalls enger geschnürt wurden:
„Looking further afield, he travelled in May 2001 to the home of Muslim fundamentalism in Tehran, to tell students at the university of his belief that ‘the imperialist king will fall’. He was assured by Ayatollah Ali Khamenei that Iran and Cuba together could ‘overcome the United States’.“ (Richard Gott)[115]
Neben Venezuela und China sind Russland, Brasilien, Kanada und Spanien heute die wichtigsten Handelspartner Kubas.
Mit den neuen Handelspartnern und Reformen der Sonderperiode konnte sich die Wirtschaft ab 1995 aus ihrem Sturz fangen.
Etwas später (1998) begann die „Kampf der Ideen“-Kampagne, die „largest mass mobilization ever to take place in Cuba“[116], welche auf die neuen Widersprüche der (Teil-) Liberalisierung der Sonderperiode reagierte:
„Fidel Castro lent his personal leadership and charisma to the insistence on the soundness of Cuban socialism—state control, emphasis on consciousness and ideas, and such forms of internationalism as barter transactions with Venezuela and other partners perceived as important political allies (Azicri, 2009). China and Vietnam had by then fully joined the embrace of market policies that fundamentally transformed socialism, but Cuban socialism would remain closely tied to the more traditional approach defended by its leader.“ (Mauricio A. Font)[117]
Während diesem „Kampf der Ideen“ wurden über die „Comités de Defensa de la Revolución“ (siehe 4.1)), Gewerkschaften und Studentenföderationen landesweite, basisdemokratische Diskussionen über die Wünsche über die zukünftige Entwicklung der kubanischen Revolution abgehalten, durch deren Entscheidungen die Reformen nach der „Sonderperiode“ beschlossen wurden (siehe 4.):
Bis 2001 wurden so im Sinne der „sozialistischen Rückbesinnung“, 150 neue „social plans“[118] erlassen: So wurden die finanziellen Mittel im Bildungssektor deutlich ausgeweitet, die Ausbildung von Lehrkräften intensiviert, Universitätsvorlesungen im Fernsehen ausgestrahlt und die Zahl der Studierenden stieg von 22 % im Jahr 2000 bis 2007 auf nahezu die gesamte Alterskohorte an.
Ebenfalls 2005 entstanden Jugendbrigaden, die gegen den Schwarzmarkt für Treibstoff vorgingen – Im darauffolgenden Jahr wurden ähnliche Brigaden mobilisiert, um beim Ausbau und der Sanierung der stark veralteten Energieversorgung mitzuwirken – ein Programm, das unter dem Namen „Energie-Revolution“ bekannt wurde.[119]
4. Die Demokratie in Kuba
Als die Regierung Batistas am 1. Januar 1959 gestürzt wurde, brach in Kuba nicht nur eine autoritäre Herrschaft zusammen, sondern es vollzog sich zugleich eine grundlegende Transformation des politischen und gesellschaftlichen Systems.
Mit dem Sieg der Revolution entstand ein neuer Staat, dessen zentrales Ziel darin bestand, die politische und ökonomische Macht denjenigen zu übertragen, die bis dahin ausgeschlossen, entrechtet und ausgebeutet waren: Damit wurde ein Bruch vollzogen mit der alten Ordnung, die nicht nur von der inländischen Oligarchie, sondern auch maßgeblich durch den Einfluss des US-amerikanischen Kapitals geprägt war.
Fidel Castro brachte diesen Wandel in seiner berühmten Rede vom 16. April 1961 auf den Punkt, als er erklärte, dass Kuba nicht die „Demokratie der Ausbeuter“ anstrebe, sondern eine Demokratie „der Demütigen, durch die Demütigen und für die Demütigen“. In dieser Formulierung spiegelt sich ein Verständnis von Demokratie wider, das nicht auf der Abbildung formaler Gleichheit in parlamentarischen Strukturen beruht, sondern auf der aktiven Teilhabe der Mehrheit, die zuvor systematisch vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen war.
Schon bevor 1976 die neue Verfassung in Kraft trat, hatte sich in Kuba ein System herausgebildet, das weit über die westlich-liberalen Formen der Demokratie hinausging. Dieses System, das unter dem Begriff „Poder Popular“ (Volksmacht) bekannt ist, basiert auf einer Kombination aus Wahlen, Massenorganisationen und kontinuierlicher Konsultation.
Während in kapitalistischen Demokratien die Partizipation der Bevölkerung meist auf periodische Wahlakte beschränkt bleibt und politische Entscheidungen in den Zwischenzeiten von parlamentarischen Ausschüssen, Lobbygruppen und Exekutiven bestimmt werden, entwickelte Kuba eine Form der Demokratie, die auf permanente Teilhabe und kollektive Entscheidungsfindung setzt.
Das Wahlsystem selbst ist dreistufig organisiert. Auf der Ebene der Nachbarschaften finden regelmäßig Versammlungen statt (vgl. CDR, siehe 4.1), in denen die BewohnerInnen über KandidatInnen beraten, die aufgrund ihrer alltäglichen Praxis, ihres Engagements und ihrer Nähe zu den Menschen als geeignet angesehen werden. Jede Nachbarschaft kann zwischen zwei und acht KandidatInnen vorschlagen, die in freien und geheimen Wahlen antreten. Ein Mandat erfordert mindestens 50 Prozent der Stimmen, andernfalls kommt es zu einer Stichwahl.
Auf diese Weise werden die 169 lokalen Parlamente besetzt, die insgesamt über 14.500 Abgeordnete verfügen. Die Abgeordneten üben ihr Amt unentgeltlich aus, bleiben in ihren bisherigen Berufen tätig und erhalten kein zusätzliches Gehalt oder finanzielle Privilegien. Sie sind ihren WählerInnen direkt rechenschaftspflichtig und können jederzeit abberufen werden, wenn sie das Vertrauen verlieren.
Die nächste Ebene bilden die Parlamente der Provinzen sowie die Nationalversammlung. Hier werden die KandidatInnen zum Teil aus den lokalen Versammlungen vorgeschlagen, zum anderen Teil durch die großen Massenorganisationen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung organisiert ist: die Gewerkschaften, die Frauenorganisation, die „Komitees zur Verteidigung der Revolution“ (siehe 4.1), die Bauernverbände sowie Schüler- und Studierendenorganisationen.
Diese Massenorganisationen haben eine doppelte Funktion: Sie garantieren, dass alle gesellschaftlichen Gruppen repräsentiert sind, und sie dienen zugleich als zentrale Orte politischer Bildung und Diskussion. Über sie wird ein gesellschaftlicher Dialog organisiert, der weit über Wahlen hinausgeht und den Anspruch hat, möglichst viele Menschen in die Lage zu versetzen, am politischen Prozess teilzuhaben.[120]
Die Nationalversammlung, die alle fünf Jahre gewählt wird, wählt wiederum den Staats- und Ministerrat sowie das Staatsoberhaupt. Sie ist mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet, darunter die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern, wirtschaftliche Pläne zu beschließen und grundlegende Fragen der Außenpolitik zu bestimmen. Die Zusammensetzung spiegelt eine breite Repräsentation der Gesellschaft wider: Rund 43 Prozent der Abgeordneten sind Frauen, ein Drittel gehört nicht der Kommunistischen Partei an.[121]
Besondere Bedeutung erlangte dieses Modell in der „Sonderperiode“ (siehe 3.) die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einsetzte und Kuba in eine tiefe ökonomische Krise stürzte. Zwischen 1989 und 1993 brach die Wirtschaftsleistung um mehr als ein Drittel ein, die Kalorienzufuhr sank dramatisch, und zugleich verschärften die USA ihre Blockadepolitik.
In dieser Situation beschloss die Führung, grundlegende Reformmaßnahmen nicht ohne umfassende Konsultationen durchzuführen – Im Rahmen der sogenannten „Arbeiterparlamente“ diskutierten drei Millionen Menschen in über 80.000 Versammlungen über die notwendigen Schritte, darunter Joint Ventures mit ausländischem Kapital, die Zulassung von Selbstständigkeit und der Abbau von Subventionen. Diese Debatten machten deutlich, dass die politische Legitimität des kubanischen Systems gerade darin bestand, die Bevölkerung auch in Krisenzeiten nicht nur zu informieren, sondern aktiv in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Die Demokratie in Kuba versteht sich somit als ein Prozess, in dem es nicht nur um institutionelle Verfahren, sondern um die aktive Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Mehrheit geht. Sie ist damit nicht konfliktfrei oder statisch, sondern unterliegt einem ständigen Wandel, der auch die Anpassung an neue Bedingungen einschließt – sei es durch die Verfassungsdebatten von 2002, die Wirtschaftsaktualisierungen der 2010er Jahre oder die jüngsten Reformen unter Präsident Miguel Díaz-Canel. [122]
Ein Idealbeispiel dafür, wie die kubanische Demokratie funktioniert, ist die Verfassungsreform 2019: Zum Entwurf dieser neuen Verfassung, die auf die Reformen Rauls und die Verschärfte Blockade unter Trump reagieren sollte, setze die Nationalversammlung eine separate Kommission ein, die bis Frühjahr 2019 einen ersten Verfassungsentwurf veröffentlichte:
„Vom 13. August bis 15. November 2018 wurde der Verfassungsentwurf in etwa 135.000 Versammlungen und Foren auf der gesamten Insel diskutiert sowie Anmerkungen und Änderungsvorschläge eingereicht. Auch die Exilkubaner im Ausland durften ihre Vorschläge online einreichen.“[123]
Auf 135.000 Versammlungen, die Großteils in den CDR (siehe 4.1) abgehalten wurden, beteiligten sich rund 90% aller Kubaner an Änderungsentwürfen, umfassenden Kritiken, Anmerkungen und Anpassungen, über die jeweils in der jeweiligen Versammlung abgestimmt wurden.
„Laut Arnaldo Tamayo, einem Abgeordneten des kubanischen Parlaments für den Verwaltungsbezirk Baracoa in der Provinz Guantánamo, soll die Verfassung mehr als 80 neue Artikel haben. „Die meisten davon haben mit sozialen Rechten und Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung sowie sozialen Dienstleistungen zu tun“, sagte Tamayo im Gespräch mit Amerika21. Wichtig sei, dass das gesamte Vorhaben zur Debatte gestellt werde, „es gibt also Diskussionen mit Arbeitern, Bauern, Studierenden, Frauen, Intellektuellen“. Im Zuge dieses Diskussionsprozesses sei sehr wahrscheinlich, dass der aktuelle Textentwurf noch einmal verändert wird, so die Einschätzung Tamayos, der 1978 als erster lateinamerikanischer Kosmonaut bekannt wurde.“[124]
Und tatsächlich, etliche Änderungen, u.a. „die Anerkennung verschiedener Eigentumsformen, die Stärkung der Autonomie der Gemeinden sowie Amtszeitbeschränkungen für Führungspositionen im Staatsapparat“[125],sowie die Öffnung der Verfassung für die „Ehe für alle“ (die wenig später in einem gleichermaßen Volksdemokratischen Prozess beschlossen wurde), erhielten Eintrag im Dokument.
Als der finale Entwurf nach knapp viermonatiger landesweiter „Volksdiskussionen“ dann im Februar 2019 finalisiert werden konnte, wurde er zur Volksabstimmung aufgestellt, hier stimmten…
„Rund 6,8 Millionen Menschen und damit 86,8 Prozent der Wähler […] die Verfassungsreform, wie die Wahlkommission in Havanna mitteilte.“[126]
4.1 CDR: „In jedem Stadtviertel Revolution!“
Der wohl bedeutendste und zugleich am meisten missverstandene Bestandteil der kubanischen Revolution sind die „Komitees zur Verteidigung der Revolution“ (Comités de Defensa de la Revolución, CDR) – jene Institution, die wohl mehr als jede andere für das Überleben des kubanischen Sozialismus verantwortlich ist.
Sie sind insofern nicht nur Objekt der kubanischen Entwicklung, sondern liefern bedeutende Erkenntnisse über das Scheitern anderer sozialistischer Gesellschaften – und warum Kuba eben überlebte.
Die CDR gelten bis heute als „Herz der Revolution“; 8.5 MIlionen Kubaner, d.h. 92,6 Prozent der kubanischen Bürger mit einem Mindesteintrittsalter von 14 Jahren sind in einem der 779.000 Komitees organisiert.[127]
Gegründet unmittelbar nach dem Sieg der Revolution, dienten sie einerseits der revolutionären Wachsamkeit, übernahmen andererseits zentrale soziale Aufgaben, etwa die Organisation der ersten nationalen Impfkampagne oder die Unterstützung der Alphabetisierungsoffensive:
„The Revolution called on everybody to participate in creating the new society. The CDR carried out the country’s first vaccination campaign, in 1962. They supported the implementation of the Literacy Campaign […] Groups of enthusiastic citizens went ahead and organized their own committees without much attention to procedural niceties. Like so many other institutions of the early years of the Revolution, the first CDR displayed more energy than order, more enthusiasm than discipline.“ (Aviva Chomsky)[128]
Zu den zentralen Aufgaben der CDR gehört die politische Überwachung des unmittelbaren Nachbarschaftsumfeldes – Die Mitglieder beobachten sorgfältig, ob Aktivitäten oder Verhaltensweisen auftreten, die der kubanischen Revolution oder dem Staat potenziell schaden könnten, und melden verdächtige Vorkommnisse an die zuständigen Instanzen der lokalen Führung.
Jedoch ist die Vorstellung, die CDR seien, „Auge und Ohr der Kommunistischen Partei Kubas“, wie es u.a. auf dem zugehörigen Wikipedia-Beitrag steht, viel zu vereinfacht, wenn nicht gänzlich inkorrekt.
Es stimmt, dass die Mitglieder der CDR, also solche die sich aktiv und freiwillig für das Überleben und Entwickeln der kubanischen Revolution engagieren, selbstverständlich ein Auge auf Gegner jener Revolution legen – mehr jedoch nicht. Die CDR als „Überwachungsinstitutionen“ zu definieren ist falsch und basiert auf anti-kommunistischen Mythen, welche die Vereinigten Staaten gegen die kubanische Volksdemokratie in den 1960er Jahren verbreiteten.
Diese „Überwachung“ ist um einiges bedeutender im Sinne des (Selbst-)Bewusstseins über Nachbarschaftliche Entwicklung, um eben hier, an der Basis der Revolution, zu wirken. CDR-Mitglied und Expertin, Claudia Thalía Suárez Fernández, schriebt in diesem Sinne bzgl. der Aufgabe der CDR bei der Bekämpfung von Drogenkriminalität in der Granma:
„Wir CDR müssen uns mit allem befassen, was eine Gemeinde betrifft, und Illegalität ist ein Teil dieses Ganzen, also ist es unsere Aufgabe, auch sie im Auge zu behalten. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Drogen. Es gibt Menschen, die sich Sorgen machen, weil wir beginnen, ein Phänomen zu sehen, das wir lange Zeit nicht kannten oder das in unserem Land im Vergleich zu anderen Regionen der Welt praktisch unbedeutend war, aber ihre Sorge ist völlig berechtigt, denn Drogen sind ein Phänomen, das die ganze Welt betrifft. Man kann es nicht zulassen, dass jemand von einem solchen Laster auf Kosten der Sicherheit, des Seelenfriedens oder der Gesundheit unserer eigenen Familienmitglieder profitiert. Und wo tritt das Phänomen auf, dass jemand Drogen verkauft? In einem Viertel, einem Wohnblock, einer Gemeinde. Wir sind also an diesem Problem nicht unbeteiligt.“[129]
Die CDR übernehmen eine aktive Rolle in der Organisation gemeinschaftlicher Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Lebensbedingungen und der gesellschaftlichen Entwicklung der Bevölkerung abzielen; darunter Blutspendeaktionen, Sauberkeitskampagnen, Impfprogramme und Alphabetisierungskurse.
Die demokratische Dimension der CDR zeigt sich insbesondere in der Einbindung der Mitglieder in Versammlungen auf Nachbarschaftsebene, in denen Vorschläge für Kandidaten lokaler politischer Ämter diskutiert und entschieden werden. Diese Versammlungen sind für die gesamte Gemeinschaft zugänglich und dienen nicht nur dem Austausch über lokale Belange, sondern auch der kollektiven Festlegung gemeinsamer Ziele und Aktivitäten. [130]
Wie in Abschnitt 4 konkret ausgeführt, liefern die CDR den Raum für die basisdemokratische Bestimmung über maßgebliche Gesellschaftliche Reformen, wie der neuen Verfassung 2019 – darüber hinaus aber eben genauso Raum für nachbarschaftlichen Austausch, der weit über das politische hinausgeht.
Alltag in einem CDR
Der typische Alltag innerhalb eines CDR beginnt häufig mit Versammlungen oder Planungstreffen, bei denen die Organisation und der Ablauf gemeinschaftlicher Maßnahmen abgestimmt werden. Im Verlauf des Tages engagieren sich die Mitglieder in sozialen Diensten, etwa durch Nachbarschaftshilfe für ältere Menschen oder durch Sicherheitsdienste bei öffentlichen Veranstaltungen. [131]
Regelmäßige Treffen bieten darüber hinaus Raum für die Diskussion aktueller gesellschaftlicher und politischer Fragestellungen sowie für die Entwicklung gemeinsamer Lösungsansätze. Am Abend oder zu festgelegten Terminen versammeln sich die Mitglieder erneut, um Erfahrungen auszutauschen, die Wirksamkeit durchgeführter Aktivitäten zu reflektieren und neue Projekte zu planen:
„The CDR is a deeply political organisation in a way that is underused [elsewhere] – in the sense that it is involved in real-world organising and providing practical services to the local people […] The CDR, are explicitly political in the way the Black Panther Party’s breakfast programme was a political act because it was a practical act of solidarity as well as the wellspring of profound revolutionary theory.“ (Morning Star)[132]
In einem Morning Star Artikel beschreibt Lewis Hegwood seinen Besuch bei einer Festivität eines CDR im Frühjahr 2022:
„As we saw that night, a CDR is many things: a CDR is a political engagement in a community, it is drinking, singing, eating and chatting with neighbours, it is a love of one’s community, a pride in one’s country and the help it gives to other countries, it is local kids shouting about football and superheroes, old men sounding off about politics, one guy at the back drinking slightly more than he should, and a community of talented musicians, organisers, caregivers and families.“ (Morning Star)[133]
Nach dem Vorbild der CDR wurden später im revolutionären Burkina Faso unter Thomas Sankara nahezu gleiche „Comités de Défense de la Révolution“ gegründet.
5. Aktuelle Krise
Die kubanische Wirtschaft befindet sich trotz des jüngsten Beitritts zum erweiterten BRICS-Bündnis[134] in seiner schwersten Krise seit den 1990er Jahren: Seit 2019 ist das Bruttoinlandsprodukt um insgesamt rund elf Prozent gesunken, wobei allein im Jahr 2024 ein weiterer Rückgang um 1,1 Prozent verzeichnet wurde, während die Deviseneinnahmen im gleichen Zeitraum um etwa dreißig Prozent einbrachen, was die Fähigkeit des Staates zur Finanzierung von Lebensmittel-, Medikamenten- und Treibstoffimporten erheblich einschränkte. [135]
Besonders drastisch zeigt sich dieser Niedergang auf der Produktionsseite: Die landwirtschaftliche Erzeugung, die Viehzucht und der Bergbau sind innerhalb weniger Jahre um über fünfzig Prozent zurückgegangen, während die verarbeitende Industrie einen Rückgang von fast einem Viertel verzeichnete.[136]
„The [cuban economy] minister was quoted as saying that this year and last had been marked „by the intensified impact of the blockade, the fierce persecution of financial flows, and barriers to international transactions that have hindered payments to suppliers.“ (Reuters)[137]
Parallel dazu verschärfte sich die finanzielle Instabilität durch eine anhaltend hohe Inflation und die Abwertung des kubanischen Pesos, dessen offizieller Kurs im Jahr 2024 zwar noch staatlich fixiert war, dessen Schwarzmarktwert jedoch bis zum Frühjahr 2025 auf rund 365 Pesos pro US-Dollar absank, was die Kaufkraft der Bevölkerung massiv untergrub und den Import von dringend benötigten Waren zusätzlich erschwerte:
„Monreal believes that the impact of the category „food and non-alcoholic beverages“ on total inflation was over 50% during most of 2023 and 2024, highlighting the vulnerability of the Cuban market to shortages and rising prices of basic goods.“ (Cibercuba)[138]
Hinzu tritt eine tiefgreifende Energiekrise, die durch den Verfall der veralteten Infrastruktur sowie durch den Rückgang der Öllieferungen aus Venezuela und Mexiko ausgelöst wurde – Während die beiden Länder Kuba in früheren Jahren mit durchschnittlich 55.000 Barrel Öl pro Tag versorgten, sank diese Menge seit 2023 um mehr als dreißig Prozent, was im Jahr 2024 zu täglichen Stromdefiziten von über 1.200 Megawatt und zu Blackouts von bis zu 18 Stunden führte. [139]
Zwar hat Russland die Lieferung von jährlich rund 1,6 Millionen Tonnen Öl sowie technische Unterstützung beim Ausbau der Energie- und Agrarinfrastruktur zugesagt, doch reichen diese Hilfen bisher nicht aus, um die Lücken in der Versorgung zu schließen.
Die Importabhängigkeit Kubas verstärkt die strukturelle Fragilität zusätzlich, da mehr als sechzig Prozent der Nahrungsmittel und über die Hälfte des Ölbedarfs aus dem Ausland bezogen werden müssen, während es zugleich Embargobedingt an harter Divisenwährung fehlt – Zwar bestehen enge Beziehungen zu BRICS-Staaten wie China, Russland oder Brasilien, deren Handelsvolumina sich jedoch überwiegend im Bereich von ein bis zwei Milliarden US-Dollar jährlich bewegen, was angesichts des Ausmaßes der Krise keine substanzielle Stabilisierung ermöglicht.
Die BRICS-Mitgliedschaft eröffnet zwar langfristig Perspektiven, etwa durch den erleichterten Zugang zu Krediten der „New Development Bank“, durch den Ausbau bilateraler Investitionen oder durch die Möglichkeit, Handelsgeschäfte in nationalen Währungen abzuwickeln, doch handelt es sich hierbei um Prozesse, die eine längerfristige Umsetzung erfordern und deshalb kaum unmittelbare Entlastung für die derzeitige Krise schaffen.
Die Kombination aus US-Sanktionen, verschärft durch die sekundären Sanktionen gegen Drittstaatenunternehmen (siehe 2.1), aus der Abwesenheit stabiler Deviseneinnahmen, aus der maroden Infrastruktur und aus den strukturellen Defiziten der Binnenwirtschaft hat zur Folge, dass der BRICS-Beitritt bislang keine spürbare Verbesserung der ökonomischen Gesamtlage bewirken konnte.
Die Verschärfung des US-Embargos auch für Medikamente aus Drittstaaten im Januar dieses Jahres führte zuletzt zu einer drastischen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung:
„Nur 30 Prozent des Grundsortiments an Medikamenten sind verfügbar, in den Apotheken sind lediglich 32 Prozent der benötigten Medikamente vorrätig. Besonders Antibiotika sind knapp. Gesundheitsminister Portal Miranda kritisierte in diesem Zusammenhang die US-Wirtschaftsblockade, welche den Erwerb von Medizinprodukten erschwere. Die Säuglingssterblichkeit stieg auf 8,2 pro 1.000 Lebendgeburten (2024: 7,4). Die Müttersterblichkeit kletterte auf 56,3 pro 100.000 Geburten (2024: 37,4).“ (Cubaheute)[140]
Dieselbe Verschärfung des Embargos, welches es US-Bürgern wieder unmöglich machte, nach Kuba zu reisen, führte zu einem 6-prozentigem Rückgang des Tourismus auf gerade einmal 71% des Plansoll.[141]
Jener Rückgang im Tourismus, verbunden mit der Energiekrise, die Kubas Nationalversammlung zuletzt als „dringlichstes Problem für Kuba“ betitelte, hatte im ersten Halbjahr dieses Jahres dramatischen Einfluss auf den Transportsektor:
„Bis April wurden landesweit 894 Millionen Passagiere befördert, 32 Prozent weniger als geplant und 114 Millionen weniger als im selben Zeitraum 2024. Besonders schwierig ist die Lage bei den lokalen Busverbindungen, die 65 Prozent unter dem Plansoll liegen. Schnelle Hilfe ist nicht in Sicht.“ (Cubaheute)[142]
5.1 Ein Weg aus der Krise
Die kubanische Regierung versucht, die wirtschaftliche Krise vor allem durch ein umfassendes makroökonomisches Stabilisierungsprogramm zu bewältigen, das seit Ende 2023 mehrfach überarbeitet wurde und auf die Beseitigung struktureller Verzerrungen abzielt:
„Wie Finanzminister Vladimir Regueiro Ale berichten konnte, tragen die Bemühungen zur makroökonomischen Stabilisierung und Haushaltskonsolidierung erste Früchte: Das Haushaltsdefizit ging vergangenes Jahr deutlich zurück – von 10,9 Prozent (2023) auf 6,5 Prozent (2024) des BIP. Das Verhältnis von Ausgaben und Einnahmen entwickle sich in Richtung eines gesünderen Gleichgewichts, was die Notwendigkeit zur Aufnahme neuer Schulden reduziert habe und den Rückgang der Inflation begünstigt.“ (Cubaheute)[143]
Zentrale Elemente sind dabei die Ausweitung der Teil-Dollarisierung mit dem Ziel einer späteren Entdollarisierung, die Schaffung geschlossener Devisenkreisläufe auch im Agrarsektor sowie die Einführung eines flexiblen Wechselkurses, der den Zugang aller Wirtschaftsakteure zu Devisen erleichtern soll; flankierend wird die Ausweitung bargeldloser Zahlungsmethoden vorangetrieben, während Preisobergrenzen für Grundnahrungsmittel beibehalten werden.
Parallel dazu soll die Attraktivität ausländischer Investitionen durch beschleunigte Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie und neue Möglichkeiten wie „100-prozentig ausländische Tourismusbetriebe“[144] erhöht werden, während in der Landwirtschaft Investoren erstmals echte Nutzungsrechte einschließlich der Beschäftigung von Arbeitskräften erhalten sollen.
Auf institutioneller Ebene sind eine tiefgreifende Reform des Unternehmensrechts und die Stärkung der Autonomie staatlicher Betriebe vorgesehen, ergänzt durch die Einrichtung eines neuen Instituts für Staatsunternehmen, eine einheitliche Lohnpolitik und den Abbau aufgeblähter Führungsstrukturen.
Zugleich werden rechtliche Grundlagen für Joint Ventures zwischen staatlichen und privaten Akteuren geschaffen sowie Genehmigungsprozesse für Privatunternehmen dezentralisiert, wodurch die Handlungsspielräume der Gemeinden erweitert werden; diese sollen zudem neue agro-industrielle Strukturen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung aufbauen und bestehende Lokalentwicklungsprojekte konsolidieren.[145]
Weitere Maßnahmen betreffen die vollständige Zuweisung der Devisenerlöse aus Gesundheitsdienstleistungen an das Gesundheitsministerium, die selektive Nutzung von Finanzinstrumenten wie „Swap-Geschäften“, die Erweiterung der Möglichkeiten zum Empfang von Auslandsgeldsendungen sowie die Reduktion sozialer Ungleichheiten.
Flankiert werden diese ökonomischen Schritte durch eine Reihe rechtlicher Reformen, darunter die Verabschiedung eines neuen Unternehmensgesetzes, ein modernes Kinder- und Jugendgesetz, ein erstes Sportgesetz, die Reform des Personenstandsrechts und eine Aktualisierung des Ordnungswidrigkeitenrechts.
Außenpolitisch erfordere…
„die „wachsende Aggression der US-Regierung […] eine klare Ausrichtung auf die „Verteidigung der Unabhängigkeit, der Revolution und des Sozialismus“, sagte Rodríguez. Als zentrale Herausforderungen nannte er die seit über sechs Jahrzehnten bestehende US-Wirtschaftsblockade und die erneute Einstufung als „staatlicher Sponsor des Terrorismus“ durch die Trump-Administration. Beide Maßnahmen trügen maßgeblich zu „Leid und Mangel in kubanischen Familien“ bei. Ein Schwerpunkt liege darauf, neue Möglichkeiten für „Exporte, Importe, Investitionen, Finanzbeziehungen und internationale Zusammenarbeit“ zu erschließen, so Rodríguez. Die Teilnahme kubanischer Delegationen an internationalen Foren und bilateralen Besuchen diene der gezielten Vertiefung wirtschaftlicher Bindungen. Kuba wolle zudem seine Führungsrolle in Bündnissen des Globalen Südens – insbesondere der Gruppe der 77 plus China und der Bewegung der Blockfreien – ausbauen.“ (Cubaheute)[146]
So haben die Reformen bis Juli dieses Jahres bereits erste positive Effekte gezeigt: Durch die Haushaltskonsolidierung und die Steuerreformen konnte das Defizit deutlich reduziert werden, was zu einer deutlich stabileren Finanzlage beiträgt.
Die Erhöhung der Steuereinnahmen und die stärkere Kontrolle der Ausgaben haben das öffentliche Budget gestärkt, und erstmals seit über einem Jahrzehnt (!) weist das laufende Konto des Staates einen positiven Saldo auf.
6. Trotz alledem: Die Errungenschaften Kubas
Die materiellen Bedingungen Kubas sind und waren, wie nun dargelegt, von gezielter und präziser Sabotage geprägt – nahezu unverändert seit 1960, bzw. 1992. Es ist deshalb gerade wegen dem Sozialismus in Kuba, dass die massiven Folgen der Sabotage, über Embargo und Isolation bis Terror, für die Menschen in Kuba abgefedert werden.
Niemand behauptet, dass das Leben in Kuba besser ist, als das Leben eines mittelschichtigen Deutschen – und wie sollte es auch? Ein Staat, der sich ohne Kapitalexport und Ausbeutung des globalen Südens reproduziert, der von dem dramatischsten Embargo in moderner Geschichte konfrontiert und mit jeglicher Möglichkeit des globalen Handels ausgeschlossen ist – alles während die materiellen Bedingungen seiner revolutionären Umgestaltung nicht die einer Kolonialmacht, sondern die einer kolonisierten waren.
Es ist gerade deshalb, im Sinne Rose Luxemburgs „trotz alledem“, dass das kubanische System mit dessen Anpassungsfähigkeit, gelebter Solidarität nach Innen und Außen und unglaublicher Widerstandsfähigkeit so ein bedeutender Meilenstein der gesellschaftlichen Entwicklung darstellt.
Der Paradevergleich ist der zwischen Kuba und Haiti – beide teilen das koloniale Erbe von Plantagenwirtschaft, Ausbeutung und korrumpierter Revolution – doch während Haiti durch Imperialismus, Interventionen und US-finanzierter Diktaturen (Duvalier) in dauerhafter Armut gefangen blieb, brach Kuba auf Kosten der Isolation mit diesem Modell. Heute lebt die Durchschnittsfrau in Haiti 13 Jahre kürzer als auf Kuba, kann zu 38% weniger Lesen- und Schreiben, hat eine 119% höhere Wahrscheinlichkeit, an HIV zu erkranken und eine 1763% höhere Chance an Tuberkulose zu sterben, zur Behandlung hat sie knapp ein Vierzigstel der Chance, einen Arzt zu finden wie auf Kuba:[147]
„I talked to a guy in Havana who says to me “All I used to see here in Havana, you call this drab and dull, we see it as a cleaner city. It’s true, the paint is peeling off the walls, but you don’t see kids begging in the streets anymore and you don’t see prostitutes.” Prostitution used to be one of the biggest industries. And today this man is going to night school. He said “I could read! I can read, do you know what it means to be able to read? Do you know what it means to be able not to read?” (Michael Parenti)[148]
Die nationale Alphabetisierungskampagne von 1961, bei der rund 250.000 Menschen aus den Städten – darunter etwa 100.000 Studierende – mobilisiert wurden, um der Landbevölkerung Lesen und Schreiben beizubringen brachte Kuba mit 99% eine der höchsten Alphabetisierungsraten der Welt und die mit Abstand höchste in Lateinamerika.
„Kuba hat mit etwa 8,4 Ärzten pro 1.000 Einwohner eines der höchsten Ärzte-pro-Kopf-Verhältnisse der Welt . Zum Vergleich: In den USA sind es 2,6 und in Italien 4,1. […] Kuba gibt 23 % seines Staatshaushalts für Gesundheit und 30 % für Bildung aus. Gleichzeitig machen die internationalen medizinischen Hilfsdienste des Landes 46 % der kubanischen Exporte und 6 % des BIP aus (allein im Jahr 2019). Dieser Mechanismus hat dem Gesundheitssektor des karibischen Inselstaates hervorragende Erfolge beschert.“[149]
Die Schwarze Bevölkerung erhielt mit der Revolution erstmals universellen Zugang zu Bildung, Arbeit, Sport und Wohnraum in vormals exklusiven Vierteln. Fidel Castros „Proklamation gegen Diskriminierung“ hob institutionelle Barrieren auf und erkannte afro-kubanische Kultur als Teil der nationalen Identität an. Frauen profitierten vom Ausbau von Kindertagesstätten und von Programmen, die ehemals marginalisierte Frauen in produktive Rollen integrierten. Afro-kubanische Kultur wurde demokratisiert. Das Conjunto Folklórico Nacional von 1962 förderte afro-kubanische Musik und Tanz und hob damit lokale Traditionen auf, die zuvor als „niedrig“ galten.
Es ist gerade der Sozialismus in Kuba, der die Menschen vor den sonst fatalen Folgen des Embargos schütze und schützt:
Erst zuletzt, binnen der massiven Wirtschaftskrise (siehe 5.), wurde die Mindestrente von zuletzt 1528 auf 3056 Pesos verdoppelt – hiervon profitieren 438.572 kubanische Pensionierte.[150]
Gleichzeitig wird der Export medizinischer Dienstleistungen weiter ausgebaut, derzeit sind 24.000 kubanische Mediziner im Auslandseinsatz – von diesen Auslandseinsätzen haben hunderte MIlionen an Menschen weltweit profitiert, ohne jemals einen Cent gezahlt haben zu müssen.
Es ist schwer, die kubanische Entwicklung nicht zu romantisieren und unsere positive Einstellung zu ihr nicht zu dogmatisieren. Und wir haben uns mit diesem Beitrag die größte Mühe gegeben, das eben nicht zu tun und die kubanische Entwicklung und dessen Bedingungen nach objektiven Standards (insofern es diese gibt) zu beleuchten. Deshalb erbitten wir das Folgende als romantischen Ausrutscher zu entschuldigen:
„There is often talk of human rights, but it is also necessary to speak of the rights of humanity. Why should some people walk around barefoot so that others can travel in luxurious automobiles? Why should some live for 35 years so that others can live for 70? Why should some be miserably poor so that others can be overly rich? I speak in the name of the children in the world who do not have a piece of bread. I speak in the name of the sick who do not have medicine. I speak on behalf of those whose right to life and human dignity has been denied. What is the use of man’s conscience? Of what use is the United Nations? Of what use is the world? It is not possible to speak of peace in the name of tens of millions of human beings who die yearly of hunger, of curable disease throughout the world. One cannot speak of peace in the name of 900 million illiterate persons.“ (Fidel Castro)
[1] https://www.youtube.com/watch?v=npkeecCErQc
[2] https://www.counterpunch.org/2006/05/19/letter-to-manuel-mercado/
[3] https://www.u-s-history.com/pages/h147.html
[4] https://tocororocubano.com/el-grito-de-baire-y-el-24-de-febrero-de-1895-inicio-de-la-guerra-necesaria/
[5] https://www.mgar.net/cuba/weyler2.htm
[6] https://hackneybooks.co.uk/books/337/562/MontecristiManifesto.html
[7] https://hackneybooks.co.uk/books/337/562/MontecristiManifesto.html
[8] https://www.latinamericanstudies.org/1898/Baltimore-Sun-3-24-1898-2.bmp
[9] https://www.latinamericanstudies.org/reconcentrado.htm
[10] https://idw-online.de/en/event37849
[11] Rockoff, Hugh. 2012. America’s Economic Way of War: War and the US Economy from the Spanish-American War to the Persian Gulf War. New Approaches to Economic and Social History. New York: Routledge, 83.
[12] https://www.pbs.org/crucible/frames/_journalism.html
[13] Rockoff, Hugh. 2012. America’s Economic Way of War: War and the US Economy from the Spanish-American War to the Persian Gulf War. New Approaches to Economic and Social History. New York: Routledge, 16.
[14] http://kpd-ml.org/doc/lenin/LW22.pdf, S.349
[15] https://www.grin.com/document/95601?srsltid=AfmBOor2btdcOEhizcB2aRxc44iPWMgKXswEz2sHU57ev2N_P-gQN8TQ
[16] https://bpb-us-w2.wpmucdn.com/wp.towson.edu/dist/b/55/files/2019/12/Spring-1973-Adams-and-Cortada.pdf
[17] https://bpb-us-w2.wpmucdn.com/wp.towson.edu/dist/b/55/files/2019/12/Spring-1973-Adams-and-Cortada.pdf
[18] https://www.sueddeutsche.de/politik/kuba-und-die-usa-woher-die-feindschaft-zwischen-kuba-und-den-usa-kommt-1.2917128
[19] https://web.archive.org/web/20100516062344/http://library.thinkquest.org/18355/bartolome_maso.html
[20] https://books.google.co.th/books?id=LRmj4wHv-kIC&pg=PA98&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false
[21] http://www.historyofcuba.com/history/race/RaceWar1.htm
[22] http://www.historyofcuba.com/history/race/RaceWar1.htm
[23] https://original-ufdc.uflib.ufl.edu/UF00029010/01960
[24] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 141.
[25] https://www.spiegel.de/geschichte/kuba-despot-batista-freiheitskaempfer-mit-folterkammer-a-947510.html
[26] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 142.
[27] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 141.
[28] https://teresa.cce.com/wp-content/uploads/2013/10/In-Place-Part-Five.pdf
[29] Fernández, Frank. 2001. Cuban Anarchism: The History of a Movement. Tucson, AZ: Sharp Press, 94.
[30] Fernández, Frank. 2001. Cuban Anarchism: The History of a Movement. Tucson, AZ: Sharp Press, 94.
[31] Fernández, Frank. 2001. Cuban Anarchism: The History of a Movement. Tucson, AZ: Sharp Press, 95.
[32] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 145.
[33] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 760.
[34] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 855.
[35] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 146.
[36] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 783.
[37] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 146.
[38] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 855.
[39] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 146.
[40] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 140 ff., 144 ff.
[41] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 149.
[42] https://amerika21.de/dokument/265054/castro-geschichte-wird-mich-freisprechen
[43] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 156.
[44] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 150 ff., 157 ff.
[45] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 140 ff., 111 ff.
[46] https://www.spiegel.de/geschichte/kuba-despot-batista-freiheitskaempfer-mit-folterkammer-a-947510.html
[47] Thomas, Hugh. 1971. Cuba: The Pursuit of Freedom. New York: Harper & Row, 901.
[48] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 173.
[49] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 103.
[50] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 164.
[51] https://www.spiegel.de/geschichte/kuba-despot-batista-freiheitskaempfer-mit-folterkammer-a-947510.html
[52] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 167 f.
[53] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 166.
[54] http://www.cubanews.acn.cu/cuba/17026-the-strike-of-april-9-brought-final-victory-closer
[55] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 147 ff.
[56] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 131.
[57] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 147 ff.
[58] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 147 ff.
[59] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 328 ff.
[60] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 150.
[61] Cushion, Stephen. 2016. A Hidden History of the Cuban Revolution: How the Working Class Shaped the Guerrillas’ Victory. New York: Monthly Review Press, 15.
[62] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 165.
[63] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 164.
[64] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 37.
[65] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 34.
[66] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 106.
[67] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 54.
[68] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 193.
[69] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 50 ff.
[70] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 53.
[71] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 191.
[72] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 191.
[73] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 194.
[74] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 195.
[75] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 64.
[76] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 64.
[77] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 58.
[78] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 58 ff.
[79] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 60.
[80] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 197.
[81] https://thedailyeconomy.org/article/socialism-not-the-embargo-explains-nearly-all-of-cubas-poverty/
[82] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 214.
[83] https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/kubas-staatsfeind-nr-1/
[84] https://amerika21.de/2023/11/266656/un-fordert-ende-der-us-edgblockade
[85] https://press.un.org/en/2024/ga12650.doc.htm
[86] https://press.un.org/en/2024/ga12650.doc.htm
[87] https://press.un.org/en/2024/ga12650.doc.htm
[88] https://www.baltimoresun.com/1994/08/30/the-politics-behind-clintons-cuba-policy/
[89] https://www.baltimoresun.com/1994/08/30/the-politics-behind-clintons-cuba-policy/
[90] https://www.scienceopen.com/hosted-document?doi=10.13169/intejcubastud.16.1.0058
[91] https://www.scienceopen.com/hosted-document?doi=10.13169/intejcubastud.16.1.0058
[92] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/752863/umfrage/kindersterblichkeit-in-den-usa/
[93] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 284.
[94] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 287 ff.
[95] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 36.
[96] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0305750X98000205
[97] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 36.
[98] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 36
[99] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 32.
[100] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 36.
[101] https://jacobin.com/2021/01/we-are-cuba-review-socialism-soviet-union
[102] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 138 ff.
[103] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 121.
[104] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 121.
[105] Daten variieren je nach Studie; https://www.academia.edu/965534/THINGS_BECAME_SCARCE_FOOD_AVAILABILITY_AND_ACCESSIBILITY_IN_SANTIAGO_de_CUBA_THEN_AND_NOW
[106] https://jacobin.com/2021/01/we-are-cuba-review-socialism-soviet-union
[107] https://www.theguardian.com/world/2007/sep/27/cuba.international
[108] https://jacobin.com/2021/01/we-are-cuba-review-socialism-soviet-union
[109] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 138 ff.
[110] https://jacobin.com/2021/01/we-are-cuba-review-socialism-soviet-union
[111] https://amerika21.de/meldung/2012/04/51893/neun-jahre-barrio-adentro
[112] https://amerika21.de/analyse/153105/seltsamer-tod-chavez
[113] https://www.reuters.com/article/world/with-death-of-chavez-castro-says-cuba-has-lost-its-best-friend-idUSBRE92A0FU/
[114] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 338.
[115] Gott, Richard. 2005. Cuba: A New History. New Haven: Yale University Press, 338.
[116] http://www.cubanews.acn.cu/cuba/19704-battle-of-ideas-the-largest-mass-mobilization-ever-to-take-place-in-cuba
[117] Font, Mauricio A., und Carlos Riobó, Hrsg. 2013. Handbook of Contemporary Cuba: Economy, Politics, Civil Society, and Globalization. Boulder, CO: Paradigm Publishers. 36.
[118] https://cubasi.cu/en/news/cuba-and-permanent-battle-ideas
[119] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 153.
[120] https://morningstaronline.co.uk/article/cuba-democracy
[121] https://www.sdaj.org/2021/07/26/kubas-politisches-system/
[122] Informationen des Abschnitts aus:
https://www.sdaj.org/2021/07/26/kubas-politisches-system/
https://www.liberationschool.org/ch-14-workers-democracy-in-cuba/
https://amerika21.de/dokument/204765/kubas-revolutionaere-demokratie
https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/ein-ja-zu-mehr-vielfalt/
[123] https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/verfassungsreform-in-kuba
[124] https://amerika21.de/2018/08/209951/kuba-verfassung-reform-lesung
[125] https://amerika21.de/2019/04/225063/kuba-neue-verfassung
[126] https://www.dw.com/de/klare-mehrheit-f%C3%BCr-neue-verfassung-in-kuba/a-47687827
[127] https://www.granma.co.cu/2013/03/14/pdf/todas.pdf
[128] Chomsky, Aviva. 2010. A History of the Cuban Revolution. Malden, MA: Wiley-Blackwell, 42.
[129] https://de.granma.cu/cuba/2024-05-08/womit-beschaftigen-sich-die-komitees-zur-verteidigung-der-revolution-heute
[130] https://de.granma.cu/cuba/2024-05-08/womit-beschaftigen-sich-die-komitees-zur-verteidigung-der-revolution-heute
[131] https://cubaheute.de/2012/09/13/erneuerung-der-CDR-eine-politische-aufgabe-in-kuba/
[132] https://morningstaronline.co.uk/article/f/cuba-committees-defence-revolution-up-close
[133] https://morningstaronline.co.uk/article/f/cuba-committees-defence-revolution-up-close
[134] https://worldcrunch.com/business-finance/cuba-joins-brics-trump/
[135] https://en.cibercuba.com/noticias/2025-07-17-u1-e135253-s27061-nid307205-escenario-desolador-gobierno-admite-economia-cubana
[136] https://www.reuters.com/world/americas/cuban-economy-continues-five-year-decline-economy-minister-says-2025-07-14/?
[137] https://www.reuters.com/world/americas/cuban-economy-continues-five-year-decline-economy-minister-says-2025-07-14/?
[138] https://en.cibercuba.com/noticias/2025-02-24-u1-e199370-s27061-nid297697-inflacion-dispara-cuba-2025?utm_
[139] https://horizontecubano.law.columbia.edu/news/cuba-ten-consecutive-years-macroeconomic-deterioration/
[140] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[141] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[142] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[143] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[144] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[145] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[146] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/
[147] https://www.laenderdaten.info/laendervergleich.php?country1=CUB&country2=HTI
[148] https://www.youtube.com/watch?v=sNu13KEfqN8&t=744s
[149] https://www.vietnam.vn/de/thay-gi-o-quoc-gia-co-he-thong-y-te-tot-nhat-the-gioi
[150] https://cubaheute.de/2025/07/18/erneute-waehrungsreform-kuba-parlament-zur-lage-der-nation/

